Schweitzer Fachinformationen
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Erinnerungen sind ebenso wertvoll wie zerbrechlich. Wir müssen sie erhalten, bewachen wie Schätze und dafür sorgen, dass sie nicht durch ein Feuer in der Gegenwart zu einem Häufchen Asche ohne Bedeutung verglühen. Jeder Mensch hat seine eigene Art, Erinnerungen zu bewahren. Für mich sind es Fotoalben. Nicht diese schrecklich lieblosen Versionen, die man online mit ein paar Klicks erstellt. Sondern oldschool. Eingeklebte Bilder der glücklichsten Momente, ganz ohne Filter und Bearbeitung. Schnappschüsse in Licht, das nicht optimal ist, unterbrochen von Eintrittskarten, getrockneten Blüten und Geschenkband. Der Versuch, diese kostbaren Augenblicke zwischen den Seiten für immer zu versiegeln.
Immerhin können die Andenken nicht verblassen, wenn sie auf den schwarzen Blättern eines Albums dokumentiert sind. Meine Fingerspitzen sind klebrig von den Resten des Leimstifts, mit dessen Hilfe ich die Fotos des letzten Jahres in einem neuen Buch untergebracht habe.
Um mich herum liegen Stifte, Glitter, Washi-Tape und Fotos in unterschiedlichen Größen, die mich, meine Schwester und all die Menschen um uns herum zeigen, die langsam zu einer zweiten Familie geworden sind. Ich hebe eins davon hoch, betrachte Mia und mich, wie wir unserer Mom einen Kuss auf die Wange drücken. Ich erinnere mich so gut an diesen Moment. Wir drei haben mein neuestes Rouge ausprobiert, und während es auf meinen Wangen eher aussah, als hätte ich mir einen Strich aufgemalt, verlieh es der dunkelbraunen Haut meiner Mom einen so schönen Schimmer, dass sie es noch immer benutzt. Mit einem Finger streiche ich über das Bild.
Und obwohl ich dieses Foto liebe, den Moment liebe, in dem es entstanden ist, und meine Familie liebe, tut es weh. Denn es zeigt mir nicht nur, welches Glück ich habe, sondern auch, was ich nicht habe. Nach einigem Zögern ziehe ich das neue Fotoalbum näher an mich heran, positioniere das Bild in der Mitte der ersten Seite und betrachte noch einmal den Spruch, den ich mir auf Pinterest herausgesucht habe.
Glück wird aus Mut gemacht.
Ekelhaft kitschig, aber ziemlich passend für Mia und mich und diese Stadt, in der wir gelandet sind. Selbst wenn die Gründe dafür nicht unterschiedlicher hätten sein können. Mia ist geflohen, ich habe nach der Familie gesucht, die mich nicht haben wollte.
Nachdem ich den Satz in meiner schönsten Schrift und mit einem roségoldenen Metallicstift auf das schwarze Papier geschrieben habe, klebe ich das Foto mit dem passenden Washi-Tape fest und nicke. Es ist das perfekte Geschenk für einen Abschied, der zugleich ein Neubeginn ist - wenn auch nicht für mich.
Seufzend klappe ich das Fotoalbum wieder zu und verstaue es in der Kiste vor mir. Inzwischen habe ich mich so daran gewöhnt, dass meine kleine Schwester auf meinem Sofa schläft, dass ich mir nicht mehr vorstellen kann, dass dieser Raum wieder mir allein gehören soll. Die Wohnung kommt mir plötzlich unglaublich groß vor. Natürlich kann ich den Gedanken niemals laut aussprechen, aber mich beschleicht ein Gefühl, das ich lieber verdrängen würde: Einsamkeit.
Ich suche kein fehlendes Puzzlestück, keine Heilung meiner Wunden und niemanden, der den Schmerz in mir teilen will. Es ist verdammt noch mal mein Schmerz, und ich will ihn nur für mich. Doch jetzt, in diesen Moment, der so angefüllt ist von schönen Erinnerungen, kann ich trotzdem nicht anders. Fröstelnd streiche ich mir über die nackten Arme, als würde mein Körper sich nach einer Umarmung sehnen. Mia scheint diesen Gedanken gehört zu haben, denn sie steht im Türrahmen und sieht mich an. »Was machst du da, Megan?«
»Etwas furchtbar Kitschiges, das ich niemals zugeben werde«, entgegne ich und grinse meine kleine Schwester an. Für mich hat es nie eine Rolle gespielt, dass wir adoptiert sind. Mia ist meine Schwester, nicht nur, weil wir das Glück hatten, dass unsere Mutter uns beide aufgenommen hat, sondern auch, weil unsere Seelen unwiderruflich verbunden sind.
Ich reiche ihr das Fotoalbum, das ich für sie gemacht habe. Meine Schwester lächelt, drückt das Buch an ihre Brust, kennt mich jedoch gut genug, um es nicht sofort zu öffnen. Sie trägt eines ihrer Sommerkleider, die bei jeder Bewegung sachte mitschwingen. Ihr schwarzes, glattes Haar liegt schwer über ihren Schultern.
Mia schüttelt den Kopf über mich. »Wolltest du mir nicht beim Packen helfen, statt in den Fotos zu blättern und zu basteln?«
»Wollte ich, aber es waren ein paar wirklich krasse Monate. Wer hätte gedacht, dass wir uns beide in Belmont Bay verlieben?«
Mia zuckt mit den Schultern. »Ich bin sicher, es liegt an den Milchshakes im Joey's.«
»Eine Verschwörung? Sie machen ahnungslose Besucher abhängig mit den Spezialmischungen und sorgen so dafür, dass die Einwohnerzahl steigt?«, will ich skeptisch wissen, muss bei dem Gedanken jedoch lächeln. Es würde auf absurde Art zu Tanja und Joey, den Besitzern des örtlichen Diners, passen.
