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Hans Bernhard Meyer SJ, renommierter und 2002 verstorbener Liturgiewissenschaftler aus Innsbruck,2 schrieb vor 40 Jahren: "Man kann unmöglich den Gottesdienst der Kirche gesund erhalten, wenn man den Kontakt mit einem lebendigen und gesunden Verständnis der Schrift verliert!", und er fügt noch an: "die Geschichte der Liturgie beweist es!"3 Das war hineingesagt mitten in die spannungsvolle Zeit der Neugestaltung der offiziellen Liturgiebücher im Zug der Umsetzung der Liturgiekonstitution des II. Vatikanums. Sie erst hatte der Bibel im Gottesdienst wieder das ihr gebührende Gewicht zurückgegeben. In der vorangegangenen nachreformatorisch-nachtridentinischen Kontroversepoche, in der die Bibel als vorrangige Signatur der reformatorischen Kirchen, die Sakramente aber als die der katholischen Kirche erschienen, war katholischerseits die Sensibilität für die Relevanz der Bibel, auch betreffend Liturgie, praktisch verloren gegangen. Man sprach folgerichtig von einer "Schriftvergessenheit" der katholischen Liturgie.
Heute, mehrere Jahrzehnte nach dem Konzil und unter völlig neuen gesellschaftlichen Bedingungen, gewinnt dieses Wort neue Brisanz. Zwar hat durch die offizielle Liturgiereform die Schrift im Gottesdienst und in seinen Textbüchern tatsächlich ein beachtliches Gewicht erlangt.4 Sieht man aber erstens die liturgiepastorale Not unserer Tage und zweitens auch die jüngsten Irritationen im Liturgieverständnis, stellt man fest: Trotz aller Reformbemühungen ist im konkreten Bewusstsein der Gemeinden ein bibelgeprägtes liturgisches Verständnis de facto immer noch überraschend wenig präsent. In pastoralliturgischer Perspektive käme jedoch durch eine deutlicher biblische Orientierung der Liturgiepastoral und der Feier selbst die heilsgeschichtlich-dynamische Kraft ihres Vollzugs viel stärker zum Tragen - mit einem Zugewinn an genuiner Authentizität der Liturgie und ihrer spirituellen, pastoralen und heute oft wieder neu betonten missionarischen Ausstrahlung.
Den Beweis dafür liefert die Geschichte der Liturgischen Bewegung: Vor dem Konzil war die bibel-liturgische Symbiotik längst den Vätern der Liturgischen Bewegung vertraut - viel stärker, als dies nach der Konzilsreform in der gegenwärtigen pastoralliturgischen Praxis der Fall ist. In diesem Zusammenhang muss insbesondere auf Pius Parsch5 verwiesen werden, dessen wichtigste Zeitschrift seit ihrer Gründung 1926 den programmatischen Titel Bibel und Liturgie trägt.6 Die von ihm repräsentierte und international breit wirksam gewordene Volksliturgische Bewegung lebte vornehmlich aus dem Gedanken der bibel-liturgischen Symbiotik, auch schon bevor sich liturgiewissenschaftliche Kongresse7 und wissenschaftliche Publikationen des Themas annahmen. Noch bevor die Liturgische Bewegung in der Enzyklika Mediator Dei 19478 ihre offizielle Bestätigung bekam, war schon die Bibelbewegung (und die moderne Bibelwissenschaft) durch die Enzyklika Divino afflante spiritu 19439 offiziell anerkannt worden. Beide Bewegungen entdeckten in ihrem je eigenen Ausgangspunkt eine komplementäre Verwiesenheit aufeinander. Eine bibel-symbiotische Sicht der Liturgie ist schließlich durch das Konzil, dann über Strecken durch die postkonziliare Liturgiewissenschaft und Dank der Ergebnisse auch anderer Disziplinen inzwischen tiefer entfaltet worden, aber in der gelebten Liturgie und Pastoral der Gemeinden immer noch zu wenig bewusst und transparent. Allerdings lassen in jüngster Zeit die Lineamenta der für 5. bis 26. Oktober 2008 nach Rom einberufenen 12. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode neu aufhorchen. Ihr Thema war schon am 6. Oktober 2006 nach einer Umfrage im Weltepiskopat von Benedikt XVI. bekannt gegeben worden und lautet: "Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche". Es steht zu hoffen, dass in der Folge eine breite Rezeption dieses wichtigen Synodenthemas in den Ortskirchen und Gemeinden betreffend das gottesdienstliche Leben einsetzen wird. Am 27. April 2007 hatte der Generalsekretär der Synode, Erzbischof Nikola Eterovic, bei der Vorstellung der Lineamenta10 betont, dass das Thema in Fortsetzung der letzten Bischofssynode über die Eucharistie zu sehen ist: Das allein deutet darauf hin, dass die liturgischen Aspekte auf der Synodenversammlung hinlänglich Berücksichtigung finden werden.11 Als Ziel der Synode wird definiert: "der Fülle des Wortes Gottes zu begegnen: in Christus, der in der Schrift und in der Eucharistie gegenwärtig ist; dabei soll vor allem das Hinhören auf das Wort Gottes in Liturgie und Katechese neuen Schwung erhalten."12 Mit Blick auf Kapitel 2 wird betont: "die Kirche entsteht aus dem Wort Gottes und lebt in ihm und nährt sich von ihm - vor allem in der Liturgie ." Das vorbereitende Papier bezieht sich auf das Konzilsdokument DV und lobt ausdrücklich die "positiven Ergebnisse, zu denen es hinsichtlich der biblischen Erneuerung im Bereich der Liturgie, der Theologie und der Katechese gekommen ist". Hinsichtlich der Vertiefung des Bewusstseins der hier zur Diskussion stehenden bibel-liturgischen Symbiose ist zumindest auf den ersten Blick eine hoffnungsvollere Sprache kaum denkbar.
