Schweitzer Fachinformationen
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18:25 Uhr. Ben setzt sein Namenskürzel BK in die Freigabe der Buchungsmaske und drückt die Entertaste. Für den Zahllauf hat er alle vorliegenden Rechnungen erfasst und gebucht. Er meldet sich an seinem PC ab, steht auf für seine gewohnten Dehnübungen und spürt schnell, wie sich die Verspannungen im Nacken und in den Schultern lösen. Allmählich taucht er gedanklich wieder in seine neue Geschichte ein, in der sich alles um Paul Newman dreht.
Die Zigarette. Er nimmt sie aus der Schreibtischschublade. Gestern hat er sie unbemerkt dem Kollegen Sandmann stibitzt. Um einen buchhalterischen Vorgang mit dem Kollegen aus dem Controlling zu klären, war er hinübergegangen, hatte ihn aber nicht angetroffen. Als er auf dessen Schreibtisch das Päckchen Zigaretten entdeckte, hatte er zugegriffen. Jetzt hängt die Zigarette lässig im linken Mundwinkel. Er stellt sich vor, er raucht. Der aufsteigende Tabakqualm brennt in seinem Auge. Er kneift es zusammen, so wie er es bei Newman beobachtet hat. Mit diesem schiefen Newman-Gesicht schnappt er sich die leere Wasserflasche und das Glas, trägt beides entspannt und schlaksig den Flur entlang zurück in die Kaffeeküche - wie Paul. Seine Mutter wäre wieder einmal begeistert, wenn sie ihn so sehen könnte. Schon immer hat er sie mit seinen Auftritten begeistern können.
Er will sein Büro verlassen, hat schon den Mantel übergezogen, da klingelt das Telefon. Die Gottwald vom Marketing, ihr Name leuchtet auf dem Display. Sie sitzt im Nebengebäude, und er weiß ganz genau, dass sie ihn jetzt durch die Glasfronten der Büros von ihrem Schreibtisch aus beobachtet. Er nimmt den Hörer ab.
"Hallo, lieber Ben. Geht es Ihnen gut? Beschleicht Sie auch langsam dieses gewisse Weihnachtsfeeling?"
Ihr übertriebenes Gesäusel nervt ihn. Eine dieser Marketing-Frauen. Typisch. Angeblich hat sie etwas mit Lobenthal, dem Vorstand. Er geht auf ihre Frage nicht ein, will einfach nur wissen, was er für sie tun kann, ganz cool. Jetzt wird sie präzise.
"Ich habe die Rechnungen für den Kundenevent am Nikolausabend geprüft und zur Zahlung freigegeben. Meine Praktikantin bringt Ihnen die Unterlagen sofort rüber."
"Sie kann sie mir gerne ins Postfach legen."
Er wird sich von der Gottwald nicht aus der Ruhe bringen lassen.
"Ich will nur sichergehen, dass alles morgen mit dem letzten Zahllauf in diesem Jahr noch beglichen wird", hört er sie.
Sein Puls beschleunigt sich. Das darf doch nicht wahr sein. Jetzt, wo er fertig ist, kommt sie mit ihrem Scheiß daher. Das ist absolut nicht zu schaffen. No way!
"Daraus wird nichts. Rosner hat den Banktransfer auf morgen Vormittag um zehn Uhr festgelegt. Danach bekomme ich von ihm keine Freigabe mehr. Er muss weg zu einem Termin außer Haus."
Die Gottwald geht überhaupt nicht auf ihn ein.
"Lieber Ben, Sie wissen doch, wir dürfen niemanden verärgern. Ich brauche die Location, das Catering, den Fotografen mit seinen Leuten. Ende Februar auch den Limousinen-Service für die Präsentation der Sommer- und Herbstkollektion. Und vergessen Sie mir nicht die Rechnung der Kundengeschenke."
In Momenten wie diesen hasst Ben seinen Job. Niemand in der Firma hat eine Ahnung davon, was er für einen Aufwand betreiben muss, bis er alle steuerlichen Richtlinien für eine Eingangsrechnung abgecheckt hat. Jeder hier denkt wohl, dass er die Belege nur in seinen PC reinschiebt, und dann sucht sich der Computer alle Daten selber zusammen, die für den Banktransfer nötig sind.
"Ich weiß, Sie enttäuschen mich nicht", säuselt die Gottwald und legt auf.
Sie kann ihm den Schuh aufblasen. Würde sie ihm besser zuarbeiten, dann bekäme er seinen Job während der üblichen acht Stunden auf die Reihe und sie ihre Rechnungen pünktlich bezahlt. Ben dreht sich um und sieht hinter den Scheiben der Fensterfront, gegen die der Regen trommelt, die Kollegin im Nebengebäude sitzen. Hoffentlich bemerkt sie, dass er den Lichtschalter betätigt - dabei stellt er sich vor, wie ihr sämtliche Gesichtszüge entgleiten, sperrt sein Büro ab, geht lässig wie Paul durch das Treppenhaus nach unten und läuft der Praktikantin direkt in die Arme. Die Gottwald muss sie schon vor dem Telefonat losgeschickt haben. Hätte er bloß den Lift genommen. Das junge Ding überreicht ihm mit einem schüchternen Lächeln den Packen Rechnungen. Er starrt auf das angeheftete Post-it. Für Ihren Einsatz genehmigen wir uns morgen Abend auf der Party ein Glas Champagner extra, hat die Gottwald geschrieben.
Widerwillig kehrt Ben in sein Büro zurück.