Wir schauen einander kurz an und seufzen zeitgleich. Es erscheint so unwirklich, Mia jetzt gehen zu lassen. Mir ist klar, dass ihr Auszug längst überfällig ist. Eigentlich kam sie nur noch in unsere, besser in meine Wohnung, wenn ihre Wäsche zur Neige ging. Da sie für ihr Studium die meiste Zeit in der nächsten großen Stadt verbringt und nur an den Wochenenden und in den Semesterferien in Belmont Bay ist, ist es auch nur logisch, dass sie ihre Freizeit mit ihrem Freund verbringen will und nicht mit mir.
»Du ziehst wirklich aus«, sage ich und spüre wieder diesen kalten Stich. Für einen Herzschlag schließe ich die Augen. Ich sehe Mia wieder vor mir, wie sie letzten Sommer aus dem Bus gestiegen ist. Den gesamten Körper übersät mit Prellungen und einer blutenden Seele. Damals hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass sie am gleichen Ort ihren Frieden findet wie ich. Meine Lider heben sich wieder, finden in die Realität und das Jetzt zurück.
»Mit dem Rad sind es nur ein paar Minuten«, wehrt Mia ab, lässt sich aber trotzdem neben mir auf den Boden sinken. »Du wirst gar nicht merken, dass niemand auf deinem Sofa schläft.«
Da irrt sie sich, doch das werde ich ihr nicht sagen. In den letzten Wochen war mir ihre Abwesenheit viel zu bewusst. Die Angst des Verlassenwerdens war viel zu greifbar.
»Es fühlt sich nur komisch an.«
»Ja, für mich auch«, gesteht sie und lächelt. »Aber jetzt streiten wir uns auch nicht mehr um den Abwasch.«
»Definitiv ein Pluspunkt.«
Ich würde gern etwas sagen, das meine verwirrten Gefühle zumindest ein wenig in Worte fassen kann - aber in solchen Dingen war meine kleine Schwester immer viel besser als ich. Wenn ich emotional werde, mache ich schlechte Witze und versuche mir nichts anmerken zu lassen. Sie hingegen ist eine Meisterin darin, ihre Gefühle in poetische Worte zu kleiden. Oder in Shakespeare-Zitate. Oder beides.
Ein Hupen erklingt, noch bevor ich es geschafft habe, ihr zu sagen, was ich denke.
»Komm, Conner wartet sicher schon«, meint Mia.
Ich bin froh, dass Conner und meine Schwester ein Paar sind. Von all den Menschen in dieser Stadt gehört er zu jenen, denen ich am meisten vertraue, auch wenn er auf den ersten Blick wie ein Bad Boy wirkt. Zu lange Haare, mehr Tattoos als freie Haut und seine Einsilbigkeit lenken davon ab, dass er die besten Milchshakes der Welt macht und seine Seifen selbst herstellt. Er ist einer von den guten Jungs, und meine kleine Schwester verdient nach allem, was sie erlebt hat, genau das.
Mia steht auf, ehe sie mich auf die Füße zieht. Zusammen bringen wir die letzten Kisten mit ihren Sachen nach unten, verstauen alles im Wagen und witzeln darüber, dass Conners neueste Lavendelseifenmischung ihn riechen lässt wie unsere Granny.
Er ist unsere Sticheleien inzwischen gewöhnt und tut sie nur noch mit einem Schulterzucken ab, bevor er sich die lange Mähne zu einem Knoten bindet. »War das alles?«, will Conner wissen und erwischt mich damit eiskalt. Kein flapsiger Spruch will mehr über meine Lippen kommen. Dennoch schaffe ich es, irgendwie zu nicken.
»Falls ich noch etwas finde, bring ich es rüber«, murmle ich stockend, versuche, das Gefühl zu verdrängen, dass meine kleine Schwester mich verlässt.
»Ab heute wohnen wir hochoffiziell zusammen«, verkündet Mia. Sie schlingt glücklich die Arme um Conners Hals, und er beugt sich zu ihr, um ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen zu hauchen.
»Könntet ihr bitte nicht direkt vor mir mit eurem romantischen Abend beginnen?«, merke ich an und verschränke die Arme vor der Brust. Ich gönne ihnen ihr Glück. Wirklich. Nachdem Mia in ihrer letzten Beziehung durch eine Hölle aus Gewalt und Kontrolle gehen musste, soll sie jetzt einfach nur glücklich sein.
Allerdings hinterlässt es trotzdem diesen Stich in meiner Brust, zu wissen, dass sie nun nicht mehr auf meinem Sofa schläft. Dass es keine Abende mehr geben wird, in denen wir zu viel Pizza und Eiscreme essen und in den alten Fotoalben blättern. Okay, ich merke selbst, dass ich melodramatisch werde. Natürlich wird es diese Abende noch geben - aber eben nicht mehr so oft.
Conners Haus mag nur einen Marsch durch den Wald von meiner Wohnung entfernt liegen, aber es ist dennoch nicht das Gleiche. Auch wenn es nicht immer einfach war, war es doch schön, ein Stück meiner Familie um mich herum zu haben. Mias Lächeln hat die Gedanken verscheucht, die sich nun wieder aus ihren Löchern wagen und mir all die Fragen entgegenwerfen, auf die ich einfach keine Antworten finde.
Mia scheint den Schatten zu spüren, der in meinen Augen flackert. »Treffen wir uns Donnerstag im Diner?«
Ich nicke stumm, denn...
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