Schweitzer Fachinformationen
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Audrey findet Sex über den Wolken super, vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. «Bei Gewitter kannst du es nämlich vergessen, einen Orgasmus zu kriegen, weil das Rumpeln dich ständig aus dem Rhythmus bringt», erklärt sie mit ernster Miene und nippt an ihrem Kaffee.
Seit gut einer Stunde erzählt Audrey von ihren erotischen Abenteuern, und inzwischen kommt mir das Kamasutra ziemlich lückenhaft vor.
«Bei Gewitter muss man aus Sicherheitsgründen ja eigentlich auch immer angeschnallt bleiben», erklärt Henning mit vorwurfsvoller Miene. Er sitzt rechts von mir am Fenster und hat auf den freien Platz zwischen uns einen Ratgeber gegen Flugangst und ein ziemlich abgegriffenes Stofftier gelegt.
«Da hab ich aber andere Sachen erlebt», erwidert Audrey amüsiert. «Ich bin schon mit Airlines geflogen, da gab es an manchen Sitzen überhaupt keine Gurte. Außerdem durfte man rauchen und telefonieren. Und als ich gefragt hab, ob Handys nicht die Bordelektronik stören, hat die Stewardess geantwortet: »
Henning verzieht gequält das Gesicht. Offenbar sind solche Gespräche in zwölftausend Meter Höhe kein gutes Rezept gegen seine Flugangst.
«Ist das ein Glücksbringer?», fragt Audrey und deutet auf das Stoffknäuel auf dem freien Platz.
Henning nickt. «Ein Biber. Hat mir mein Sohn geschenkt.»
«Süß. Wie alt ist er denn?», fragt Audrey interessiert.
Henning blickt ratlos auf seinen Biber.
«Der Sohn, nicht der Biber», werfe ich ein. Ich habe schon gemerkt, dass man Henning gelegentlich auf die Sprünge helfen muss, weil er sonst flugangstbedingt die Reaktionszeit einer Galapagosschildkröte hat.
«Ach so. Zwölf.»
«Ich hab auch einen Glücksbringer», grinst Audrey. «Ein Tattoo.»
Henning schaut sie interessiert an. Für den Moment scheint er seine Sorgen vergessen zu haben.
Sie errät seine Gedanken und schüttelt den Kopf. «Kann ich jetzt leider nicht zeigen. Ist nicht jugendfrei.» Dabei wirft Audrey einen vielsagenden Blick auf ein paar pubertierende Jungs in der Reihe vor uns. Die Clique hatte zu Beginn des Fluges lautstark mit erotischen Urlaubsplänen geprahlt, war aber während der Schilderungen von Audrey zunehmend stiller geworden. Inzwischen herrscht ehrfürchtiges Schweigen unter den Halbstarken. Ich vermute, sie überlegen gerade, ob sie wirklich schon bereit sind für das Abenteuer Sex oder ob Tischfußball und Nachtwanderungen nicht auch schöne Freizeitbeschäftigungen sind.
Kapitän Arne Petersen setzt uns nun davon in Kenntnis, dass wir die Reiseflughöhe soeben verlassen haben und uns im Anflug auf Palma de Mallorca befinden. Das hätte ich auch ohne Durchsage gewusst, denn gerade krallen sich Hennings Fingernägel in die Armlehnen.
«Oh, dann muss ich schnell nochmal wohin», zwitschert Audrey, springt auf und hat die Toilettentür hinter sich geschlossen, bevor Henning einwenden kann, dass die Anschnallzeichen längst leuchten.
Henning ist um die vierzig und hat seine Bio-Imkerei von Deutschland nach Mallorca verlegt. Seine Familie wollte sich ihren Traum von einem Leben unter südlicher Sonne erfüllen, weshalb Henning nun alle zwei Wochen unter Höllenqualen in die alte Heimat fliegt, weil er dort den größten Teil seiner Ernte absetzt. Ökologisch findet Henning das selbst alles äußerst fragwürdig, aber er muss eine bis zum Windrad verschuldete Finca abbezahlen, hat zudem Ärger mit dem Finanzamt, sein Sohn will ein Segelboot, die Tochter ein eigenes Pferd und Hennings Frau hat das Hobby, ihm ständig mit Scheidung zu drohen. Darüber hat er irgendwie Flugangst bekommen. Ich sage dazu nichts, denn ich glaube, wenn die Bank erst seine Bienenstöcke zwangsversteigern lässt, wird Henning schon selbst drauf kommen, was der Auslöser sein könnte.
«Der Copilot ist total süß», schwärmt Audrey und lässt sich wieder in ihren Sitz fallen. Henning schaut besorgt zu ihr herüber, Audrey winkt locker ab. «Keine Sorge. Wir haben nur ein bisschen geflirtet.»
Audrey ist Mitte zwanzig und von Beruf Fotografin. Sie jettet durch die Weltgeschichte und schießt Modefotos für Hochglanzmagazine, am liebsten Bilder von Beachboys in Unterwäsche oder Badehose. Manchmal auch ohne Hose, das kommt laut Audrey ganz aufs Magazin an.
