Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
»Connors, habe ich mich nicht unmissverständlich ausgedrückt?«, donnerte Kapitän Turley.
»Sir«, konterte Connors, »bei aller Ehrerbietung, aber die Mannschaft ist unzufrieden. Sie wird sich auflehnen. Es ist .«
»Halten Sie den Mund! Auflehnen? Dass ich nicht lache!«, schrie der Kapitän. »Wenn wir am Ziel sind, bekommt die Mannschaft ihre Heuer. So lange gibt es zu essen, was auf den Tisch kommt, und die Männer tun gefälligst ihre Arbeit. Schluss jetzt.« Turley wandte sich zum Gehen, doch der Zweite Offizier gab nicht auf.
»Ich glaube, Sir«, er machte eine Pause, denn er wusste, was es bedeutete auszusprechen, was aus seiner Sicht ausgesprochen werden musste, »es wird Ärger geben, wenn Sie diesen Befehl nicht revidieren.«
»Was faseln Sie da?«, Turley hielt sich sichtlich im Zaum. Bei einem Choleriker wie ihm musste man aufpassen, was man sagte. »Schenken Sie Rum aus. Wenn die Männer saufen, sind sie zufrieden.«
»Nicht einmal Rum wird helfen, Sir«, insistierte Connors. »Es gibt einen Beschluss innerhalb der Mannschaft .« Connors wurde jäh unterbrochen.
»Beschluss?« Kapitän Turley trat nah an seinen Zweiten Offizier heran. »Sind Sie wahnsinnig, Connors? Seit wann beschließt die Mannschaft irgendetwas? Sie wagen es doch wohl nicht .« Turley atmete tief durch, dann presste er durch die Lippen: »Hören Sie, auf der Braganza beschließt nur eine Person etwas. Und die bin ich. Auf einem Schiff«, wieder musste der Kapitän an sich halten, um nicht vollends in Raserei zu geraten, »ist der Kommandant derjenige, der die Befehle gibt. Daher die Bezeichnung.« Er lächelte hämisch.
Connors schwieg.
»Bitte verlassen Sie jetzt meine Kajüte. Ich will darüber hinwegsehen, dass Sie sich tatsächlich beinahe hätten hinreißen lassen, zum Spielball der Mannschaft zu werden. Schwach, Connors, schwach. Wären wir auf einem Kriegsschiff . ach . die Handelsmarine ist eben viel zu nachlässig. Sorgen Sie lieber für Ordnung auf diesem Schiff. Es geht zu lasch zu. Nehmen Sie sich ein Beispiel am Ersten Offizier, Mister Smith. Der greift durch, wenn es sein muss. Wenn Kapitän und Offiziere nicht an einem Strang ziehen, verkommt die Disziplin! Und nun raus hier.«
»Herr Kommandant .« Connors nahm Haltung an.
»Raus, verdammt noch mal, das Gespräch ist beendet.«
Connors hatte sich bereits umgedreht, als der Kommandant nochmals ansetzte.
»Ach, beinahe hätte ich es vergessen. Der Kurs wird gehalten. In einer halben Stunde bin ich an Deck.« Er brummelte noch etwas Unverständliches, schloss dann: »Noch etwas. Sollte Ihnen die Bestrafung von Mister Deweys nicht behagen, lassen Sie sich gesagt sein, dass ich Deweys seit jeher für einen Nichtsnutz halte. Er ist faul, andere übernehmen seine Arbeit. Ich habe das selbst gesehen. Er säuft und liegt uns allen auf der Tasche, anstatt ordentlich Dienst zu tun.«
»Deweys ist krank, Herr Kommandant.«
»Natürlich ist er krank!«, schrie Turley. »Er trinkt zu viel. Er ist krank vom Suff. Und er hat, abgesehen von der Rumgammelei, mir, dem Kommandanten, vor versammelter Mannschaft widersprochen.«
»Das war .«
»Widerspruch, genau. Das ist es, Connors: Sie wollen einem solchen Hallodri auch noch recht geben. Ihre Autorität wird auf immer und ewig verebben, wenn Sie so weitermachen. Deweys wird bestraft.«
Connors dachte an Smith. Der Erste Offizier griff durch. Ha! Der Erste Offizier war ein treuer Vasall des Kapitäns. Er profitierte von seiner Loyalität zu Turley. Die Mannschaft kochte, hatte nichts Ordentliches zu beißen und musste gammeliges Wasser trinken. Aber Smith saß bei Turley in der Kajüte und trank mit dem Kommandanten und dessen Gästen französischen Cognac.
Der Zweite Offizier verließ das Oberdeck, das nur die Offiziere und Turleys Gäste, darunter dessen Ehefrau, betreten durften. Connors ließ sich für einen Augenblick den frischen Nordseewind um die Nase wehen. Doch schon stand Moir vor ihm, der zweite Steuermann. Er hatte Wache.
»Sir, was hat er gesagt? Wird sich etwas ändern?«, flüsterte er.
Connors zuckte die Schultern.
»Er muss doch etwas gesagt haben, Sir?«
»Moir, verdammt noch einmal, gehen Sie auf Ihren Platz und lassen Sie mich zufrieden. Sind Sie nicht zur Wache eingeteilt?«
Moir trat erschrocken einen Schritt zurück. »Jawohl, Sir.«
Die Braganza, eine ansehnliche Brigg, hatte gute Segeleigenschaften. Sie war nicht groß, ein stabiler Zweimaster, den Unbilden des Meeres jedoch stets gewachsen. Kapitän Joseph Turley war ein erfahrener Seemann. Seinen Aufstieg hatte er bei der königlichen Marine erlebt, weshalb er sich nach wie vor gerne als »Kommandant« bezeichnete. Jahrzehnte hatte er die Weltmeere befahren, hatte manchen Sturm erlebt und seine Schiffe immer sicher zurück in die britischen Häfen gelenkt. Er war als harter Knochen bekannt. Sagte man alternden Männer mitunter nach, sie würden ruhiger und weiser, so entwickelte sich Turley auf dieser Fahrt zum Ekel. Miserable Windverhältnisse hatten über weite Strecken das Vorankommen verzögert. Die Verpflegung war minderwertiger und karger geworden. Der Smutje hatte mit vergammelten Lebensmitteln versucht, Essen zuzubereiten - die Mannschaft hatte es ihm vor die Füße geworfen.
