Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
»Mister, Mister, hören Sie mich?«
Die Stimme kam aus weiter Ferne.
»Wie heißen Sie?«
Eine andere Stimme antwortete.
»Noah. Er heißt Noah.«
»Noah, öffnen Sie die Augen«, befahl die erste Stimme.
Er gehorchte, konnte jedoch nichts sehen. Das Licht war hell und tat weh, und er fühlte sich sehr müde. Er wollte schlafen.
Er schloss die Augen wieder und ließ sich ins Unbewusste gleiten.
Aber die Stimme ließ nicht locker. Sie war sehr laut, und ihr Ton war gebieterisch.
»Noah, ich weiß, dass Sie wach sind. Öffnen Sie die Augen, und sehen Sie mich an. Versuchen Sie nicht zu reden, denn das wird wehtun. Öffnen Sie langsam die Augen, vertrauen Sie mir.«
Etwas an der Stimme erinnerte ihn an Mr. Parks, seinen Grundschullehrer.
Er gehorchte, und diesmal konnte er etwas mehr sehen. Ein männliches Gesicht, wenn auch sehr verschwommen. Ihm wurde schwindelig, und er spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Er versuchte, den Mund zu öffnen, was ihm nicht gelang. Panik überkam ihn.
»Noah, Sie sind auf der Intensivstation des Royal Edinburgh Hospital. Ich bin Dr. Handley. Hören Sie mir genau zu: Sie sind intubiert. Wenn Sie mich verstanden haben, zwinkern sie zweimal.«
Er kniff die Augen zusammen.
»Sie sind an ein Beatmungsgerät angeschlossen, aber wir glauben, dass das nicht mehr nötig ist.« An jemand anderen gerichtet, den Noah nicht sehen konnte, fragte der Arzt: »Hat er gut auf den Spontanatmungsversuch reagiert?«
»Keine Arrhythmie, kein Fieber.«
Erneut das Gesicht vor seinen Augen. »Gut, fixieren Sie seine Hände. Wir werden den Tubus herausziehen.«
Er hörte das Gurgeln des Saugers, während er spürte, wie der Tubus herausgezogen wurde, und Dr. Handley befahl: »Atmen Sie!«
Er tat es. Die Luft schmeckte nach Alkohol und Metall und war lauwarm.
»Wie lange bin ich schon .?« Seine Stimme brach ab, der Arzt hatte recht: Es tat so weh, dass er sich instinktiv an den Hals fassen wollte. Doch er konnte nicht. Er hörte das metallische Klingeln des Bettgitters, als er die Hände bewegte.
»Zwei Tage«, antwortete der Arzt.
»Chief Inspector Graham, ich muss mit ihm reden«, flüsterte er, in der Hoffnung, die Messer, die in seine Kehle zu stechen schienen, so zu überlisten.
»Sie dürfen noch keinen Besuch empfangen, aber keine Sorge, der Chief Inspector war die ganze Zeit hier draußen. Er weiß bereits alles.«
Noah hatte das Gefühl, dass der Tubus noch immer in seinem Hals steckte, obwohl er wusste, dass dem nicht so war.
»Es ist John Clyde. Sagen Sie es ihm.«
»Er weiß bereits alles, ruhen Sie sich aus«, wiederholte der Arzt abschließend.
Noah schloss die Augen. Und schlief augenblicklich ein.
Dr. Handley trat ins Zimmer, schloss sorgsam die Tür hinter sich und blieb ein paar Sekunden stehen, um den Mann in dem Bett am Fenster zu betrachten. Noah hatte sich aufgerichtet, saß mit angezogenen Beinen auf dem Bett und hatte die Arme um die Knie geschlungen. Im Bericht stand, dass er 42 Jahre alt war. Schlank und muskulös, das dichte, im Nacken und auf der Stirn gelockte dunkle Haar hob die Blässe seiner Haut hervor. Er blickte gedankenverloren aus dem Fenster. Selbst in dieser Ruhestellung wirkte er irgendwie unruhig und gehetzt, was Handley, der schon sein halbes Leben lang Kardiologe war, als etwas Negatives einstufte. Daher presste er unzufrieden die Lippen zusammen, bevor er sich dem Bett seines Patienten näherte.
»Noah Scott Sherrington.«
Noah wandte sich erwartungsvoll zu ihm um. Schon wieder dieser Übereifer.
»Ich nehme an, Sie sind der Kardiologe«, entgegnete er und streckte ihm die Hand hin, die der Arzt ergriff und schüttelte. »Wann, denken Sie, kann ich Besuch empfangen oder zumindest telefonieren? Es ist wichtig, dass ich mit meinem Vorgesetzten rede. Man lässt mich hier noch nicht mal die Zeitung lesen.« Er sah sein Gegenüber vorwurfsvoll an.
»Machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Graham ist, seit Sie hier eingeliefert wurden, auf dem Laufenden. Er hat uns darüber informiert, dass Sie keine Familie haben, weshalb er die Erlaubnis erhalten hat, Sie auf der Intensivstation zu besuchen.«
Handley wies auf den Rand des Bettes, und Noah rückte ein Stück zur Seite, damit er sich setzen konnte.
»Wie geht es Ihnen, Noah? Darf ich Sie Noah nennen?«
Scott Sherrington nickte.
Der Arzt lächelte nachsichtig. »Fühlen Sie sich gut?«
»Na ja .« Noah zuckte mit den Schultern. »Ich bin etwas müde, und mir tun der Hals und die Rippen weh«, sagte er und legte eine Hand an die entsprechenden Stellen, »aber die Krankenschwester hat gesagt, dass das normal ist, wegen der .« Er brach mitten im Satz ab.
