13.-17.08.2022, Antakya, Panne, Urfa
Ein Tag war doch nicht genug und so bleiben wir einfach noch einen. Die Hängematten kommen zum Einsatz und wir plaudern viel mit Mine, Esin, einer Krankenschwester und Erman (deutsch wahrscheinlich Hermann). Er arbeitet im Hafen von Iskenderun und verdient ca. 330,-? im Monat. Erman plant eine 10tägige Reise durch Deutschland, Frankreich und die Niederlande. Ein strammes Programm und er muss ordentlich dafür sparen.
Wir gehen diesmal frühzeitig ins Bett und sind dementsprechend morgens früh am Start. 40 Kilometer sind es bis zum Titus-Tunnel, wovon die ersten 20 bergigen Kilometer unsere erhöhte Aufmerksamkeit erfordern. Dann folgt eine super ausgebaute Strecke am Meer entlang. Die Stadt Seleukia Pieres wurde 300 BC als Hafenstadt gegründet. Ein Gebirgsbach brachte allerdings bei Unwettern und Schneeschmelze reichlich Geröll aus den Bergen mit, welcher den Hafen immer wieder verlandete. So wurde im ersten Jahrhundert nach Christus mit dem Bau des Vespasianus-Titus-Tunnels begonnen, um den Bach umzuleiten. Der Bau dauerte etwa 100 Jahre. Im 5. Jh. verlandete der Hafen dann doch und die Stadt verlor an Bedeutung. Geblieben ist ein beeindruckendes Bauwerk, welches wir uns 2000 Jahre später also mal anschauen. Über den Bergen steht eine schwarze Wolke und wir hoffen, wenn wir dorthin abbiegen, trocken zu bleiben. So ist es dann auch, die Route führt uns einfach drum herum. Der Glanz der Tourihochburgen fehlt hier in Gänze. Wir kennen das schon, ein rostiges Tor neben dem nächsten, ab und zu ein moderner Lichtblick, dann wieder marode Metalltore. Oft sind sie offen und man kann den Leuten bei ihren Alltagsbeschäftigungen zuschauen. Wir erreichen Antakya, eine Stadt, die in der Antike aufgrund ihrer Lage sogar zeitweise die drittgrößte des Römischen Reiches war. Hier besuchen wir die älteste Höhlenkirche der Welt, in der der Heilige Petrus die Anhänger Jesus' das erste Mal als Christen bezeichnete. Wenn ich das richtig verstehe, war St. Petrus der erste Stellvertreter von Jesus Christus und von diesem mit der Führung über alle Ortskirchen betraut worden und somit der erste Papst der heutigen Kirche. Somit hätten wir das auch geklärt. Die Höhlenkirche gegründet hat aber der Heilige Lukas, das aber jetzt nur der Vollständigkeit halber.
Keine 300 Meter den Berg runter steht ein Museumshotel. Bei den ersten Bauarbeiten für das Hotel stieß man auf archäologische Funde. Das Konzept wurde überarbeitet und so entstand eine Kombination aus Museum und Hotel. Hier kann man archäologische Ausgrabungen direkt von seinem Hotelzimmer für 180,-? bewundern oder wie wir für zusammen 3,-? ohne Übernachtung. Relikte aus 13 verschiedenen Zivilisationen wurden hier freigelegt, unter anderem ein seltenes Pegasus-Mosaik. Das Hotel ist ein kulturelles Meisterwerk und es beweist gleichzeitig erstaunliche Leistung in den Bereichen Architektur, Archäologie, Ingenieurwesen und dem Erhalt von Kunst.
Nach soviel Kultur sind wir hungrig. Wir schlendern durch die engen Gassen der Altstadt und kehren in ein von Erman empfohlenes Restaurant ein. Das Menü kann man per Barcode einsehen und wir werden schnell fündig (sogar Susi) und satt. Ich gönne mir noch Eis mit Pudding und Soße, gut, die letzten beiden Zutaten hätte ich nicht gebraucht, aber andere Länder, andere Sitten. Unsere Motorräder warten noch vor demselben Laden, an dem wir sie verlassen hatten und wir geben dem Sohn des Ladenbesitzers einen Obolus fürs Aufpassen.
Unser Weg nach Mardin führt uns durch Birecik, wo wir im letzten Jahr in einer Picknick-Area auf einer Bank freiluftgecampt haben und am nächsten Morgen 30 Kilometer nördlich eine im Bau befindliche Hüttensiedlung mit Blick auf Old Halfeti und den Euphrat entdeckten. Wir beschließen, dorthin zu fahren, um nicht wieder auf einer Bank übernachten zu müssen. Hier sind abends um 22.00 Uhr noch über 30°C. Es wird wieder früh dunkel und hinter Birecik ist die Straße aufgerissen. Ein Autofahrer drängelt sich vor und wir fahren quasi einer weißen Dunstwolke hinterher. Nachtfahrten wollen wir eigentlich vermeiden, einige Fahrzeuge finden ihren Weg augenscheinlich auch ohne Licht, manches Moped sehe ich erst, wenn es in meinem Lichtkegel auftaucht. Wir müssen die Geschwindigkeit drosseln und erreichen im Stockdunklen die Hüttensiedlung. Auch hier ist alles stockduster, doch dann regt sich was. Mehmet und sein Sohn sind erstaunt, aber erfreut, uns zusehen. Klar kriegen wir eine der etwa 20 Hütten, sind auch die einzigen Gäste. Die Hütten sind wirklich so klein, dass nur zwei Betten rechts und links vom Gang Platz haben.