Turley hatte getobt, als Connors ihm davon berichtet hatte. »Wenn ihr das nicht fresst, fresst ihr eben gar nichts.« Er hatte Anweisung gegeben, nichts über Bord zu werfen, ahnend, dass die Vorräte knapp werden würden. Keiner wusste, dass Turley dieses Risiko bewusst eingegangen war, als er Platz für Ware bereitstellte, wo sonst Wasser, Brot und andere Lebensmittel hätten lagern sollen. Das Angebot seiner Auftraggeber war zu verlockend gewesen. Mehr Geld für mehr Laderaumkapazitäten. Bei günstigen Winden hätte die Verpflegung trotzdem gereicht, aber die Flauten zwischendurch . Mit den kaum schmeckenden, immer armseliger werdenden Rationen wuchs der Unmut unter den Männern der Besatzung. Seitdem durchgesickert war, dass Kapitän Turley Deweys, ausgerechnet den alten Deweys, der schon länger unter starken Brust- und Rückenschmerzen litt, bestrafen wollte, weil er einige Nahrungsmittel und eine Flasche Rum aus der Vorratskammer unter Deck stibitzt hatte, kochte es gewaltig zwischen den Schiffsplanken der Brigg. Natürlich war es verboten zu stehlen, aber Deweys hatte nicht eigennützig gehandelt. Er hatte sein »Verbrechen« für andere begangen, die ihn beim Kartenspielen betrunken gemacht und dann überredet hatten, für Nachschub zu sorgen.
Turley rief während eines Wutanfalles sein Urteil laut heraus und setzte hinzu, um Deweys sei es nicht schade, er sei alt, gebrechlich, ein Drückeberger. Er hätte ihn gar nicht anheuern sollen, aber jetzt sei es eben zu spät.
Deweys hatte vor Wut gebebt. Dann war es passiert.
»Mister Turley, Entschuldigung, aber Sie sind ungerecht und ohne Erbarmen! Die Mannschaft ist Ihnen egal, Ihnen geht es nur um die hochwohlgeborenen Gäste in Ihrer Kajüte. Ein guter Kommandant handelt nicht so«, hatte der alte Seemann laut ausgerufen.
Da war es mit einem Schlag mucksmäuschenstill geworden. Jeremy Connors wusste, dass sich Deweys mit diesen Worten sein Grab geschaufelt hatte. Der Erste Offizier Smith lächelte indessen in sich hinein.
Turley sah ein paar ewig scheinende Sekunden grimmig von Mann zu Mann. Schließlich blieben seine Augen auf Deweys haften.
»Was Sie da gerade gesagt haben«, verkündete der Kapitän ruhig, »war Meuterei. Und wie Sie wissen, Mister Deweys, steht auf Meuterei eine Strafe.« Für einen Moment schwieg er. Wie gebannt sahen alle Augen auf den Kommandanten der Braganza, der die Aufmerksamkeit zu genießen schien.
»Die Höhe der Strafe«, setzte Turley wieder an, »liegt, wie Sie ebenfalls wissen, im Ermessen des Kommandanten.«
Ein Raunen ging durch die Mannschaft.
»Ich spreche wohl für uns alle, wenn ich sage, dass es für einen Seemann nichts Schöneres gibt, als auf See zu sterben.« Alles hielt den Atem an. Was bedeutete das? »Und falls Ihnen das Kielholen, das ich als passende Disziplinarmaßnahme bezüglich Ihres Vergehens und der Beleidigung eines Kommandanten der britischen Handelsmarine ansehe, wider Erwarten nicht das Leben kosten sollte . dann . ja, dann werde ich dies als eine Art Gottesbeweis betrachten, dass Sie eine Daseinsberechtigung auf dem Schiff haben.«
Turley hatte soeben das Todesurteil über Deweys gesprochen. Kielholen würde der kranke Mann niemals überstehen. Einmal vom Heck bis zum Bug unter einem großen Schiff wie der Braganza gezogen zu werden, das war allenfalls etwas für junge, starke Männer, aber nicht für einen wie den alten Deweys.
George Deweys verzweifelte an dem Urteilsspruch. Er besaß ein winziges Häuschen in Blackpool. Was gab es Schöneres, als an einem solchen Ort seinen Lebensabend zu verbringen mit der Aussicht, jeden Tag das Meer sehen zu können? Diese Fahrt sollte seine letzte sein, er hatte Geld angespart, würde in den Ruhestand gehen, sein Rücken machte die schwere Arbeit auf dem Schiff jetzt schon nicht mehr mit. Ja, seine Kameraden halfen, wo sie konnten. Doch wenn er in seinem Zustand mit dem Kielholen bestraft wurde, würde er sein Haus niemals wiedersehen, seine Frau würde in die nicht eben kleine Zunft britischer Seefahrerwitwen wechseln. Es wäre dann seine letzte Fahrt, doch anders, als er es sich vorgestellt hatte.
Die Braganza befand sich mittlerweile längst in nordwestdeutschen Küstengewässern. In diesen schwer navigierbaren Seen...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.