Schweitzer Fachinformationen
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Knapp 2 Jahre später
Mia verteilte die bunten Muffinförmchen in die Mulden des dafür vorgesehenen Backblechs und sortierte sie dabei nach Farben. Andächtig betrachtete sie den von ihr geschaffenen Regenbogen. Dabei drifteten ihre Gedanken zum bevorstehenden Sommer ab. Sie war so froh, dass die Schule endlich vorbei war, und hatte sich fest vorgenommen, die Ferien zu genießen. Das letzte Jahr war irgendwie nur an ihr vorübergezogen. Es war der erste Sommer ohne ihre Mutter gewesen, ohne Pferde, ohne Tiago, und sie hatte gar nichts mit sich anzufangen gewusst. Aber nun hatte sie jede Jahreszeit und jeden Feiertag mindestens einmal ohne ihre Mutter verbracht. Diesen Sommer wollte sie endlich wieder richtig leben und freute sich aufs Freibad, die Eisdiele, den Strand und viele, viele Stunden des Lesens draußen im Garten.
»Mia, träumst du schon wieder?« Omile kam mit der Rührschüssel in der Hand heran und reichte ihr den von Teig triefenden Kochlöffel. »Ablecken?«
Mia nahm den Holzlöffel lächelnd entgegen und ließ sich damit auf dem Hocker an der Frühstückstheke nieder. »Oh wow, so lecker!«, sagte sie, als sie den Teig probierte.
Omile nickte zufrieden und goss die Masse in die Förmchen. »Dein Vater wird sich freuen, wenn er von der Arbeit kommt.«
»Ja, total.«
Mias Vater arbeitete fast immer und sie war es gewohnt, dass er nicht zu Hause war. Seit dem Tod ihrer Mutter arbeitete er sogar noch mehr als früher, weil er jetzt alleine für die Familie aufkommen musste, wie er sagte. Aber Mia glaubte, dass er auch die Ablenkung suchte. Dass dieses Haus ohne seine Frau zu leer für ihn war. Immer noch. Mia verstand ihn. Sie vermisste ihre Mutter auch, aber die Zeit hatte es etwas leichter für sie gemacht. Inzwischen dachte sie nicht mehr nur mit Schmerz an sie zurück, sondern auch mit Dankbarkeit für die schönen Erinnerungen.
»Wollen wir noch eine Schokoladenglasur machen?«, fragte Mia und legte den Löffel ins Spülbecken, bevor sie sich wieder hinsetzte.
»Aber natürlich.« Omile schob die Tür des Backofens zu und lächelte. Sie trug ihre blond gefärbten Haare in einer schicken Kurzhaarfrisur, hatte ihre Lippen fein säuberlich rot geschminkt und war genauso wie Mias Vater immer gut angezogen. Selbst hier in der Küche beim Backen von Muffins trug sie einen Rock und eine Bluse, über die sie nur eine Schürze gebunden hatte. Mia hingegen saß im Pyjama an der Küchentheke. Dabei war es schon fast Mittag. Aber so sollte es in den Ferien auch sein, wie sie fand.
»Was willst du heute Nachmittag bei diesem schönen Wetter machen?«, fragte Omile schließlich.
Mia zuckte mit den Schultern und zupfte verwelkte Blüten von der Orchidee auf der Theke. »Ich habe mir ein paar Bücher aus der Bibliothek geliehen und wollte heute mit dem Thriller anfangen.« Laut ihrem Vater war sie noch zu jung für solche Geschichten, aber Mia mochte den Nervenkitzel, der sie komplett aus der Wirklichkeit herausholte.
»Lesen?« Omile deutete zum Fenster, durch das die Sonne hereinschien. »Lesen kannst du an Regentagen immer noch. Willst du dich nicht lieber abkühlen? Wir könnten an den Strand fahren oder du triffst dich mit deinen Freunden im Freibad.«
»Dafür habe ich doch den ganzen Sommer Zeit.« Ja, sie wollte die Ferien genießen, aber das volle Programm musste sie nicht gleich am ersten schulfreien Tag starten. Vor allem, weil der Zeugnistag gestern so peinlich geendet war, dass sie lieber etwas warten wollte, bevor sie sich wieder zu ihren Freunden wagte.
»Ich weiß gar nicht, ob überhaupt jemand Lust hat.« Mia nahm ihr Handy in die Hand, um es auf Nachrichten zu prüfen. In der letzten halben Stunde war das Display ein paar Mal angegangen, was eingehende Snaps bedeutete. Aber es waren nur Massensnaps von Mitschülern gewesen, die den Ferienbeginn feierten. Einzig ihre Freundin Hanna hatte ihr persönlich geschrieben:
Hat er dich schon zurückgeaddet?
Mia spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Der peinliche gestrige Tag kehrte viel zu lebhaft in ihre Gedanken zurück. Durch die Ermutigung ihrer Freundinnen hatte sie sich wirklich getraut und Mark aus der Nebenklasse auf Snapchat geaddet. In der letzten Schulwoche hatten sie ein klassenübergreifendes Projekt gehabt und sie war in seinem Team zum Thema Klimaerwärmung gelandet. Sie hatten ein wenig über ihre Ferienpläne geredet, er fuhr bald in ein Fußballcamp und ja . Es wäre cool gewesen, mit ihm zu schreiben oder sich vielleicht sogar mal zu treffen. Alle ihre Freundinnen hatten jetzt einen Freund, und Hanna, Lena und Sophie hatten beschlossen, dass Mia auch einen brauchte. Und so hatten sie gestern nach der Schule schließlich zusammen an der Straßenecke bei der Bushaltestelle gestanden und beobachtet, wie Mark nach Mias Anfrage sein Handy aus der Hosentasche gezogen und aufs Display geblickt hatte. Aber dann hatte er es einfach wieder eingesteckt und sie nicht zurückgeaddet.