Uns reicht das. Die Toilette ist immer noch nicht fertig, aber nutzbar, als Dusche hält unser Wassersack her. Im Dunkeln können wir die Lichter von Old Halfeti sehen, wo ein Minarett im Euphrat steht, seit dem dieser angestaut und dadurch einige Ortschaften geflutet wurden. Morgens sehen wir dann auch den Euphrat und bekommen Tee und Kaffee angeboten. Unsere Kekse runden das karge Frühstück ab. Nun aber los.
Bei einer Tankstelle in einer recht trostlosen Gegend holen wir uns noch ein Küchlein und eine Cola und Susi startet ihre Maschine und ich?- Nichts, nada, ??????. Außer Klack, Klack, nichts. Das darf doch wohl nicht wahr sein, ausgerechnet hier in der Pampa. Da so eine Tankstelle hier auf dem Lande wohl so was ist, wie für uns früher die Bushaltestelle, findet natürlich ein reges Kommen und Gehen statt und da die Kurden ihren türkischen Landsleuten in nichts nachstehen wollen, bekommen wir auch rasch Hilfe angeboten.
Wir vermuten erstmal, dass es die Batterie sein könnte, ich hatte die Zündung etwa 10 Minuten angelassen, möglich wäre es. Wir versuchen es mit Fremdstarten, allerdings mit einem herkömmlichen Verlängerungskabel, mir schwant Böses, aber die Jungs hier kennen da nix. Klappt natürlich nicht. Ein älterer Herr schickt den 14jährigen Jungen von der Tankstelle mit seinem Auto zu sich nach Hause, um ein Ladegerät zu besorgen. Ohne zu zucken, fährt der Kleine davon und kommt mit dem Ladegerät wieder. Jetzt heißt es Warten und Trinken und Erzählen.
Immer wieder kommen neue Leute und immer wieder dieselben Fragen, immer wieder der Google-Übersetzer, immer wieder dieselben Antworten. Ich telefoniere mit Lukas, also dem Heiligen Lukas aus unserer BMW-Werkstatt in Schwerin, einem unglaublich guten Schrauber und ebenso unglaublich ausgeglichenen Zeitgenossen. Wir spielen alle möglichen Szenarien per Fernwartung durch und nachdem sich nach einer halben Ladestunde immer noch nichts regt, tippen wir auf den Anlasser. Selten, aber nicht unmöglich. Lukas meint, wir haben nichts zu verlieren und so mache ich mich unter ca. 20 Augenpaaren an den Ausbau und die Säuberung des Teiles. Zu Hause in der eigenen Garage, wo man meistens alle Schlüssel und Gerätschaften parat hat, ist das in der Regel ein einfacher Eingriff, vorausgesetzt, man weiß wie. Hier, bei 36°C im Schatten, in Lederhose am Boden kniend, gestaltet es sich um einiges schwieriger, zumal ich den Anlasser noch nie ausgebaut habe. Ich wusste nicht mal, wo er sich befindet. Geduldig erklärt St. Lukas mir die Vorgehensweise und genauso geduldig versuche ich sie mir, unter ständigen Hilfeangeboten und Fragen von der Seite, einzuprägen. Das Ende vom Lied ist, ich weiß jetzt, wo der Anlasser sitzt, wie er ausgebaut und gereinigt wird und dass manchmal doch der erste Gedanke der Richtige ist, wie sich am nächsten Tag herausstellen soll.
Außerdem entpuppen sich die Steine, die neben der Tankstelle auf dem Beton liegen als Pistazien. Am späten Nachmittag kommt noch eine Anzugsformation mit Kamerateam vorbei, filmt die Waschung und Trocknung der Hülsenfrüchte und lädt alle zum Melonenessen ein. Da wir vorher schon leckeres Essen bekommen haben, wollen wir ablehnen, kriegen aber trotzdem jeder ein Achtel in die Hand gedrückt. Nein wird hier nicht akzeptiert.
Über den ADAC organisieren wir einen Abschlepper nach Sanliurfa und der Bürgermeister ruft für uns dort in einem Hotel an. Mervan, ein angehender Apotheker, spricht recht gut deutsch und telefoniert mit einer Werkstatt, die wir uns rausgesucht haben. Egal wie, nachts gegen 22.00 Uhr sind wir im Hotel und die Motorräder sicher in der Werkstatt.
Morgens machen wir Sightseeing in Urfa, das Sanli- wurde 1983 davor gesetzt und bedeutet in etwa ruhmreich und soll an den Widerstand gegen die französischen Besatzer im türkischen Befreiungskrieg erinnern. Die meisten sagen aber weiterhin Urfa.
Wir marschieren jedenfalls zum Balikligöl, einem Gewässer im Zentrum der Stadt, welches natürlich mit altem Gemäuer und einer Moschee umfasst ist und direkt neben einem grünen, Schatten spendenden Park liegt. Bei Nacht und angestrahlt bestimmt noch schicker. Den angrenzenden Basar nehmen wir auch noch mit. Welch ein Reichtum an orientalischen Gewürzen, wenn wir Curry erkennen, sind wir schon...