Jeder Mensch steht so in der Wirklichkeit der Welt, dass sein Begreifen der Dinge und seiner selbst sich grundsätzlich nur im Wort vollzieht.13 Weil alle wesentlichen Vollzüge des menschlichen Lebens sich in Wort und Sprache vollziehen, spielen folglich Wort und Sprache auch in jedem Kult eine entscheidende Rolle. Symbole, Gegenstände und Gesten haben dabei zwar einen echten Aussagewert, aber er bleibt diffus und vieldeutig, wenn nicht das Wort hinzutritt, das seine Bedeutung zur Eindeutigkeit verdichtet. Beide, Wort und Element, ergänzen einander notwendig. Schon das außerchristliche Kultdrama besteht im Wesentlichen darin, dass die im Mythos ins Wort gefassten Heilswahrheiten kultisch, d. h. mit Mitteln irdischer Elemente, repräsentiert werden. Das Ineinander von Wort und Element charakterisiert jeden Kult. Aber das Wort hat hier einen Vorrang - auch schon in den Naturreligionen. Naturereignisse und Welterfahrungen werden durch den Mythos zuerst worthaft eingefangen und dann erst kultdramatisch vergegenwärtigt: Das Wort des Mythos bestimmt die Gestalt des Kultes.14
Sowohl den Mythen und Kultdramen der Naturreligionen als auch dem Gottesdienst des Alten Bundes und der christlichen Liturgie eignet dabei der Charakter der "Anamnese" - im Sinne eines "wirksamen Gedächtnisses". Mircea Eliade beschrieb 1957 in Das Heilige und das Profane15 am Beispiel des Schöpfungskults: "Dass die Feier zur Erinnerung an die Schöpfung wirklich eine Wiedervergegenwärtigung des kosmogonischen Aktes war, geht sowohl aus den Ritualen als auch aus den während der Zeremonie gebrauchten Formeln mit Sicherheit hervor." Sie setzt also den Ursprung in die Gleichzeitigkeit mit den Feiernden und ermöglicht ihnen so immer wieder neu ihre Einordnung in die ursprüngliche und umfassende Schöpfungs- und Heilsordnung.
Noch klarer tritt die vorrangige Bedeutung des Wortes in den Offenbarungsreligionen zutage. Denn hier gibt Gott sich selbst und seinen Willen nicht in vieldeutigen Naturvorgängen kund, sondern durch eine in Wortgestalt ergehende Offenbarung: Gott wird dadurch fassbar in seinem Wort; in einem übertragenen Sinn "verleiblicht" er sich durch sein Wort und wird für das Leib-Seele-Geist-Wesen Mensch konkret erfahrbar: im mündlichen Zeugen, im Propheten, vor allem im heiligen Schriftsteller und im heiligen Buch. - Damit stiftet nun Gott selbst eine personale Beziehung zum Menschen. Die Antwort des Menschen in seiner Ganzheit kann nur wieder unter den Bedingungen der conditio humana erfolgen, also: im Wort, das aber auch er verleiblicht. Die Antwort des Menschen hat von daher immer auch elementar kultisch-rituelle Züge.16
Die alttestamentliche Forschung hat gezeigt, dass viele Schriften in weitem Umfang vom Gottesdienst bestimmt wurden.17 Ihre Berichte wollen als "Gedächtnis" der Großtaten Gottes diese selbst je und je aktualisieren. Das geschieht in den Festfeiern des Volkes, bei denen der heilige Bericht als Teil der Liturgie vorgetragen wird, die in Wort und Ritus jene Ereignisse der Heilsgeschichte kultisch vergegenwärtigt, auf denen das besondere Verhältnis des auserwählten Volkes zu Jahwe gründet. Besonders deutlich wird dies im jüdischen Pesachfest und in den Vorschriften für seine Feier. In dieser Feier nimmt die Paschalesung aus Ex 12 einen ähnlichen Platz ein wie die Verlesung des Mythos bei heidnischen Kultdramen. Auch das Pesachfest ist zunächst die...
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