Schweitzer Fachinformationen
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Unser Hotel. In Quer- und in Hochformat. Unsere Dusche. Unser Bett. Unser Strand. Sonnenschirme. Eine Kokosnuss. Mein Hintern. Georg, was hast du alles fotografiert?
Ich habe sogar ein Video von dir gemacht, rufst du aus der Küche.
Lukas und Marlene lachen. Ich erzähle also weiter, während auf dem Bildschirm Fotos von unserem Essen zu sehen sind: Spaghetti mit Vongole, eine Pizza Diavola. Ich wechsle schnell von einem zum nächsten Bild. Wir auf dem Tandem. Du mit einem Eisbecher. Du eingegraben im Sand. Ich auf der Luftmatratze. Die Aussicht vom Balkon auf den Strand. Dein rotes Gesicht. Du mit dem Bademeister und einem Rettungsring im Arm.
Georg hatte wieder einmal Sonnenbrand, sage ich. Wie ein trotziges Kind ist er im Zimmer gelegen.
Erzähl keinen Blödsinn, rufst du aus der Küche.
Beim Radverleih hat er sich mit einem Einheimischen angelegt und gesagt, Berlusconi wäre die bessere Wahl gewesen. Der hat uns ganz böse angeschaut, als wir gefahren sind. Und in der Pizzeria hat er sich aufgespielt, als wäre er einer von dort. Ich übertreibe an manchen Stellen, spitze die Geschichten noch ein wenig zu.
Was bist du nur für ein Tourist, ruft Marlene.
Während wir über dich lachen, höre ich es aus der Küche klappern. Du ärgerst dich wahrscheinlich über mich. Später wirst du wieder sagen, dass ich mich immer über dich lustig mache und die anderen auf deine Kosten amüsiere.
Schatz, rufst du aus der Küche, hilf mir mal. Dein Gesicht hat sich verfinstert, deine Stirn sich in Falten gelegt. Hör endlich auf, mich schlechtzumachen.
Was kann ich dafür, wenn du die Wahrheit nicht verträgst.
Die Wahrheit? Ich möchte dich mal sehen, wie du reagierst, wenn ich mit deinen Freunden in der Küche sitze und mich über dich lustig mache, während du für uns kochst. Aber du verstehst es einfach nicht. Nimm die zwei Teller, den Rest nehme ich.
Ich trage die Teller nach draußen. Du hinter mir. Ich setze ein Lächeln auf.
Lasst es euch schmecken, sage ich.
Du könntest auch mal für mich kochen, sagt Marlene.
Du kochst ja auch nie für mich, sagt Lukas.
Marlene verdreht die Augen, beugt sich über den Fisch und atmet tief ein. Das riecht fantastisch. Wirst du immer so verwöhnt? Du hast ja Glück.
Das hab ich.
Ihr solltet ein Restaurant aufmachen, sagt Marlene.
Und was mache ich?
Du bist die Chefin, sagt Lukas. Du musst überhaupt nichts machen. Kommandieren und organisieren, das kannst du doch.
Ich nehme den Salzstreuer und die Pfeffermühle, würze den Fisch nach, weil ich weiß, dass du das nicht ausstehen kannst.
Du legst dein Besteck auf die Seite und schaust mich an, aber ich ignoriere dich. Du ruinierst ihn, sagst du. Ich nehme mein Weinglas in die Hand, sage, auf uns, und lächle dich an.
Wir übertrumpfen uns mit Geschichten, die jetzt lustig sind, aber im Urlaub selbst nicht zum Lachen waren. Ich erzähle jedes Detail, wiederhole mich und ziehe das Gespräch in die Länge, denn sobald wir das Thema wechseln, sprechen wir nur mehr über Bausparverträge. Wohnbauförderung. Häuser. Eigentumswohnungen. Kredite und Leasing.
Während wir reden und lachen, legt Lukas seinen Arm um Marlene, sie schmiegt ihren Kopf an seinen Oberkörper. Auch du legst deinen Arm um mich, dein Zorn ist wieder verflogen, und ich lehne den Kopf an deine Brust. Wir sitzen uns schräg gegenüber. Fast sind die beiden ein Spiegelbild unserer selbst. Aber sie wirken irgendwie unbeschwerter, liebevoller miteinander. Und wir zwei wie die Fassade eines glücklichen Paares.
Seid ihr immer im selben Hotel, fragt Marlene.
Ja, sage ich, warum nicht. Ihre Stimme hat diesen Unterton, der eigentlich meint: Wie kann man nur. Ständig vergleichen sie und sagen, dass das Meer in der Toscana viel schöner ist, die Landschaft, die Pinienwälder. Dass die Strände von Jesolo mit denen von Bali nicht vergleichbar sind. Wenn wir erzählen, dass viele Touristen dort waren, sagen sie, dass in Griechenland nicht so viele Touristen sind. Dass sie sich immer Orte aussuchen, die abseits liegen. Wenn wir erzählen, dass das Essen teuer war, sagen sie gleich, dass in Kroatien das Essen so gut wie in Italien, nur viel günstiger ist. Immer haben sie uns gleich den passenden Urlaub entgegenzusetzen.
Fliegt doch einmal weg, sagt Marlene.
Ihr wart doch schon so oft an demselben Ort, sagt Lukas.
An mir liegt es nicht, sage ich. Georg will immer nach Jesolo fahren.
Weil ich sparen will, sagst du, für die Renovierung. Warum müssen wir so weit fahren, wenn wir in drei Stunden am Meer sind. Fahr ruhig, du kannst ja ohne mich fahren.
Immer diese Wohnung.
Ja genau. Immer diese Wohnung. So ist das, wenn man eine Familie aufbauen will.
Wollt ihr noch ein Glas Wein, sage ich.
