Im Mittelpunkt der hier vorgelegten Beiträge und Suchbewegungen des Neuendettelsauer Lehrstuhlinhabers für Praktische Theologie zu einer Phänomenologie des liturgisch-räumlichen Erlebens steht die Frage nach einer neu zu bestimmenden lutherischen liturgischen Identität. Der bekannte Praktische Theologe Klaus Raschzok stellt deren Auswirkungen auf die Praxis des sonntäglichen Gottesdienstes, auf das Verständnis von Taufe, Trauung und Bestattung sowie auf den Umgang mit dem Kirchenraum vor. Ergänzt werden die grundlegenden Beiträge zur Frage einer konfessionskulturellen gottesdienstlichen Wahrnehmungsperspektive durch Studien zur Paramentik und insbesondere zur liturgischen Gewandung, zur Gestaltung der Vasa Sacra, zu Fragen der Perikopenordnung sowie zur salutogenetischen Funktion von Gottesdienst- und Predigtarbeit im evangelischen Pfarrberuf.
Die einzelnen Aufsätze spannen jeweils einen Bogen von der historischen Ausgangsperspektive hin zur gegenwärtigen Praxis und deren kritischer Reflexion. Sie setzen den 2014 in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig unter dem Titel »Traditionskontinuität und Erneuerung. Praktisch-theologische Einsichten zu Kirchenraum und Gottesdienst« erschienenen ersten Band des Autors mit Studien zur Phänomenologie des liturgisch-räumlichen Erlebens fort.
[Lutheran Liturgical Identity. Contributions to a Phenomenology of the Liturgical Spatial Experience]
The contributions and the research of the Neuendettelsau Chair of Practical Theology on a phenomenology of liturgical-spatial experience presented here focus on the question of a newly defined Lutheran liturgical identity. The well-known Practical Theologian Klaus Raschzok examines its effects on the practice of Sunday worship, on the understanding of baptism, marriage and burial, and on the approach to church space. These fundamental contributions to the question of a denominational-cultural perspective on worship services are supplemented by studies on paramentics and in particular on the liturgical vestments, the design of the Vasa Sacra, questions of pericope order and the salutogenetic function of worship and preaching in the Protestant pastoral ministry.
Klaus Raschzok, Dr. theol., Jahrgang 1954, ist Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Theologie und Direktor des Instituts für evangelische Aszetik an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau.
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ISBN-13
978-3-374-06642-1 (9783374066421)
Schweitzer Klassifikation
INHALT
I. Lutherische liturgische Identität. Zur Frage einer konfessionskulturellen gottesdienstlichen
Wahrnehmungsperspektive 15
1. Der Gottesdienst in den Bekenntnisschriften der lutherischen
Kirche und die Folgen für die gottesdienstliche Praxis 17
2. Die Liturgie der lutherischen Kirche nach Wilhelm Löhe (1848) - ein Zwischenschritt 20
3. Die lutherische Messe als »Leitagende« des 20. Jahrhunderts (Alfred Niebergall) 22
4. Der lutherische Gottesdienst und das Modell der Liturgiefamilien (Gregor Etzelmüller) 37
5. Der lutherische Gottesdienst im Licht phänomenologisch- performativitätstheoretischer Zugänge:
Traditionskontinuität als Kennzeichen 39
6. Grundaussagen und Intention des VELKD-Thesenpapiers zur lutherischen liturgischen Identität (2014) 52
7. Konsequenzen für die liturgiewissenschaftliche Theorie und Praxis 57
II. Die Tiefenstruktur des lutherischen Gottesdienstes und die gegenwärtige lutherische Identität.
Dargestellt am Beispiel der Evangelischen Messe nach Band I des VELKD-Agendenwerkes von 1955 59
1. Die »umfassendste liturgische Restauration ... in der Geschichte des evangelischen Gottesdienstes
in Deutschland« (Peter Cornehl 1985): Eine folgenreiche geistige Brandstiftung für