"Ich kotze gleich." Er feuert seine Umhängetasche in die Ecke, zerrt an den Mantelknöpfen. Er muss sich zwingen, nicht zur Gottwald hinüberzusehen, um ihr den Mittelfinger zu zeigen.
Es gelingt ihm nicht, sich zu konzentrieren, immerzu schweifen die Gedanken ab zu seiner Paul-Newman-Geschichte für den Schreibwettbewerb. Wieder und wieder vertippt er sich beim Erfassen der Belege.
21:30 Uhr. Das Hauptgebäude gegenüber liegt im Dunkeln. Wann die Gottwald ihr Büro verlassen hat, ist ihm völlig entgangen, das macht ihn noch wütender.
Der Regen geht in Schnee über. Schwere, große Flocken wirbeln im Lichtschein der Straßenlaterne unter ihm. Ben beugt sich über den letzten Beleg, ordnet die Ausgaben den entsprechenden Kostenstellen und Projekten zu, und als er sie buchen will, ergibt seine Aufteilung nicht die Rechnungssumme. Er flucht, überprüft alles, addiert, aber es bleibt fehlerhaft. Schließlich springt er hoch, läuft einige Schritte im Büro auf und ab, legt sich auf den Fußboden - für einen kurzen Moment der Entspannung. Autogenes Training wird ihm helfen, es ist ja sonst niemand mehr da. Er spürt die angenehme Schwere in seinem Bein, links, rechts, in seinem Arm, spürt die wohlige Wärme, atmet ganz ruhig .
Er scheint geschlafen zu haben, denn als er die Augen wieder aufschlägt, sind alle Fenster im Nebengebäude hell erleuchtet. Sämtliche Knochen schmerzen, er friert, kommt nur schwer wieder hoch. Während er sich streckt, bemerkt er Frauen, die in den Büroräumen gegenüber staubsaugen. Dass der Putztrupp noch abends durch das Firmengebäude zieht, ist ihm ganz neu. Jetzt hört er auch in seinem Gang Schritte, in der Tür seines Büros taucht eine Frau auf. Sie begrüßt ihn mit einem freundlichen "Guten Morgen." Ohne ihn weiter zu beachten, beginnt sie, mit einem Tuch die Tastatur seiner Rechenmaschine abzuwischen, das Display seines Telefons. Es braucht einen Moment, bis er begreift: es ist tatsächlich schon kurz nach sieben Uhr morgens. Auf der Toilette stößt er auf eine weitere Putzfrau, die gerade das Handwaschbecken scheuert. Mit einem "Tschuldigung" zwängt er sich an ihr vorbei in die hintere der beiden Kabinen. Er verriegelt die Türe und versucht sich zu beruhigen.
"Null Problem, ist ganz Natur", dringt die Stimme der Frau in gebrochenem Deutsch an sein Ohr. Null Problem? Die hat ja keine Ahnung.
Sie ist mit Spiegelpolieren beschäftigt, als er seine Kabine verlässt. Es stört ihn, dass sie ihm nach dem Händewaschen auch noch dabei beobachtet, wie er mit den Fingern seine widerspenstigen Haare in Form zu bringen versucht.
Weil in seinem Büro Staub gesaugt wird, holt er sich in der Gemeinschaftsküche vom Automaten eine große Tasse schwarzen Kaffee, trinkt ihn langsam und in kleinen Schlucken im Stehen. Endlich sind sie mit seinem Büro fertig. Er muss versuchen, den Additionsfehler vom Vorabend zu finden. Wieder ohne Erfolg. Was kann er noch machen? Die ganzen Mühen umsonst, und auch die Chance vertan, ein letztes Mal an seine Paul-Newman-Erzählung ranzugehen und sie beim Wettbewerb einzureichen.
Wann wird er endlich seine Karriere starten und diesen Laden hier verlassen können?
Kurzerhand verbucht er den Differenzbetrag auf das Konto für das Catering. Die Gottwald blickt in ihrem Budget sowieso nicht durch, ihr wird es nicht auffallen. Dafür ist der Betrag zu gering. Irgendwie geht es ihm nun etwas besser. Ihm fällt ein, dass er seine Stunden für den Dezember noch nicht in Rechnung gestellt hat. Er holt es nach, bucht sie ein und setzt die Zahlungsvorschlagsliste auf.
In den angrenzenden Büros hört er erste Kolleginnen und Kollegen, einige grüßen aus dem Gang zu ihm herein. Niemand macht eine Bemerkung darüber, dass er den Rollkragenpullover vom Vortag trägt, die gleiche verwaschene Jeans, als er über den Flur zum Lift geht, um sich unten in der Kantine Frühstück zu kaufen. Durch die offenstehenden Bürotüren hört er mit, wie sich einige über ihre geplante Garderobe für den Abend austauschen.
"Jetzt haben wir es ja bald geschafft."
Kollege Sandmann aus dem Controlling kommt Ben im Gang entgegen. Augenzwinkernd beugt er sich ganz nah zu ihm und raunt:
"Sobald der Alte weg ist, genehmigen wir uns alle in meinem Büro ein Gläschen und stoßen auf die freien Tage an, die vor uns liegen."
Ben nickt, obwohl er schon jetzt weiß, er wird sich auf keinen Fall dazugesellen. Dieser Sandmann ist ein unangenehm jovialer Typ. Bei jeder ihm sich bietenden Gelegenheit ködert er die Kolleginnen der Verwaltung mit Prosecco und schart sie um sich.
Zurück in seinem...
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