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BRAM
Jeder andere Typ würde jetzt nicht den Knopf des elften Stockwerks drücken, wo sich das Apartment meines besten Freunds befindet.
Sie würden sich mit eingezogenem Schwanz davonschleichen und jede Möglichkeit durchgehen, um nicht ich sein zu müssen. Vor allem nicht jetzt.
Aber ich bin nicht wie die meisten Männer.
Bin ich noch nie gewesen.
Klar, ich habe meine Momente. Ich stehe auf Geld und Macht. Deshalb besitze ich jede Menge Immobilien in New York City und investiere immer weiter, um aus Geld noch mehr Geld zu machen. Ich bin jetzt dreiunddreißig und könnte bereits in Rente gehen, wenn ich wollte. Aber das Immobilienspiel macht süchtig. Ich liebe die Jagd nach der nächsten Investition.
Und ich liebe Sex. Welcher Mann tut das nicht? Ich hatte schon viele flüchtige Affären, wollte nie mehr, denn bisher habe ich keine Frau getroffen, mit der ich mich niederlassen wollte. Nun ja, bis auf eine, aber auf sie werden wir später noch zu sprechen kommen.
Und wie die meisten Männer stehe ich auf Sport. Football, Baseball, Basketball . Collegesport, aber professionell. Die Olympischen Spiele. Verdammt, ich würde mir sogar Synchronschwimmen ansehen.
Tatsächlich hat mich meine Liebe zum Sport hierhergebracht. Nun gehe ich über die Planke wie ein toter Mann und warte auf meinen Urteilsspruch.
»Halt ihn auf, Arschloch.« Roark McCools irischer Akzent hallt durch die Lobby, bevor seine große Hand auf dem Knopf des Aufzugs landet.
Ich mache keine Anstalten, die Türen für ihn offen zu halten. So ein Freund bin ich.
Nachdem er eingestiegen ist, mustert er mich von oben bis unten und fängt an zu kichern. Einer der Gründe, warum ich den Aufzug nicht aufhalten wollte. Sein Blick fällt auf den Zwölferpack Bier in meiner Hand. Er deutet mit dem Kopf darauf und fragt: »Dachtest wohl, du könntest uns mit Bier bestechen, was?«
Roark haben wir auf einer Studentenparty im ersten Jahr auf dem College kennengelernt. Er war damals Austauschstudent aus Irland. Als wir merkten, dass er ein ganzes Fass Bier saufen konnte, ohne am nächsten Tag auch nur den Anflug eines Katers zu haben, gehörte er sofort zu unserem Freundeskreis. Der Kerl ist zu einhundert Prozent Ire, in dessen Ader reines Guinness fließt, was wohl sein hitzköpfiges Temperament erklärt.
Außerdem, wie könnte man bitte nicht mit einem Kerl befreundet sein, dessen Name Roark McCool ist? Das ist unmöglich.
»Nein, wollte nur was zum Abend beisteuern.«
»Glaub bloß nicht, dass wir dich so einfach davonkommen lassen. Eine Wette ist eine Wette.«
»Ich weiß.« Ich verkneife mir das Grinsen.
Eine Wette ist eine Wette. Und die Arschgeigen sollten mich besser darauf festnageln. Vor allem jetzt, da ich einen Plan habe.
Es hat nicht lange gedauert, bis ich mich dazu entschlossen habe, dass es besser ist zu verlieren. Sofort als ich erfahren habe, was auf dem Spiel steht, wusste ich, wer der ultimative Verlierer unserer imaginären Football-Liga sein würde.
Japp, drei erfolgreiche Geschäftsmänner, die sich in einer Studentenverbindung kennengelernt haben und jetzt in Manhattan in Penthouses leben, sind Teil einer Fantasie-Football-Liga. Es ist unser kleines Laster, das, was uns für ein paar Stunden die Woche von der Routine und dem anstrengenden Arbeitsalltag ablenkt.
Jede Football-Saison setzen wir uns zusammen, schließen eine Wette ab, wählen unsere Spieler aus und spielen unsere Saison. Früher haben wir um Geld gewettet. Der Gewinner hat alles bekommen. Doch nachdem wir unsere Konten bis zum Anschlag ausgeschöpft haben, haben wir beschlossen, um interessantere Dinge zu spielen. Wie zum Beispiel bestimmte Aufgaben.
Wir alle haben mehr Geld und Besitztümer als wir brauchen. Aber an Erfahrung kann man nie reich genug sein.
Deshalb wollte ich dieses Jahr verlieren. Ich wollte die beste Erfahrung machen, um die wir je gewettet haben. Klar, ich habe geschimpft wie ein Rohrspatz und die Idee verteufelt, aber in Wirklichkeit konnte ich es gar nicht erwarten zu verlieren.
Ich werde jetzt nicht mit Konfetti um mich werfen. Am Anfang war es harte Arbeit, strategisch, aber nicht zu offensichtlich zu verlieren. Die letzten drei Jahre habe ich immer gewonnen, und es hat einen Heidenspaß gemacht, mit anzusehen, wie meine Freunde jede Woche, wenn ich noch mehr Punkte eingeheimst habe, gestöhnt und geächzt haben. Aber Scheiße, diese Runde war echt schwer. Und als selbst meine zweitrangigen Spieler gut waren, hatte ich wirklich Angst, nicht zu verlieren. Aber irgendwie habe ich es doch geschafft.
Zum ersten Mal im Leben sehe ich einen Verlust als verdammten Gewinn.