die fachwissenschaftliche Wahrnehmung des VELKD-Agendenwerkes 59
2. Entstehung, Voraussetzung, Anliegen und Einordnung von Band
I des VELKD-Agendenwerkes von 1955 62
3. Der Gottesdienst als Übungsweg des Glaubens 73
4. Wirkungsgeschichte und Grenzen des lutherischen Agendenmodells einer »Evangelischen Messe« 85
5. Der Beitrag von Band I des VELKD-Agendenwerks zu einer lutherischen liturgischen Identität
und die Differenz zum Evangelischen Gottesdienstbuch von 1999 87
6. Der bayerische »Sonderweg« gegenüber dem Evangelischen Gottesdienstbuch von 1999 89
7. Abschliessende Würdigung der Leistung wie der Grenzen der »Evangelischen Messe«
nach Band I des VELKD-Agendenwerks 90
III. Traditionskontinuierlicher Gottesdienst.
Eine terminologische Neuschöpfung und ihre Begründung 95
IV. Gottesdienstliche Praxis und Spiritualität Martin Luthers 103
1. Einleitung: Zum Spannungsverhältnis von »katholisch« und »reformatorisch« in der gottesdienstlichen Praxis
und Spiritualität Martin Luthers am Beispiel seiner Idealmesse von 1533 103
2. Martin Luthers prägende gottesdienstliche Praxis und Spiritualität bis 1523: Eine Bestandsaufnahme 107
3. Zwischen Aufbruch und Kontinuität: Martin Luthers Gottesdienstverständnis und seine bestimmenden Elemente 109
4. Die Reformen des sonntäglichen wie des täglichen Gottesdienstes
nach Martin Luther und ihr Wittenberger zeitgenössischer Kontext 115
5. Die Wirkungsgeschichte von Martin Luthers gottesdienstlichen Reformschriften in Wittenberg
ab dem Jahr 1526 wie für die lutherische reformatorische Bewegung und ihre Gottesdienstpraxis insgesamt 119
6. Abschluss: Der lutherische Gottesdienst als Teil der westlich- lateinischen Liturgiefamilie.
Liturgiewissenschaftliche Konsequenzen 122
V. Zur Hermeneutik ausgewählter historischer Perikopensysteme des Protestantismus
im 19. und frühen 20. Jahrhundert 125
1. Perikopensysteme im Spiegel zeitgenössischer Lehrbücher der Homiletik, Liturgik und Pastoraltheologie 126
2. Ein erster Überblick über die Vielfalt der protestantischen Perikopensysteme des 19. Jahrhunderts
bis zu den Eisenacher Perikopen von 1896 130
3. Vertiefung I: Die Hermeneutik der Perikopensysteme des
Weimarer Kirchenwesens, von Carl Immanuel Nitzsch und von Gottfried Thomasius 134
4. Ein zweiter Überblick von den Eisenacher Perikopen 1896 bis zum Entwurf
der Ordnung der Predigttexte von 1951 der Lutherischen Liturgischen Konferenz Deutschlands 142
5. Vertiefung II: Die Hermeneutik der Perikopensysteme von Emanuel Linderholm,
Hans Asmussen und Theodor Knolle/Wilhelm Stählin 150
6. Einsichten und Ergebnisse 163
VI. Vom schwierigen Bibeltext zum Text-Klang- Raum. Zur am 1. Advent 2018 eingeführten neuen
Ordnung der gottesdienstlichen Texte und Lieder der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland 165
VII. Salutogenese und Gottesdiensttheorie 175
1. Zur salutogenetischen Grundierung der Gottesdiensttheorie 175
2. Salutogenese des Gottesdienstes 180
VIII. Taufe, Trauung und Bestattung. Kasualien
als Wahrnehmungsräume für die Gottesbegegnung 191
1. Wirkung durch sachgerechten Vollzug 192
2. Taufe als symbolische Handlungsinsel in einem Meer von Wörtern 193
3. Bestattung als geschützter Raum der Gottesbegegnung angesichts des Todes 206
4. Trauung als Schnittstellenritual zwischen Zivilgesellschaft und Kirche 217
5. Konsequenzen für die praktisch-theologische Bildung zukünftiger Pfarrerinnen und Pfarrer 221
6. Kasualien als spezifische Räume des Erlebens der Gottesbegegnung 223
IX. Aktuelle Taufpraxis in der Evangelisch- Lutherischen Kirche 225
1. Zum Taufverständnis in evangelisch-lutherischer Perspektive 225
2. Zum kirchlichen Handeln bei der Taufe nach dem Entwurf einer neuen lutherischen Taufagende 229
3. Exemplarische Gestaltung von Tauforten im lutherischen Kirchenraum 235
X. Die Liturgie als Ort 241
XI. Das Konzept heiliger Räume aus evangelisch-lutherischer Sicht - veranschaulicht
in der Nürnberger St. Sebalduskirche 249
1. Einleitung: Die Raumatmosphäre der St. Sebalduskirche 249
2. Der Ort: Ein Beleg für die bewahrende Kraft des Luthertums im