»Der Reanimation«, sagte der Arzt.
»Ich glaube, die Schwester hat >Wiederbelebung< gesagt.«
Handley entging nicht, wie finster er das Wort betonte.
»Woran können Sie sich noch erinnern, Noah? Bitte berichten Sie mir alles, was Sie noch wissen, jedes Detail. Das ist wichtig.«
Noah hob den Blick, und es war ihm anzusehen, dass er angestrengt nachdachte.
»Ich habe einen Verdächtigen verfolgt. Dabei habe ich an einem Bahnübergang angehalten. Und dann fiel mir ein Wagen auf, der aus der entgegenkommenden Richtung über den Übergang fuhr. Auf eine Art . Na ja, ich habe den Wagen wiedererkannt und beschlossen, ihm zu folgen.«
Man merkte, dass Noah gewohnt war, Berichte zu verfassen. Dr. Handley fiel auf, dass er sich darauf beschränkte, Tatsachen wiederzugeben, ohne dabei irgendwelche Gefühle zu äußern oder zu erkennen zu geben.
»Mir ist sofort aufgegangen, dass er zu dem See wollte, wo er wohnt«, fuhr Noah fort. »Ich bin etwa 25 Meilen hinter ihm hergefahren, bis zum Ufer des Loch Katrine. Dort habe ich den Verdächtigen . sagen wir, bei der Ausführung einer Straftat überrascht. Es kam zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Einer heftigen körperlichen Auseinandersetzung, und es ist mir gelungen, ihm Handschellen anzulegen und . Das war's.« Noah brach ab und fügte in einem Ton, der nicht mehr so professionell klang wie die vorangehende Schilderung, hinzu: »Danach nichts.« Er richtete den Blick ziellos aus dem Fenster. Traurig.
Handley holte ihn mit seiner Frage ins Hier und Jetzt zurück. »Erinnern Sie sich nicht an irgendwelche auffälligen Symptome den Tag über? Extreme Müdigkeit, Atemnot, Unruhe.«
»Nein.«
Der Arzt sah ihn misstrauisch an. »Geschwollene Beine oder Füße? Irgendein anderes Übel?«
»Ich trug neue Schuhe und dachte, dass mir die Füße deswegen wehtun«, sagte Noah und zuckte mit den Schultern.
»Lassen Sie mich raten: Sie haben sich neue Schuhe gekauft, weil die alten zu eng waren.«
»Ja.«
»Wahrscheinlich waren die neuen Schuhe eine Nummer größer, aber sie haben trotzdem gedrückt, richtig?« Dr. Handley notierte etwas in seinen Unterlagen. »Scheinbar unbegründete Schweißausbrüche, Hitze oder plötzliche Kälte, Herzklopfen, Panikattacken .?«
Noah nickte bei jedem seiner Worte. »Und ein Völlegefühl«, fügte er hinzu. »Ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, Hunger zu haben, wusste aber, dass ich keinen Bissen runterbringen würde, als hätte ich mich komplett vollgefressen.«
»Und das fanden Sie nicht eigenartig? Haben Sie nicht gedacht, dass irgendetwas Seltsames in Ihnen vorgeht?«
»Ja, ich hatte eine Eingebung.«
»Bitte?«, fragte Handley verwundert.
»Instinkt, Intuition, eine Vorahnung. Das ist schwer zu erklären, und ich habe das schon öfter gehabt, und immer ist dann daraufhin etwas passiert. Als die roten Lichter des Bahnübergangs zu blinken begannen, hatte ich diese Vorahnung, die so deutlich war, dass ich sie mit den Händen hätte greifen können. Und als ich den Capri gesehen habe, der aus der entgegengesetzten Richtung über den Bahnübergang gerast ist, wusste ich es. Es war eine so deutliche Gewissheit, dass ich keinen Zweifel hatte.«
»Eine Eingebung«, wiederholte der Arzt, »oder die Symptome eines Herzinfarkts.«
Noah sah ihn fragend an. »Also hatte ich einen Herzinfarkt, ja? Ich kenne einen Mann hier in Edinburgh, einen Streifenpolizisten, Joe Chambers, der hatte einen Infarkt, während er mit seinem Partner im Einsatz war. Glücklicherweise war das ganz in der Nähe eines Krankenhauses, es könnte dieses gewesen sein. Als ich ihn wiedergesehen habe, hatte er 66 Pfund abgenommen, trank keinen Alkohol mehr und hatte das Rauchen aufgegeben. Jetzt ist er im Innendienst.«
Handley sah ihn mitfühlend an. Es war genau so, wie er auf den ersten Blick geahnt hatte: Zuerst tat er so, als wäre nichts passiert, und nun versuchte er zu verhandeln.
»Noah, ich werde Sie heute noch mal untersuchen, aber schon die Analyse nach Ihrer Einlieferung hat ergeben, dass Ihr Cholesterinwert, der Blutzuckerspiegel und die Anzahl der roten Blutkörperchen völlig normal sind. Sie haben absolut kein Übergewicht. Ihre Nieren und Ihre Leber funktionieren gut, und obwohl ich weiß, dass Sie rauchen, zeigen die Ergebnisse, dass Sie es nicht übertreiben. Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was Ihrem Bekannten passiert ist, vielleicht eine Arteriosklerose, und dem, worunter Sie leiden.«
»Aber ich hatte doch einen Infarkt, oder nicht?«, fragte...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.