Schweitzer Fachinformationen
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Ich wachte vom Baulärm auf, schälte mich aus dem Bett, ging zum Fenster und schaute auf das Haus gegenüber. Ein verdammter Investor hatte es übernommen und mit dem Haus auch die Wohnung meines Kumpels Ringo, der dort ohne rechtes Bein, dafür aber mit unbefristetem Mietvertrag wohnte. Aber wie lange noch?
Die Masche, mit der diese Geldsäcke alte Mieter mit gültigen Verträgen rausekelten, war immer die gleiche: Sie rockten das Haus mit Balkanmethoden herunter und eröffneten zunächst im Keller ein Schlaflager für illegale Bauarbeiter. Dann brachte man ein paar Extrapostkästen für Scheinfirmen an, was wiederum Stiernacken anlockte, die einmal pro Woche mit ihren Verbrecherkutschen vorfuhren, um sich die Post vom Finanzamt oder der Sozialversicherung für ihre Scheinfirmen abzuholen. Die fälligen Beiträge wurden aber erst recht nicht bezahlt.
Am Wochenende kamen dann dieselben Stiernacken mit minderjährigen Mädchen, deren Dienste sie halbstundenweise an die Bauarbeiter unten im Keller verkauften. Dabei ließen sie ihre Verbrecherkutschen gerne eine halbe Stunde lang mitten auf der Straße bei laufendem Motor stehen, während sie selbst sich gemütlich in die Hose fassten. Bald stand Tag und Nacht das Haustor offen, sodass sich herumsprach, dass man darin gratis pissen und kacken konnte, am besten gleich im Stiegenhaus.
Dann zogen die ersten Mieter aus, weil sie den Gestank nicht ertrugen, während immer mehr Junkies der Umgebung das Haus nutzten, um sich darin ihren Stoff reinzuziehen. In den bereits geräumten Wohnungen ließ man verlauste Punks wohnen, die die Einstürzenden Neubauten hörten, obwohl es doch ein Altbau war, der bald abgerissen werden sollte. Die nächsten Mieter hatten genug und zogen aus, weil sie den Lärm nicht ertrugen, und die, die noch nicht genug hatten, wurden speziellen Methoden unterzogen: Man hängte den Gatten Kopf voran aus dem Fenster, bis die Gattin die Kündigung unterschrieb - auch wenn sie lieber auf den Gatten verzichtet und dafür die Wohnung behalten hätte!
Waren am Ende alle draußen, rissen ein paar illegale Rumänen alles nieder, was ein paar Böhmen mit vielen Ziegeln vor hundert Jahren errichtet hatten. Wer gut im Raten war, der wusste, dass statt des Gründerzeithauses bald Luxusimmobilien entstehen würden, die nur jemandem gehörten, in denen aber niemand wohnte. Die Polizei interessierte sich nicht dafür, und das Bauamt war korrupt bis hinauf zum Chef des Bauamts.
Während ich aus meinem Fenster hinüber auf dieses Haus schaute, fragte ich mich wieder einmal, was eigentlich aus dem guten alten, roten Wien geworden war? Anstatt den Spekulanten die Eier abzuschneiden, ließen sich die Spitzen der Stadt von Verbrechern aus einschlägigen Herkunftsländern sowie heimischen Steuerschonern in den Arsch ficken. Jemand musste endlich etwas dagegen tun!
Ich schrie hinüber: "He! Ein Mensch muss auch mal ausschlafen können!" Aber wegen des Lärms hörte mich keiner, also ging der Lärm einfach weiter.
Wo ich nun aber schon mal wach war, leimte ich mich für das Werk des kommenden Tages zusammen: Ich wählte den gelben Jogginganzug mit Kapuze zu weißen Socken, trank einen ersten Becher Russenschnaps und rauchte einen ersten Joint. Ich steckte mir die Bleispritze in die Unterhose und schlüpfte in die blauen Adiletten, weil ich wegen eines Hühnerauges zurzeit keine Tanzschuhe tragen konnte.
Ich schwang mich hinunter und querte die Straße hinüber zum Abbruchhaus, an dem eine riesige Tafel angebracht war mit dem Namen des neuen Eigentümers: ALPESTE-Developing GmbH. Na klar! Wenn es keine Developing GmbH war, dann galt es nicht! Dazu eine detaillierte Auflistung der zu errichtenden Wohneinheiten. Überraschenderweise sollten es zweiunddreißig Luxuseigentumsappartements werden.
Die Eingangstüre war ruiniert und stand offen. Ich trat ein und bewegte mich langsam die Treppe hinauf. Die alten Elektroleitungen waren bereits herausgerissen, die alten Gasleitungen aufgestemmt, nur noch ein paar Holzverstrebungen hielten die Bude überhaupt zusammen.
Endlich sah ich einen, der wie ein Bauarbeiter aussah, aber in Wahrheit ein Balkanmafioso war. Ich winkte ihn zu mir und deutete nach oben zur Decke. Dabei fragte ich ihn, ob man die wunderschöne Lampe eventuell mitnehmen könnte, wo man schon mal hier war. Als er dort oben aber keine Lampe sah, weil dort oben keine Lampe war, nahm ich ihn beim Eiersack und fuhr ihm noch mit den Fingern in die Augen. Es war unglaublich, dass immer noch jemand auf den alten Trick hereinfiel! Mit der linken Hand drückte ich ihm gegen die Kehle und prüfte mit der rechten seinen Hosenbund, und siehe da - ich fand ein Messer und einen Schlagring: das Handgepäck durchreisender Balkanmafiosi.