Umgang mit der Materialität des Glaubensvollzugs (Johann Michael Fritz) 250
3. Die Grundentscheidungen des 16. Jahrhunderts: Der
Kirchenraum bei Johannes Calvin und Martin Luther 255
4. Die Folgen: Öffnen oder Verschliessen des Kirchenraumes ausserhalb des gefeierten Gottesdienstes
als konfessionelle Marker eines Kirchenraumverständnisses 260
5. Der Spatial Turn: Kulturwissenschaftliche Reformulierung praktisch-theologischer
Kirchenraumtheorien im ausgehenden 20. und frühen 21. Jahrhundert 264
6. Das Modell: Die relationale Heiligkeit des Kirchenraumes und
die Spuren seiner Nutzung aus evangelisch-lutherischer Perspektive 268
7. Ausklang: Christian Geyers »Predigtspur« vom Israelsonntag
1926 in der St. Sebalduskirche Nürnberg als persönliche
Reverenz an Helmut Utzschneider 275
XII. Ausgewählte Kirchenraumdiskurse
2005 - 2017 279
XIII. Gemeindezentrum im Wandel 289
1. Ausgangsbeobachtung 289
2. Veränderungsprozesse und deren Abbildung im Gemeindezentrum 289
3. Konsequenzen, Weichenstellungen und Herausforderungen 293
XIV. Sehen und Berühren. Die Vasa Sacra der Nürnberger St. Lorenzkirche 297
1. Materialität und Intimität 297
2. Bewahrende Kraft des Luthertums 297
3. Kontaktstellen der Gottesbegegnung 299
4. Konfessionelle Weichenstellungen 299
5. Gestalt gewordene Frömmigkeit 301
6. Bewahren und Erneuern 301
7. Gedenken und Erinnern 302
8. Schauen und Berühren 304
XV. In-vestition - Liturgische Gewänder im evangelischen Gottesdienst 307
1. Vom Messgewand zum Talar: Ein kurzer geschichtlicher Überblick 308
2. Zur Funktion liturgischer Kleidung 312
XVI. Textiler »Klassiker«. 200 Jahre Talar mit Beffchen als Identitätssymbol des Protestantismus 315
1. Der preussische Talar und seine Einführung 1811 316
2. Gottesdienstliche Kleidung in den Kirchen der Reformation 321
3. Geschichte des Talars in Bayern 322
4. Textile Alternativen zum schwarzen Talar mit Beffchen 326
5. Experimente mit neuen liturgischen Gewändern 327
6. Aussergottesdienstliche Amtstracht 328
7. Zur Wirkung liturgischer Kleidung 330
8. Der Talar als zeitlos moderner textiler Klassiker 331
XVII. Grenzüberschreitende kirchliche Textilkunst. 90 Jahre Marienberger Vereinigung
für evangelische Paramentik 1924-2014 333
1. Grenzüberschreitung der historistischen Stilformen der
klassischen evangelischen Paramentik des 19. Jahrhunderts 333
2. Grenzüberschreitung im geteilten Deutschland 336
3. Grenzüberschreitung im Gottesdienst - zwischen Himmel und Erde 338
4. Grenzüberschreitung vom Handwerk zur Kunst 339
5. Grenzüberschreitung zwischen Leben und Tod 339
6. Grenzüberschreitung zwischen den Konfessionen 340
7. Ausblick 340
XVIII.Im »Dunkel der Unwissenheit«. Die Anfänge des lutherischen Paramentenwesens
bei Wilhelm Löhe und dem Niedersächsischen Paramentenverein 343
1. Pfarrer Wilhelm Löhe (1808-1872) am 31. Oktober 1865 an Domina Charlotte von Veltheim (1832-1911):
Im »Dunkel der Unwissenheit« - ein Brief als Beispiel des regen Austausches zwischen Neuendettelsau
und St. Marienberg in Sachen Paramentenwesen 343
2. Die Zentralthese von Wilhelm Löhes ästhetischem Bildungsprogramm für ein Diakonissenhaus:
»Alles Paramentenwesen hat seinen Mittelpunkt im Sakrament« 349
3. Der Neuzugang Wilhelm Löhes zu den kirchlichen Textilien über
die »Kenntnis des Altertums« 352
4. Die römisch-katholische Paramentenbewegung in der Mitte des
19. Jahrhunderts: »Wie eine Mutter« für die lutherische Kirche 352
5. Die Transformationsleistung von Wilhelm Löhes Paramentik:
»Mit reformatorischen Händen angefasst« 355
6. Die notwendige Professionalität der »Erzeugnisse der weiblichen Kunst,
die dem heiligen Raum und Geräthe dienen sollen« 357
7. Der in Wilhelm Löhes Grundlagenschrift »Vom Schmuck der
heiligen Orte« (1857/58) beschriebene Weg der Darstellung des Stoffes der Paramentik:
»Dass alle Anweisungen an der Hand der reinen Lehre von dem alten zum neuen wiese und führte« 359
8. Die Entwicklung der lutherischen Paramentenbewegung nach 1865: »Einheit, Halt und Salbung« 360
XIX. Nachweise der Erstveröffentlichungen 363