Wir bekommen die Wohnbauförderung, sagt Marlene, jetzt können wir anfangen.
Das ist großartig, sagst du, habt ihr einen Architekten?
Es ist alles schon so teuer, das können wir uns nicht leisten.
Ich könnte euch einen guten Preis machen. Die Pläne kann ich zeichnen, dafür braucht ihr keinen Architekten.
Marlene sieht sich den ganzen Tag Wohnungen an, sagt Lukas.
Schauen kann man ja, sagt Marlene, man könnte so tolle Sachen machen, wenn man Geld hätte. Allein die Fenster kosten ein Vermögen.
Keine Sorge, sagt Lukas, es wird auch so schön werden. Und warum wollt ihr nicht zusammenziehen?
Das darfst du nicht mich fragen, sagst du.
Können wir bitte über etwas anderes reden, sage ich.
Nein, wieso sollten wir? Marlene weiß doch sowieso alles. Sag du ihnen, warum wir nicht zusammenwohnen.
Es ist doch gut so, wie es ist.
Was ändert es denn, sagst du und stehst vom Tisch auf, dein Gesicht ist rot angelaufen, du hältst dich an der Stuhllehne fest, in deinen Augen schon wieder diese Wut. Was sagt ihr dazu? Wie war denn das bei euch. Hat Marlene auch so lange gezögert, bis sie zu dir gezogen ist.
Lukas räuspert sich. Wir mischen uns nicht ein, ich wollte nichts Falsches sagen.
Hör auf, Georg, lass uns später darüber reden.
Später, später, irgendwann, ich kann es schon nicht mehr hören.
Als sie gegangen sind, räume ich die Gläser weg, während du die Pfannen und Töpfe abspülst. Eine Stille streift durch die Räume der Wohnung und wird so laut, dass ich sie durchbrechen möchte. Ich weiß nicht, was ich sagen, was ich tun könnte, damit es aufhört. Dein Rücken baut sich wie eine Mauer vor mir auf. Kein Wort passt zwischen uns. Ich höre das Rauschen des Wassers und das Klappern der Töpfe.
Mit Marlene und Lukas sind die Stimmen und die Wärme aus der Wohnung gewichen, und zurück geblieben sind nur wir. Ich starre in deinen Rücken, beobachte jede deiner Bewegungen. Ich warte darauf, dass du etwas sagst, was uns wieder herausholt aus diesem Schweigen, das sich immer wieder und so plötzlich über uns legt, doch du bemerkst mich gar nicht. Erst als ich an eine Schublade stoße, drehst du dich zu mir.
Ist was, sagst du.
Seit ich denken kann, gibt es immer nur uns. Immer nur mich zusammen mit dir. Wenn du nicht da bist, fragen mich die anderen zuerst, wo du bist, und erst dann, wie es mir geht. Georg und Andi. Bei jedem wichtigen Schritt in meinem Leben warst auch du mit dabei. Meine erste Wohnung. Der Schulabschluss. Die erste Reise. Der erste Job. Wir haben uns küssen und lieben gelernt. Wir waren Kinder, als wir uns verliebten, und sind Erwachsene geworden. Wir kennen uns so gut wie niemand sonst. Jede Regung in deinem Gesicht, jeder Wechsel deiner Stimmlage, jede Stelle deines Körpers ist mir vertraut. Doch zwischen uns hat sich etwas verschoben. Etwas ist abhandengekommen. Und die Momente, in denen wir uns schweigsam gegenüberstehen, als wären wir Fremde, werden mehr.
Als ich mich zu dir ins Bett lege, bewegst du dich nicht, sagst kein Wort. Du bist wach, das weiß ich, tust, als ob du schlafen würdest, damit wir nicht reden müssen. Ich höre deinen Atem, der den gesamten Raum einnimmt und das einzige Zeichen dafür ist, dass du hier bist. Ich lege mich nicht an deinen Rücken, sondern an den äußersten Rand meines Bettes, das schon vor Monaten viel zu klein geworden ist. Seit Jesolo kommt es mir vor, als wäre es noch kleiner geworden. Ich spüre deine Wärme nicht, nur die kalte Wand, die sich an meine Schulter presst. Ich bewege mich nicht und atme leise. Ich liege starr, als wäre ein wildes Tier neben mir, und weine, unterdrücke das Schluchzen, damit du mich nicht hörst. Ich sehe dich an. Von draußen dringt das Mondlicht ins Schlafzimmer und hinterlässt einen Lichtfilm auf deinem Gesicht.
Ich sitze an meinem Schreibtisch, wo bereits Berge von Arbeit auf mich warten, lasse Texte und Bilder hin und her wandern. Ich verschiebe das Hotel von oben wieder nach unten, wechsle die Schriftarten, ändere die Farben. Blau. Orange. Grün. Türkis. Nichts passt zusammen. Ich wechsle die Seite. Links: ein glückliches Paar. Sie huckepack auf seinen Schultern, er stützt sie an den Oberschenkeln und lacht. Rechts: Das Leben ist zu kurz, um lange Wege zu gehen. Die Schönheiten der Natur auf Augenhöhe und das Glück zum Greifen nahe. Ich vergrößere »kurz« und »lange« und wechsle auf die nächste Seite. Eine Frau hängt einen Herzluftballon um den großen Zeh ihres Mannes, der im Bett liegt und schläft. Sie trägt ein rosarotes Seidenkleid und einen Ehering an ihrem Finger. Wenn das Herz übergeht, bleibt kein Auge trocken. Ich suche in der Bilddatenbank nach einem passenden Herz, um den Text zu illustrieren. Lachende Herzen, strahlende Paare und Mütter, lachende Kinder. Herzen aus Rosen. Rosen aus Herzen. Eine Hand in Herzform auf einem schwangeren Bauch. Der ganze...
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