Die Abweisung war ihr vor ihren Freundinnen unglaublich peinlich gewesen. Das Mitleid der drei hatte es irgendwie noch schlimmer gemacht. Und jetzt hatte sie Angst, dass Mark auch im Freibad oder am Strand auftauchte und dass er und seine Freunde sie auslachten.
Im Moment wollte sie ohnehin lieber backen und so nahm sie die Schokoladenpackung für die Glasur und machte sie auf. »Vielleicht können wir heute Abend zusammen einen Film anschauen?«, schlug sie vor, um ihre Großmutter vom Thema Freibad abzubringen. »Wenn Papa zurück ist?«
Omile setzte sich zu ihr an die Theke und strich ihren Rock glatt. »In Ordnung, aber wehe, du verkriechst dich den ganzen Sommer hier drin.«
»Nein, nein, versprochen.« Mia brach die Schokolade in eine Schale, als das Display ihres Handys erneut anging. War das schon wieder Hanna? Oder vielleicht doch Mark?
Sie sah nach und zog verwundert die Augenbrauen hoch. Es war eine Nachricht von Karo, ihrer früheren besten Freundin vom Reiterhof. Karo war ein Jahr älter als Mia, sie waren oft zusammen ausgeritten. Nur seit Mia nicht mehr auf den Hof durfte, wo Tiago eingestellt gewesen war, war die Freundschaft irgendwie im Sande verlaufen. Mia hatte schon ewig nichts mehr von Karo gehört. Jetzt aber hatte sie ihr geschrieben und der Text poppte direkt oben auf dem Bildschirm auf.
Ist er das?, stand da nur. Kein: Hi Mia, wie geht's dir so .
Was meinte Karo damit? Mia öffnete die Nachricht und dann fiel ihr beinahe das Handy aus der Hand. Tief vergrabene Gefühle, die sie längst für überwunden gehalten hatte, strömten auf sie ein. Tiago blickte ihr entgegen. Tiago, den sie vor zwei Jahren zurückzuholen geschworen hatte. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie sich ganz auf die Aufgabe gestürzt, ihn zu finden, und Karo hatte ihr dabei geholfen.
Sie hatten einen Google Alert für seinen Namen eingerichtet, hatten die sozialen Medien nach Reitställen bei Dortmund durchsucht, in Pferdeforen gestöbert, die Nennlisten von Turnieren gelesen . Aber sie hatten keine Spur von ihm gefunden. Und mit jedem Tag, jeder Woche, jedem Monat ohne einen Treffer war die Suche weiter in den Hintergrund geraten. Mit etwas Abstand hatte Mia verstanden, dass sie kindisch und naiv gewesen war. Sie würde Tiago nicht finden, und selbst wenn, wäre sie nicht in der Lage, ihn zu sich zu holen. Es war der Wunsch einer Elfjährigen gewesen, die trauerte. Die Realität sah anders aus.
Doch jetzt war er da auf diesem Bild. Er stand in einer lichtdurchfluteten Reithalle, hatte ein braunes Lederhalfter um, das zu seinem hellen goldenen Fell und der schwarzen Mähne total gut aussah.
»Mia, was ist los?«
Omile lehnte sich zu ihr vor und Mia legte das Handy schnell weg. Sie wollte Karos Fund geheim halten. Sie wusste gar nicht genau, wieso, es war eine Art Instinkt. Ihr Vater reagierte auf das Thema Pferde immer noch allergisch. Und jetzt, da sie Tiago gesehen hatte, wollte sie mehr herausfinden, was er nicht gutheißen würde.
»Karo hat geschrieben«, sagte sie also und rutschte vom Hocker. Es war zumindest ein Teil der Wahrheit.
»Karo? Die Tochter von Lisa und Emil?«
»Genau.«
»Von ihr hast du schon lange nichts mehr gehört, oder?«
»Ja, deshalb schaue ich mal schnell, was sie will. Ich gehe hoch und rufe sie an, wenn das okay ist.«
»Natürlich.«
Mia eilte aus der Küche in den Flur und von dort die Holztreppe hinauf in ihr Zimmer. Sie war so aufgeregt, dass sie die Tür mit zu viel Schwung zuwarf. Hoffentlich wurde Omile von dem Knall nicht misstrauisch! Dann warf sie sich auf ihr Bett mit den vielen Kissen und aktivierte das Display.
Da war es wieder. Tiagos Foto. Es war der Screenshot eines Instagram-Beitrags von Showpferde Hansen.
Mia schnappte nach Luft. Sie kannte diesen Pferdehof! Der lag ganz in der Nähe, vielleicht eine halbe Stunde mit dem Bus von hier, direkt an der Küste. Mia war einmal mit ihrer Mutter, Karo und deren Eltern dort gewesen - beim Tag der offenen Tür. Ihre Mutter hatte damals mit Tiago einen Kurs in Zirkuslektionen gemacht.
Hansens war ein Ausbildungsstall für Showpferde, hatte aber auch normalen Schulbetrieb für Reiter. Außerdem war er das Zuhause der tierischen Stars von Ad Astra, einer der größten Pferdeshows Deutschlands. Karo und Mia hatten immer davon geträumt, bei dieser Show mitzureiten, vor ein paar Jahren hatten sie auch zusammen eine Vorstellung in Hamburg besucht.
Und jetzt war Tiago in diesem Stall? Was war mit seinen vorherigen Besitzern? Mit den beiden Männern, die...
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