Die Tür öffnet sich, und wir befinden uns in einem monochromen, geschleckten Apartment mit Aussicht auf Downtown Manhattan. Im Wohnzimmer liegt ein plüschiger weißer Teppich, der mich an all die Nächte erinnert, die ich mit dem Gesicht nach unten und dem Arsch in der Luft auf diesem Ding verbracht habe.
Wir haben vielleicht Kohle und führen Firmen, die Milliarden Dollar schwer sind, aber wenn wir doch nur ein bisschen Klasse hätten.
Vielleicht ist das der Grund, warum wir nicht zu sonderlich vielen Events in der Stadt eingeladen werden.
Zwei Hände legen sich auf meine Schultern. Roark schiebt mich in das Apartment und in die Küche, wo Rath bereits Bierflaschen öffnet und Party macht.
»Da ist er ja«, ruft Rath und sieht uns an. »Der lebende Tote.«
Laut seufzend stelle ich mein Bier auf den Tresen, denn ich bin ein wirklich guter Schauspieler. Schließlich muss ich mich so authentisch wie möglich verhalten.
»Meine Güte, wie lange werdet ihr mir meine Niederlage noch vorhalten?« Da, habt ihr's gesehen? Oscarreif. Vor allem in Kombination mit meinen hängenden Schultern.
Rath, der Gewinner der Saison, blickt zwischen uns hin und her. »Das wirst du dir das ganze nächste Jahr anhören müssen. Wie wir, als wir verloren haben. Da hast du uns auch die ganze Zeit damit aufgezogen.«
Das stimmt. Ich bin ein wirklich böser Gewinner.
»Vielleicht habt ihr ja ein wenig Mitleid mit mir.«
Doch Rath schüttelt den Kopf. »Auf keinen Fall. Die nächsten vier Wochen wird jeden Tag ein Kurier bei dir vorbeikommen, um dich daran zu erinnern, wie beschissen du diese Saison gespielt hast. Für den Fall, dass du es vergessen solltest.«
»Wie nett von dir.« Ich öffne ein Bier und nehme einen riesigen Schluck.
»Wer setzt bitte Russell Wilson auf die Bank?« Rath sieht mich kopfschüttelnd an.
Ich seufze. »Ich hab's dir doch gesagt. Es war ein Versehen.« Aber es war kein Versehen. Ich habe den wohltätigen Mistkerl schnurstracks auf die Bank gesetzt. Und dann habe ich dem Kinderkrankenhaus, das er regelmäßig besucht, eine ordentliche Geldsumme gespendet, weil er ein so inspirierender Mensch ist. Außerdem habe ich auf gutes Karma gehofft, dass diese Entscheidung der letzte Nagel am Sarg sein würde.
Und das war sie.
Kopfschüttelnd gehe ich zum Tisch, auf dem eine Schüssel mit Chips und Guacamole steht. Wir essen immer noch den gleichen Fraß wie damals auf dem College - Bier, Chips, Pizza. Mehr brauchen wir nicht. Kein Mann kann dem Studentenfutter jemals abschwören. Es sei denn, man lernt eine Frau kennen, die gut kochen kann und einem genügend Ansporn bietet, sich gesund zu ernähren. Und wir wissen alle, von welcher Art von Ansporn ich rede.
Ich schaufle eine ordentliche Menge Guacamole auf einen Chip, schiebe ihn mir in den Mund und kaue eine Weile, bevor ich schlucke. Meine Kumpels beobachten mich überheblich grinsend. Ich muss den Selbsthass hochfahren. Wütend dreinblicken.
»Würdet ihr Arschlöcher freundlicherweise aufhören, mich so anzugaffen? Ich hab's schon verstanden. Ich habe verloren. Sackt verdammt noch mal meine Kohle ein, und weiter geht's.«
Rath tritt an den Tisch und deutet auf die Stühle. »Jungs? Ich glaube, wir müssen uns ein wenig über die Regeln unterhalten. Meint ihr nicht auch?«
»Definitiv.« Roark setzt sich rücklings auf einen Stuhl und stützt die Arme auf die Rückenlehne. »Bram verlässt nicht eher das Apartment, bevor wir die Wette nicht bis ins kleinste Detail festgelegt haben.«
Auch wenn wir uns meistens wie kindische Vollidioten benehmen, sind wir im Herzen doch Geschäftsmänner. Das bedeutet, dass wir alles von Anwälten festhalten und notariell beglaubigen lassen, wenn wir eine Wette abschließen. Da wir alle auf der Yale waren, haben wir gelernt, scharfsinnig und kompromisslos zu sein, was das Business angeht. Jedes Jahr wenden wir bei unseren Wetten dieselben Taktiken an, um sicherzustellen, dass der Verlierer seine Wettschuld ohne Wenn und Aber einlöst.
Als der Vertrag dieses Jahr eintrudelte, konnte ich gar nicht schnell genug einen Stift finden.
»Okay, Jungs, seid ihr bereit?« Wie ein arroganter Bastard reibt sich Roark die Hände. Wenn er nur wüsste .
»Können wir dem Vertrag eine Klausel hinzufügen?«, fragt Rath. »Irgendwas, das festhält, dass er alles für uns dokumentieren muss?«
Auf keinen Fall.
»Keine zusätzlichen Klauseln«, widerspreche ich. Das, was ich vorhabe, sollte nicht dokumentiert werden.
Rath händigt uns Ordner aus, die den bindenden Vertrag enthalten. Jede Seite wurde laminiert. Ich habe doch gesagt, dass bei uns immer alles höchst offiziell ist. »Wir haben schon laminiert. Also keine Klauseln.« Laminierung besiegelt den Deal. Wortwörtlich. »Schlagt jetzt bitte...