Kapitel 2
In einem Vorort von Lissabon, 1847
»Arosa?«
Das heisere Wispern in der Dunkelheit jagte ihr einen Schauer durch den Körper, der sich in ihrer Körpermitte zu einem erwartungsvollen Brennen zusammenballte. Rasch entzündete Arosa die Kerze, die ihr als Nachtlicht diente, und zog ihre Decke zurecht.
»Komm herein«, flüsterte sie.
Mit einem leisen Knarzen öffnete sich die Tür des Schlafgemachs, und Arosa seufzte.
Es war nicht ihr Gatte, der sie aufsuchte. Der war auf dem Nachbarhof, da Bartolomea Ribeiro in den Wehen lag und ihr Balg wohl heute endlich gebären würde - und er würde sich gewiss reichlich am Wein des stolzen Vaters gütlich tun. Er war also beschäftigt.
Sollte Francisco sich wider Erwarten diese Nacht doch noch auf den Rückweg in sein eigenes Heim machen, würde er vermutlich wieder einmal irgendwo betrunken im Graben landen und dort seinen Rausch ausschlafen, wie so oft. Arosa kannte das Prozedere.
Aber auch unter anderen Umständen hätte Francisco ihr keinen nächtlichen Besuch abgestattet. Die fromme Enthaltsamkeit, die ihm beim Saufen abging, kehrte er im Ehebett umso mehr heraus. Sein Glaube lehrte, dass der Beischlaf nur vollzogen werden durfte, um Kinder zu zeugen - und von Kindern hielt der trinksüchtige Arzt nichts.
Arosa war das nur recht. Sie würde ihm ohnehin keine schenken. Weder ihm noch einem anderen Mann.
»Gegrüßet seist du, Maria«, hauchte sie, während sie eine Hand bereits unter ihr Nachthemd gleiten ließ. Ihre eigene Berührung entlockte ihr das erste Stöhnen.
Marias Lippen, die sich auf ihre legten, rangen ihr das nächste ab.
Natürlich hieß das Mädchen nicht wirklich Maria. Den Namen hatte Francisco ihr gegeben, als er das Mädchen in der Gosse aufgegabelt und angeblich aus Mildtätigkeit aufgenommen hatte - genau wie einst sie, die er sogar geehelicht hatte. Er hatte Marias Fleiß und ihre Geschicklichkeit gelobt. Arosa dagegen bewunderte die seidige Haut, die dichten Wimpern um die dunklen, schwarzen Augen, die vollen Lippen und die zarten jungen Brüste mit den braunen Brustwarzen, die sie nun zwischen ihren Fingern rieb, bis sie hart und aufrecht standen.
Maria stöhnte nicht. Das tat sie nie, wenn sie beide zusammenlagen. Sie war allgemein sehr schweigsam. Dafür umso gewandter, was andere Fertigkeiten ihrer Zunge anging.
Gierig drückte Arosa den Kopf des Mädchens zwischen ihre eigenen Beine. Marias Hände umklammerten ihre Beine, wanderten weiter zu Arosas Pobacken und widmeten sich dem verbotenen Bereich dazwischen.
Arosa schob sich ihr entgegen. Sie kannte im Bett keine Zurückhaltung. Die Frömmigkeit überließ sie Francisco.
Genüsslich wand sie sich unter den Stößen, dem Kratzen und Saugen - bis sie aus dem Augenwinkel eine dunkle Gestalt zu sehen glaubte.
Mit einem Aufschrei stieß sie das Mädchen von sich, riss sich in derselben Bewegung die Decke an die Brust und sah sich hektisch um. Nichts. Nur das Flackern ihres Nachtlichts, das unstete Schattengespinste an die Wand warf. War der Schatten nur eine Einbildung gewesen, ihrem erhitzten Gemüt entsprungen?
»So schüchtern, Arosa? Du erstaunst mich.«
Die Stimme kam von direkt hinter ihr. Sie fuhr herum, und da stand er. Ein Mann, so schön, dass selbst Marias volle Lippen vergessen waren. Schlank, mit dunklen Locken, die ihm in die ebenmäßige Stirn fielen. Nur der leblose Ausdruck seiner Augen ließ sie schaudern.
»Wer bist du?« Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. »Wie kommst du in mein Haus?« Und in mein Schlafgemach?
»Erkennst du mich denn nicht? Hast du mich so leicht vergessen?«
»Vergessen?« Sie blinzelte. Einen Moment lang schien es ihr, als würde seine Gestalt flimmern und den Blick freigeben auf einen schrecklich entstellten Mann, über und über mit Brandnarben bedeckt, die Augen gelbe unförmige Klumpen, Haare und Ohren von Flammen verschlungen. Das Bild verschwand so rasch, wie es gekommen war.
»Nein, ich .« Sie wollte ihm versichern, dass sie ihn nicht kannte, ganz gewiss noch nie gesehen hatte . Doch stimmte das? Sein Gesicht schien ihr mit einem Mal so vertraut wie das eigene. So kalt und bleich . wie der Tod.
»Anael«, wisperte sie.
Er nickte. »Ich starb für dich, Arosa.«
»Und ich für dich.« Das Wissen war da, schwappte über ihr zusammen wie dunkle Meeresfluten. Sie war immer noch Arosa de Noronha, Frau von Francisco, dem Arzt ihrer kleinen Gemeinde. Aber sie war auch Aurora, Dämonin und Engelsgeliebte. Sie war tot - und war es nicht.
Mit einem lauten Schluchzen sprang sie aus dem Bett. Nackt wie sie war, fiel sie ihm um den Hals, bedeckte sein Gesicht mit Küssen.
