Schweitzer Fachinformationen
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"Ich will ans Fenster!", rief ich übertrieben kindisch, als ich mit Sam in den Bus stieg.
Er rollte mit den Augen. Selbst meine Mutter konnte es nicht ansatzweise so gut wie er. "Dann setz dich einfach ans Fenster und gib Ruhe. Der ganze BWL-Kram macht mich kirre im Kopf, so viel kann sich doch kein Mensch merken. Und ..."
"Sam, mach endlich Feierabend! Man könnte meinen, du lebst nur noch für deine Ausbildung zum Buchhalter." Ich nahm seine Hände und hob sie hoch in die Luft. "Einatmen", befahl ich ihm forsch.
"Willst du mich verarschen?"
"Einatmen!", wiederholte ich schroff. Genervt atmete er ein. "Braver Junge. Und jetzt ausatmen." Ich lächelte und ließ seine Arme wieder sinken.
"Oh, Sarah, ich wusste gar nicht, dass du Privatsitzungen zu Entspannungsritualen gibst." Alice saß hinter uns und lehnte sich zu uns nach vorne. "Bekomme ich eventuell auch ein paar Tipps zur Entspannung? Ich hab's momentan etwas im Nacken, weißt du. Die Bürostühle im Computerraum sind echt der Horror."
"Wo du es gerade sagst, Alice", grätschte Sam dazwischen.
"Du Arsch, halt die Klappe, ich will ihre angenehme Stimme hören, die mir eine Gänsehaut nach der anderen verpasst ..."
Sam wandte sich wieder mir zu. "Hast du schon deine Unterlagen für den Ergonomie-Vortrag vorbereitet?"
"Willst du eine ehrliche Antwort oder darf ich lügen?"
"Sarah."
"Nein, ich habe sie nicht vorbereitet."
"SARAH! Der Vortrag ist in zwei Tagen. Ich habe dir alle Themen, die du besprichst, geschickt. Mach das endlich fertig!"
Ich seufzte und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Draußen schien die Sonne. Nur ein paar kleine Wolken waren am Himmel zu sehen. Meinen Strandspaziergang, den ich für heute Abend geplant hatte, konnte ich wohl vergessen.
Ich hörte, wie Alice leise lachte. Meine Lippen formten ein kleines Lächeln. Sie war schon anders als die anderen.
Als wir am Café ankamen, brauchte ich auf den Schreck erst mal einen großen Karamell-Macchiato, den ich mir sofort bestellte. Sam trank wie immer einen Milchkaffee. Ich hatte nie verstanden, wie man so was trinken konnte.
Dieses Café war etwas Besonderes. Die Stühle wurden durch alte, ausgestopfte Kaffeebohnensäcken ersetzt und die Tische waren alte Fässer, die neu lackiert worden waren. Es roch wundervoll nach frisch gemahlenem Kaffee und wir ließen uns auf die bequemen Sitzmöglichkeiten fallen. Zunächst besprachen wir noch einmal die Themen des Vortrags und ich versuchte, mir alles zu merken, damit ich zumindest eine halbwegs gute Note bekommen würde.
"Mach dir Karteikarten mit den wichtigsten Stichpunkten. Das wird dir sicherlich helfen. Du bist ja immer so aufgeregt, wenn es um Vorträge geht", schlug Sam vor, während er in seinem Milchkaffee herumrührte.
"Ich stehe halt nicht gerne im Mittelpunkt, auch wenn viele das Gegenteil behaupten. Ich erstelle heute Abend die Stichpunkte und schreibe sie mir morgen auf die Karteikarten." "Bitte versau es nicht, ja?"
"Ich gebe mir die größte Mühe." Ich quälte mich zu einem Lächeln und bezahlte. "Wir sehen uns morgen." Anschließend verließ ich das Café und kramte meine Kopfhörer aus meinem übervollen Rucksack. Ich mochte es nicht, ohne Musik irgendwohin zu gehen.
Ich wohnte nur 15 Minuten Fußmarsch vom Coffee Unlimited weg, doch heute ging ich besonders langsam. Mir ließ Alice' subtile Bemerkung einfach keine Ruhe. Es war schon so für mich schwer, in ihrer Nähe die Fassung zu bewahren. Ich mochte ihre langen, leicht lockigen, blonden Haare und ihre grünen Augen. Sie war ungefähr so groß wie ich, vielleicht ein wenig größer. Was aber noch viel schöner an ihr war, war ihr Charakter. Sie hatte eine liebevolle und warmherzige Art, gepaart mit Humor und Sarkasmus. Sie war smart. Sie war tollpatschig. Einfach eine liebenswerte Person.
Eigentlich hatte ich sie zum ersten Mal gesehen, als wir mit den Bürokaufleuten nach Schwerin gefahren waren, um uns den Landtag im Schloss anzusehen. Sie wirkte ein wenig verloren und unsicher zwischen ihren neuen Mitschülern. Sam war leider - oder Gott sei Dank - krank, sodass ich nicht mal mit ihm irgendwelchen Unsinn hätte machen können. Als dann endlich der Bus kam und ich mir einen Platz im Mittelfeld gesucht hatte - hinten saßen bereits die "Coolen", die sich lauthals über irgendwelche Bands unterhielten -, stand sie plötzlich vor mir. Schüchtern sah sie mich an und fragte mich, ob es in Ordnung wäre, wenn sie sich zu mir setzen würde.