"Wer du?", fragte ich vielleicht eine Spur zu Balkanesisch.
"Ich Mirco."
Er konnte aber auch Dragan heißen oder Zlatan. Wichtiger war ohnehin etwas anderes: "Wem gehören Haus?"
"Nix verstehen! Nix wissen!" Er versuchte es also mit den bekannten Stehsätzen.
Ich verlegte meine Linke an seinen Schritt und drückte ordentlich zu: "Du verstehen alles, und du wissen mehr als nix, ich sein sicher!"
"Bissi mehr vielleicht", stöhnte er. "Aber du sein diskriminierend, weil du reden mit mir in Blödsprache."
War das also auch schon bei einem hundert Kilo schweren Balkankiller angekommen, dass man so nicht mit ihm reden durfte, nur weil er sich am Ende vielleicht "verletzt" fühlen konnte?
Ich sagte: "Ehre, wem Ehre gebühren, Blödi. Und jetzt hör zu: Entweder du redest oder du bist bald ein Eunuche. Falls es dich interessiert: Das ist ein Typ, der früher ein Mann war."
Ein Geschlecht, mit dem man sich übrigens noch nicht beim Amt eintragen lassen konnte.
Ich verstärkte den Druck: "Also, wem gehört das Haus?"
"Heißt Altsteinbär", keuchte er endlich.
"Altsteinbär? Bist du dir da ganz sicher?"
"Ja!"
"Will alter Steinbär auch das Haus vom alten Drogenbär gegenüber kaufen?" Der alte Drogenbär war mein Freund Lemmy, dem das Haus gehörte, in dem ich wohnte.
"Ich nix wissen."
"Du lügst!" Ich drückte kräftiger zu.
"Will alle kaufen Häuser!", wusste er plötzlich.
"Will kaufen alle Häuser!", korrigierte ich ihn, bevor ich ihm eine in die Visage drosch, die ihn zu Boden sinken ließ. Dort ließ ich ihn liegen und schraubte mich weiter die Treppe hinauf. Da wusste ich noch nicht, wie sehr mich das Treppensteigen die nächsten Tage beschäftigen würde.
***
Die Türe zu Ringos Wohnung im dritten Stock war aufgebrochen worden und stand halb offen. Ringo hieß nicht nach dem Drummer der Beatles, sondern nach dem Hund seiner Mutter. Er war hier der letzte verbliebene Mieter und hielt die Ehre der Sozialhilfeempfänger hoch. Davon kaufte er sich Gras bei Lemmy, meistens sein Origano Speziale, das ihn in einen verlässlichen Dämmerschlaf versetzte. Aber nun schlief er nicht, denn ich hörte ängstliches Wimmern aus seiner Bude: "Bitte nicht! Bitte, bitte nicht!"
Vorsichtig trat ich ein. Mit der Bleispritze voran bewegte ich mich weiter ins Innere der Zweizimmerwohnung und kam in den finsteren Raum, dessen einziges Fenster zum Lichthof hinausführte, aus dem allerdings nur wenig Licht hereinkam. Dort checkte ich die Lage: Ein Stiernacken stand bei diesem Fenster und hielt einen Fuß zwischen seine mächtige Brust und seine massigen Arme geklemmt. Mir war sofort klar, dass es Ringos verbliebener Fuß sein musste, an dem er ihn da festhielt, und dass der Rest von ihm Kopf voran beim Fenster hinaushing.
"Hände hoch oder ich schieße!" wäre also in diesem Moment die schlechteste Ansage gewesen. Denn einen Motorradunfall auf Kreta konnte man überleben - wenn auch ohne rechtes Bein! -, nicht aber einen Sturz aus dem dritten Stock in den Lichthof dieses Hauses. Ich entschied mich also für ein dezentes "Psssst", worauf der Stiernacken sich langsam zu mir drehte und in die Mündung meiner Bleispritze schaute. Sie gefiel ihm nicht.
Ich deutete ihm, dass er Ringo wieder hochziehen sollte, was er ohne die geringste Anstrengung auch tat. Als er ihn wieder auf den Boden in seiner Wohnung stellte, fiel Ringo allerdings um.
Im Liegen stammelte er: "Rock! Da unten liegen schon zwei andere!"
Bevor ich nachsehen konnte, wer da unten im Lichthof schon lag, spürte ich einen harten Schlag gegen meinen Schädel. Und dann sah ich nur noch Sterne.
Ich wachte in den Armen eines Sandlers auf, was mir ein wenig peinlich war. Er beträufelte mein Gesicht mit einem nassen Fetzen, den er normalerweise in seinem Schuh trug, damit er ohne Blasen durch den Sommer kam. Kurz fragte ich mich, wovon dieser Fetzen so nass war - von meinem Schweiß oder von seinem? Themenwechsel!
"Hast du zwei Euro?", fragte er mich.
"Woher denn nehmen?", fragte ich zurück. Dann fiel mir wieder ein, warum ich überhaupt hier war: "Hast du Ringo gesehen?"
"Den Einbeinigen?"
"Genau den!"
"Heute noch nicht. Aber hör zu, hast du nicht vielleicht was zu trinken?"
"Wasser?"
"Doch nicht Wasser!"
"Dann habe ich was."
Ich rappelte mich hoch und fasste in meine Brusttasche, in der mein Flachmann steckte. Er leerte ihn gierig, während ich zum Fenster stolperte, mich hinauslehnte und hinunter in den Lichthof schaute, wo ich Ringo auf dem ganzen Haufen Bauschutt liegen sah. Eine Eisenstange hatte sich durch seinen verbliebenen, linken...
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