Schweitzer Fachinformationen
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Ausleuchten heißt Schatten erschaffen. Ein erster wesentlicher Aspekt für die Wirkung von Licht ist, dass ein dreidimensionales Objekt auch im zweidimensionalen Bild seine Räumlichkeit, seine Plastizität behält. Hierzu darf zum Beispiel ein Gesicht nicht nur »hell« und damit schattenfrei angeleuchtet werden. Das wäre mit einer nahe der optischen Achse platzierten Lichtquelle der Fall, etwa bei Nutzung des eingebauten bzw. eines Systemblitzes auf der Kamera oder der Sonne im Rücken des Fotografen. Das Ergebnis ist am Beispiel einer Kugel einfach zu verdeutlichen, wie Abbildung 1-1 zeigt.
Abbildung 1-1
Eine dreidimensionale Kugel ist nur bei entsprechender Ausleuchtung als solche in einer zweidimensionalen Abbildung wahrnehmbar.
Bei einer frontalen Ausleuchtung wirkt die Kugel im Bild eher wie eine Scheibe. Nachts können Sie das anhand des Vollmondes sehen, der wie eine Scheibe und nicht wie eine Kugel am Himmel steht. Erst Schatten auf der Oberfläche lassen uns ein Objekt im zweidimensionalen Bild als dreidimensional wahrnehmen. Dabei sind unterschiedliche Eigenschaften der Schatten, die wir im Verlauf der folgenden Kapitel ausführlich diskutieren werden, dafür verantwortlich, wie stark diese »Plastizität« und viele weitere Charakteristika ausgeprägt sind. Ein plötzlich einsetzender Schatten mit einer scharfen Übergangskante wie bei der zweiten Kugel in Abbildung 1-1 lässt diese wie eine flache Sichel erscheinen, so wie wir es auch beim Mond beobachten können. Erst ein breit verlaufender Schatten, der von der angeleuchteten bis zur Schattenseite verläuft, verleiht der Kugel das nötige Volumen. Wird dieser Verlauf breiter, wirkt die Kugel stärker dreidimensional.
Abbildung 1-2
Das Gesicht erscheint frontal beleuchtet flächiger als bei schattenreicher seitlicher Beleuchtung.
Anhand der Porträts in Abbildung 1-2 lässt sich der Unterschied der Tiefenwirkung durch Schattenverläufe nochmals verdeutlichen. Bei frontaler Beleuchtung ist das Gesicht nahezu schattenfrei und damit wenig plastisch. Bei seitlicher Beleuchtung entstehen deutlichere Schatten und damit auch Hell-Dunkel-Verläufe, die eine plastischere Bildwirkung ergeben.
Schatten mit einem breiten Hell-Dunkel-Verlauf lassen ein Motiv in der zweidimensionalen Bildebene dreidimensional und damit plastisch wirken.
Ausleuchten heißt also nicht, die Motive möglichst überall mit Licht zu versorgen, sondern Ausleuchten bedeutet im Gegenteil, Schatten zu erschaffen. Von den im Bild erzeugten Schatten hängt aber nicht nur die Plastizität ab, sondern auch die Wiedergabe von Glanzlichtern auf teilweise spiegelnden Oberflächen wie Wasser, Metall, Glas oder eben auch einer feuchten oder fettigen Haut. Auch die Wiedergabe von Struktur, der Oberflächentextur eines Motives, hängt von den erzeugten Schatten ab. Genauso wesentlich für die Bildwirkung sind zudem die entstehende Flächenaufteilung, Linienführung und Akzentsetzung sowie nicht zuletzt die Grundstimmung, also die emotionale Wirkung auf den Betrachter, die ebenfalls von den erzeugten Schatten und deren Verläufen und Kontrasten abhängig ist. All diese Aspekte versuche ich Schritt für Schritt, einzeln und nach Möglichkeit losgelöst voneinander zu betrachten. Viele dieser Faktoren stehen zwar mehr oder weniger stark in Wechselwirkung, aber sie lassen sich doch gezielt separat betrachten, beeinflussen und beurteilen.
Mir wird in Workshops immer wieder die Frage gestellt, wie ich dieses oder jenes Motiv beleuchten würde. Und ich bekomme sehr oft die Frage zu hören, was ich gerne fotografiere, womit dann immer gemeint ist, welche Motive ich bevorzuge. In beiden Fällen muss ich die Fragesteller zunächst enttäuschen: Ich fotografiere keine besonderen Motive und meine Lichtsetzung unterscheidet sich nicht im Hinblick darauf. Ich fotografiere, weil ich kommunizieren will. Und manchmal geht das am besten mit einem Stillleben, ein anderes Mal mit einem Porträt. Daher ist es mir auch nicht wichtig, wie ich ein bestimmtes Motiv ausleuchte, weil es eben dieses bestimmte Motiv ist, sondern ich wähle das Licht (und alle anderen Gestaltungsmittel) entsprechend meiner gewünschten Aussage und Grundstimmung des beabsichtigten Bildes. Für die Wirkung eines Stilmittels ist es unerheblich, ob ich es auf ein Auto, einen Menschen oder einen Baum anwende. Die Lichttheorie lässt sich aber aus meiner Sicht am einfachsten anhand von Porträts erlernen und dann verallgemeinern, da Gesichter ähnlich wie eine Kugel rund sind, aber auch flächige Elemente wie Stirn oder Wange aufweisen. Zudem zeigen sie auch Vorsprünge wie die Nase oder Einbuchtungen in den Augenhöhlen. Auch sind Glanzlichter und Strukturen in unterschiedlichen Ausprägungen wiederzufinden. Das macht Gesichter zu idealen Übungsmotiven, an denen Sie alle Aspekte in Ruhe studieren können.