Irgendwo hinter ihr wimmerte Maria. Sie hatte sich beim Sturz aus dem Bett den Kopf gestoßen, saß nun benommen auf dem Boden und hielt sich die blutende Wunde. Aurora blickte auf das Mädchen hinab und fühlte Verachtung. Aber da war auch noch etwas anderes. Die Erinnerung an die Zuneigung, die Arosa für das Mädchen empfunden hatte. Und die Erregung, die immer noch durch das Blut in ihrem Körper wallte.
»Hör auf, zu flennen«, befahl sie ihr. »Siehst du nicht, wer das ist? Es ist der Engel der Liebe, der uns mit seiner Anwesenheit ehrt.«
»Ein . Engel, Arosa?«
»Herrin, für dich!«, schnauzte Arosa sie an. Ein kaltes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. »Ja, ein Engel. Und er kann unbeschreibliche Lust schenken.« Sie ließ ihre Hände über ihren Körper wandern, drückte ihre Brüste hoch und leckte sich die Lippen. »Wollen wir sehen, ob er sich mit deinem Können messen kann? Ich bin mir sicher, bei ihm wirst du nicht schweigen.«
Damit stolzierte Aurora zurück zu Arosas Bett, legte sich rücklings darauf und spreizte auffordernd ihre Beine. »Komm zu mir, Maria. Du hast deine Aufgabe noch nicht zu Ende gebracht.«
Während sich Maria zitternd erhob, sich das Blut aus der Stirn wischte und folgsam vor ihr auf die Knie ging, verharrten Auroras Augen auf Anael. Auf seinem ausdruckslosen Gesicht, das kein Gefühl, keine Seele zeigte. Selbst als er sich entkleidete und auf das Hinterteil des Mädchens zuschritt, sein Schwanz mehr als bereit, ihr seine verfluchte Göttlichkeit unter Beweis zu stellen, offenbarte er keine Emotion. Nur die Grimasse der Anstrengung, die Männern beim körperlichen Akt eigen war, verriet seine Erregung, während er sich an Maria abarbeitete, sich immer fester in sie rammte.
Und Maria stöhnte nicht nur. Sie schrie, kreischte ihre Lust in Auroras Schoß, ohne dabei jedoch ihre Aufgabe zu vergessen.
Ihre Zungenfertigkeit war wirklich bemerkenswert.
Gegenwart
Keuchend riss ich die Augen auf. Ich war schweißgebadet, obwohl die Klimaanlage des Luxushotels mir eiskalte Luft entgegenspuckte. Die Hitze kam aus meinem Inneren. Genauer gesagt entsprang sie zwischen meinen Schenkeln, wo meine Finger im Schlaf hingewandert und emsig tätig geworden waren .
Wütend riss ich die Hand aus meinem Slip und wischte sie am Laken ab. Ich wollte aufspringen, um Guardian zur Rede zu stellen - denn nur er konnte es gewesen sein, der mir die Vision aufgezwungen hatte -, doch meine Beine gehorchten nicht. Selbst im Wachzustand hielt die Vision an. Weitere Bilder drängten sich mir auf, ebenso real wie das Bett, auf dem ich lag. Ich sah, wie das Hohe Gremium die traute Dreisamkeit rund um Aurora und Guardian störte. Hörte Anaels Schreie, als sie ihm den Schwanz abrissen, fühlte den Druck im Hals, als sie das schrumpfende Glied in Auroras Mund stopften und es tiefer und tiefer hineinpressten, bis sie an dem offenbar sterblichen Organ elendiglich erstickte.
Ich würgte und hustete, versuchte mich von den Eindrücken zu befreien. Doch die Vision endete erst, als Aurora ihren letzten Atemzug getan hatte.
Dann endlich gab sie mich frei. Bebend kauerte ich auf der durchfeuchteten Matratze, und mit jedem meiner gequälten Atemzüge schwoll meine Wut auf Guardian weiter an.
Ich brüllte seinen Namen.
Wie konnte er es wagen? Glaubte er etwa, mich mit solch billigen Tricks für sich gewinnen zu können?
Er hatte mir alles erzählt. Von seiner ewigen Suche nach der ominösen Aurora, der ich angeblich wie aus dem Gesicht geschnitten sein sollte. Doch das war für mich kein Beweis für eine Wiedergeburt. Doppelgänger gab es selbst unter Menschen.
Einmal in jedem Jahrhundert bekam Guardian die Chance, seine Aurora zu finden. Bei Arosa hatte er offensichtlich richtig gelegen. Aber bei mir irrte er sich, und keine Vision, die er mir schickte, würde daran etwas ändern.
Erst recht nicht, wenn er danach nicht einmal den Mumm besaß, sich mir zu zeigen.
»Guardian!«, schrie ich erneut. »Beweg deinen untoten Arsch her, oder es setzt was!«
Im Zimmer nebenan wurde gegen die Wand geklopft, und ich hörte, wie jemand »Ruhe!« rief.
Mir war es gleich, ich würde noch lauter brüllen, wenn es nötig wäre. Doch mein unirdischer Beschützer hatte mich bereits erhört. Er trat aus den Schatten der bodenlangen Vorhänge, sodass ich mich unwillkürlich fragte, wie lange er dort schon gestanden - und was er alles beobachtet hatte. Meine Wut gewann noch ein paar weitere hitzige Grade.
»Hast du deine Entscheidung nun getroffen?«, fragte er ungeniert. »Wirst du mir geben, was ich brauche? Wirst du uns beide erlösen, dich und mich?«
»Wenn du mich weiter bedrängst, dann werde ich meine Entscheidung in der Tat treffen«, drohte ich. »Und die wird dir nicht gefallen!«
Nur weil er mir eindringlich versichert hatte, dass ein Nein meinerseits seine sofortige Auslöschung zur Folge hätte,...