"Klar", antwortete ich und räumte meinen Rucksack vom Nebensitz.
Lächelnd bedankte sie sich bei mir und kramte aus ihrer Tasche einen iPod und Kopfhörer hervor. Scheinbar suchte sie kein Gespräch, ich hatte auch nicht wirklich Lust, mich zu unterhalten. Ich hasste solche Fachexkursionen sowieso. Sie waren langweilig, eintönig und ich interessierte mich nicht dafür, was im Landtag passierte. Das Einzige, was für mich zumindest ein wenig interessant werden könnte, war der Schlossgarten. Vielleicht würde ich mich in irgendeiner ruhigen Ecke etwas entspannen können.
Obwohl die Fahrt nur eine knappe Stunde dauerte, lag irgendwann Alice' Kopf auf meiner Schulter, sodass ich sie in Ruhe mustern konnte. Ihre weichen Gesichtszüge waren wirklich schön, ihre Lippen erstrahlten in einem zarten Rot, das ich gerne geküsst hatte.
Sofort kräuselte sich meine Stirn. "Sarah, was ist mit dir los? Wie kannst du nur so was denken? Lass das, dir wurde doch schon mal das Herz gebrochen, es würde dir nicht guttun."
Vorsichtig weckte ich sie, indem ich ihr sanft über die Wange streichelte. Mein Gott, wie konnte man nur so weiche Haut haben?
Seufzend rieb sie sich die Augen und starrte mich ungläubig an. "Habe ich die ganze Zeit auf deiner Schulter geschlafen? Das war echt keine Absicht, es tut mir furchtbar leid", entschuldigte sie sich hastig und räumte ihren iPod zurück in ihre Tasche.
Ich grinste sie frech an. "Nun mach mal keine Welle, ist doch alles in Ordnung", winkte ich ab.
Sie lächelte mich an, bevor sie ausstieg. Auch ich verließ den Bus, der genau vor dem Schloss gehalten hatte. Schlanke tausend Jahre hatte das Gemäuer, in dem unser Landtag saß und irgendwelche Beschlüsse durchdrückte, bereits auf dem Buckel. Zahlreiche kleine Türmchen mit dunkelblauer Spitze ragten in den wolkigen Himmel empor. Über dem Reiter - Niklot I. -, der seinen Speer in die Luft reckte, befand sich die große Goldkuppel, die mich schon als kleines Mädchen beeindruckt hatte. Kaum zu glauben, dass dieses Gebäude einst eine Slawenburg gewesen war.
Wir trotteten in den Eingangsbereich, wo uns eine in Schwarz gekleidete Dame in Empfang nahm. Vor mir ging Alice, die von einigen Jungs umringt war und immer wieder mit plumpen Anmachsprüchen belästigt wurde.
"Hey, Püppchen, ich kann dir auch das Schloss zeigen und noch andere schöne Dinge, wenn du verstehst, was ich meine", raunte ihr der mit dem grauen Basecap grinsend zu.
"Kevin, halt einfach die Klappe, es kommt sowieso nur Müll raus", fuhr ich ihn augenrollend an. Wie ich es hasste, wenn jemand so niveaulos mit einer Frau sprach. Waren wir denn schon wieder in der Brunftzeit? Für mich war es der absolute Horror.
Alice drehte sich zu mir um und zwinkerte mir zu. Ich lächelte verlegen zurück und der Typ mit dem Basecap hielt auch tatsächlich die Klappe, als wir durch das Schloss geführt wurden. Ich hörte nicht zu, sondern trabte einfach nur hinterher.
Endlich war die Führung vorbei und wir durften uns frei bewegen. Schnell fand ich eine ruhige Ecke unter einer Weide am Ufer des Sees, der das Schloss einkesselte. Zumindest war es dort ruhig, bis die anderen Mitschüler dazukamen. Ich ging ein paar Meter weiter, wo sich eine alte Grotte befand, die aus unzähligen Felssteinen geformt war. Bei der drückenden Hitze brauchte ich ein wenig Schatten. Kurz zuckte ich zusammen, als ich bemerkte, dass dort noch jemand Schatten suchte. Alice. Ein wenig erschöpft sah sie zu mir hoch, als ich auf sie zuging.
"Das war echt fad", merkte sie an, bevor sie an ihrer Wasserflasche nippte.
Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Jetzt kommt ja der schöne Teil. Freizeit", entgegnete ich trocken und beobachtete, wie einige Wildenten am flachen Ufer vorbeischwammen. Ich setzte mich zu Alice auf den Boden. Gemeinsam verharrten wir in angenehmer Stille, bis ich Schritte hörte. Ich drehte mich um, um zu sehen, wer diese himmlische Ruhe störte.
"Hey, du musst Alice sein", ertönte eine aufgeregte Stimme, die zu einer androgyn wirkenden Person, die nun zwischen uns stand, gehörte. Alice lächelte sie an und nickte kurz. "Ich bin Chrisy", stellte sie sich vor und setzte sich zu uns. Ihre kleine, aber dennoch sportliche Statur und ihre verstrubbelten, kurzen, dunkelblonden Haare machten sie auf eine gewisse Art und Weise sympathisch, das schwarze Unterlippenpiercing gab...
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