Falls Sie Bedenken haben sollten, Modelle aus dem Freundeskreis für Ihre »Fingerübungen« in Anspruch zu nehmen, oder Ihr Interesse einfach nicht beim Porträt liegt, kaufen Sie sich am besten drei oder vier kleine Gipsbüsten (ich habe meine im Musikfachhandel erworben) und üben Sie an diesen. Unterschiedliche Gesichter weisen unterschiedliche anatomische Besonderheiten auf. Eine Büste allein ist zwar schon geeignet, die grundlegenden Arbeitsweisen und damit verbundenen Effekte zu erproben, aber die Feinheiten werden erst im Vergleich der unterschiedlichen Anatomien deutlich. Haben Sie ein Licht für eine Büste »perfekt« eingestellt, so können Sie diese probehalber durch eine andere austauschen und werden meist feststellen, dass ein anders beschaffenes Gesicht auch leicht unterschiedliche Lichtmodulationen benötigt, um die gewünschten Effekte im Bild zu erreichen. In den späteren Kapiteln werden die beschriebenen Methoden und Arbeitsweisen beim Ausleuchten auf Landschaften oder Gebäude übertragen. Diese sehr unterschiedlichen Motive haben ebenfalls individuelle »Gesichter« mit unterschiedlichen »Anatomien«. Üben Sie also an Ihren Freunden oder an Gipsbüsten, um die Effekte des Lichtes den wechselnden Erfordernissen anzupassen. So sind Sie zum Beispiel in einer reportage-artigen Situation, in der Sie eventuell wenig Zeit haben werden, viel schneller in der Lage, das Licht einzuschätzen und bewusster zu nutzen.
Abbildung 1-3
Falls Sie die Lichttheorie nicht am lebenden Modell erlernen möchten, können Sie auch auf Gipsbüsten zurückgreifen.
Bei einem nicht frontal in die Kamera blickenden Modell wird die eine Seite des Gesichts länger und die andere kürzer im Bild erscheinen, gemessen von der Nasenspitze bis zum linken bzw. rechten Gesichtsrand. Stehen Sie vor einem Modell, so sehen Sie immer die lange Seite des Modells. Die von Ihnen abgewandte Seite ist immer schmal beziehungsweise kurz. Es ist unmöglich, so vor einem Modell zu stehen, dass Sie direkt in dessen »kurze Seite« schauen!
Gehen Sie um ein Modell herum, so wird die Ihnen zugewandte Seite immer lang sein. Die zunächst noch kurz erscheinende, also abgewandte Seite wird in dem Moment lang erscheinen, wenn Sie die »Nasenlinie« des Modells überschritten haben. Diese »Nasenlinie« verläuft von der Nase aus in die Richtung, wohin die Nase zeigt. Überschreitet der Fotograf diese Nasenlinie, wechseln die kurze und die lange Seite im Gesicht des Modells ihre Position. Die Angabe »kurze Seite« oder »lange Seite« ist immer von der Kamera aus gesehen zu verstehen, also so, wie sie sich vom jeweiligen Standpunkt aus im Bild darstellt.
Die einzige Ausnahme von dieser Regel ergibt sich, wenn Sie genau mittig vor einem Modell stehen, also direkt frontal vor dessen Nase genau auf der gedachten Nasenlinie, da dann beide Seiten des Gesichts exakt gleich lang im Bild erscheinen. Nur in diesem Sonderfall gibt es keine lange bzw. kurze Seite.
Abbildung 1-4
Gesichter zeigen dem Betrachter, von der Nase aus gemessen, eine lange und eine kurze Seite.
In Hinblick auf die Plastizität im Bild ist es nicht unerheblich, auf welcher Seite Sie eine Lichtquelle platzieren. Licht, das Sie auf der »kurzen Seite« (linkes Beispiel in Abbildung 1-5) auf ein Modell fallen lassen, erzeugt mehr Plastizität als auf der »langen Seite« (rechtes Beispiel).
Gesichter erscheinen besonders plastisch modelliert, wenn das Licht auf die »kurze Seite« fällt.
Abbildung 1-5
Die Beleuchtung von der kurzen Seite erzeugt eine deutliche Plastizität, während eine Beleuchtung von der langen Seite das Gesicht eher flächig erscheinen lässt.
Von der Kamera aus gesehen, sind bei Beleuchtung von der kurzen Seite die Schattenpartien immer auf der kamerazugewandten, längeren Gesichtshälfte sichtbar. Erst dahinter, in größerem Abstand zur Kamera, folgen die erleuchteten Gesichtspartien auf der abgewandten Seite. Bei Beleuchtung von der langen Seite aus weichen die Schatten nach hinten (von der...
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