Mit sechzehn ist sie nach New York gezogen, um Fotografie zu studieren, und wurde die Muse ihres Professors, eines mehr als vierzig Jahre älteren Starfotografen, der sie am Tag ihrer Volljährigkeit heiraten wollte. Der Plan zerschlug sich, weil Audrey zuvor die halbe Upper East Side flachlegte. Ihr Ehemann in spe verfiel dem Alkohol und versuchte, seinem Leben durch einen Sprung von der Brooklyn Bridge ein Ende zu setzen. Ein Zipfel seines Bademantels blieb jedoch an einem hervorstehenden Bolzen hängen, und so baumelte der Professor eine Stunde lang nackt über dem East River, bis ein von den Hilferufen genervter anderer Selbstmörder die Polizei informierte. Gerichtlich verordnete man Audreys Ex daraufhin eine Suchttherapie. Jetzt ist er trocken, hockt in einem ärmlichen Zimmerchen in der Bronx und fotografiert Hundewelpen für einen Züchter aus New Jersey.
Audrey findet, dass ihr Ex Glück gehabt hat, weil der Selbstmordversuch ja auch schlimmer hätte ausgehen können. Ob der Professor das auch so sieht, wage ich zu bezweifeln, denn ich vermute, dass ein Mann, der früher die Rolling Stones oder den Sultan von Brunei fotografiert hat und nun den ganzen Tag Chihuahuas knipsen muss, sich nichts sehnlicher wünscht, als vom nächsten Bus überfahren zu werden.
Audrey heißt eigentlich Andrea-Regina. Auf Anregung eines Londoner Violinisten änderte sie jedoch ihren Namen. Nach einer kurzen, aber heftigen Affäre verließ sie den liebeskranken Musiker kurz vor seinem ersten Auftritt im Teatro Colon. Prompt schwänzte der Mann die Vorstellung und fiedelte stattdessen stundenlang Tangomelodien vor Audreys Hotel. Am Ende waren drei Polizisten nötig, um den Unglücklichen von seiner schluchzenden Violine zu trennen.
Audrey findet, dass sie ihm einen Gefallen getan hat, denn ihrer Meinung nach war er offensichtlich psychisch zu labil für eine internationale Karriere. Dass der Mann sich bereits mitten in einer solchen befand, als Audrey ihn abservierte, scheint sie nicht einmal bemerkt zu haben. Überhaupt wird aus ihren Erzählungen deutlich, dass sie Männerherzen schneller schreddern kann als die Stasi ihre Geheimakten.
Ein Schnaufen zu meiner Rechten erinnert mich daran, dass Henning Landeanflüge schrecklich findet.
«Alles okay?», frage ich leicht besorgt.
Henning nickt tapfer, die Augen geschlossen, schnauft aber weiter.
«In ein paar Minuten sind wir da», versuche ich ihn zu beruhigen.
Wieder nickt Henning, behält die Augen weiterhin geschlossen, presst nun die Lippen zusammen und atmet durch die Nase.
Audrey schenkt mir ein zartes Lächeln, wahrscheinlich findet sie es süß, dass ich versuche, Henning vor einem Kreislaufkollaps zu bewahren.
Ich lächle zurück, möglichst verhalten, denn sie soll nicht denken, dass ich mit ihr flirten möchte. Das hält sie allerdings nicht davon ab, mit mir zu flirten. Dabei bin ich bestimmt nicht ihr Typ. Ich hab so gar nichts von einem Model. In Unterwäsche sehe ich aus, als hätte man mich nach einer Pechsträhne aus dem Kasino geworfen.
Ich wende den Blick von ihr ab, lasse den Kopf auf die Rückenlehne sinken und schließe die Augen. Ich möchte allein schon deshalb professionelle Distanz zu ihr halten, weil sie nach Lage der Dinge bald mein Boss sein wird. Sie gehört nämlich jener Familie an, deren Unternehmen ich in Zukunft leiten soll. Wir haben das zufällig kurz nach dem Abflug herausgefunden. Ich betrachtete gerade ein Foto von Iris, als Audrey sich bei dem Versuch, ihre Löwenmähne zu bändigen, in ihrem Sitz streckte und dabei einen Blick auf das Bild warf.
«Sie kennen meine Schwester?», fragte sie verdutzt.
Ich sah sie an, ähnlich orientierungslos wie einst Varus im Teutoburger Wald. Eine Schrecksekunde lang fragte ich mich, ob Audrey wohl von der Sache mit mir und Iris wüsste, hielt diesen Gedanken aber dann doch für zu abwegig. Im nächsten Moment wurde mir klar, dass sich auch ein Bild von Audrey in meinem Dossier befinden müsste. Ich blätterte, wurde fündig und zog das Foto hervor. Audreys Gesichtsausdruck verdüsterte sich.
«Wo haben Sie die Fotos her?» Es klang gereizt. «Sind Sie etwa einer von diesen Typen, die sich Bilder aus dem Netz ziehen?»
«Sehe ich aus...
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