Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Da ist ein Kerker, in dem ein Kind eingesperrt ist und verzweifelt weint und nach seinen Eltern ruft. Wir stellen uns einen Wald vor, in dem sich ein Mädchen verirrt hat und völlig erschöpft im Schatten eines Baumes zusammensackt. Oder es stürzt in ein Gewässer und verschwindet darin. Wir sorgen uns um unseren alten, dementen, kranken Verwandten, der vielleicht orientierungslos durch die Gegend irrt. Der nicht nach Hause findet, stürzt, bewusstlos wird und stirbt. Wir sehen vor unserem geistigen Auge einen Pistolenlauf, auf den der Bruder starrt und in Panik die tödliche Kugel erwartet. Wir malen uns einen fensterlosen Raum aus, in dem eine Frau als Geisel gefangen gehalten wird, ohne Essen und Trinken, angekettet.
Unsere Fantasie entwirft die schlimmsten Szenarien, wenn ein geliebter Mensch plötzlich aus seiner gewohnten Umgebung verschwindet. Wenn wir nicht wissen, was ihm widerfahren ist, ob und wie sehr er leidet. Wenn wir im Ungewissen bleiben, in angespannter, zermürbender Wartestellung, vielleicht über Wochen, Monate, Jahre. Für immer?
Vermisst .
Opfer sind nicht nur die Eingeschlossenen, die Verschollenen oder die Menschen in den Gräbern. Opfer sind auch die anderen, die zurückbleiben und ihre Angehörigen oder Freunde vermissen. Die lange im Unklaren ausharren müssen und vielleicht niemals Gewissheit bekommen. Warten kann zermürben und zerstören. Warten zu müssen kann unerträglich werden, wie ein tiefer, alles verschlingender Abgrund. Wir denken an den letzten Blick, den wir mit diesem Menschen getauscht haben. Die letzten Worte. War der letzte Moment ein Streit? Wie war es genau, bevor plötzlich alles abriss?
Wie in einer Endlosschleife verfolgt uns dieser allerletzte Moment, da wir unseren geliebten Menschen gesehen haben. Haben wir alles richtig gemacht? Waren wir unfreundlich? Haben wir ihn womöglich vertrieben? Sind wir schuld daran, dass er nicht mehr da ist? Haben wir nicht genug aufgepasst?
Es sind diese Fragen, die uns quälen, wenn der Partner, der Angehörige plötzlich verschwunden ist und vermisst wird. Seit Tagen, Monaten oder auch Jahren. Manchmal ist es fast schon eine Ewigkeit her, gefühlt ein ganzes Menschenleben. Aber auch schon wenige Stunden können sich scheinbar unendlich strecken, wenn Angst uns die Kehle zuschnürt.
Vermisst - ein Thema mit vielen Facetten. Manchmal stellt sich alles als völlig banal heraus. Jemand hat vergessen, sich abzumelden, hat den Zug verpasst, hat eine Autopanne, hat vergessen zu telefonieren und taucht nach kurzer Zeit wohlbehalten wieder auf. Manchmal braucht man einfach etwas Geduld. Es gibt viele Erklärungen dafür, dass eine Person irgendwo irgendwie aufgehalten wird und die Zeit vergisst. Dass sie einfach nicht Bescheid sagt.
Manchmal sind die Umstände beunruhigend, mitunter tragisch. Die Person hat einen schweren Unfall gehabt und liegt bewusstlos im Krankenhaus. Sie hatte keine Papiere bei sich, man konnte sie nicht identifizieren.
In anderen Fällen gibt es eine komplizierte Vorgeschichte, einen komplexen Hintergrund. Die Pläne des anderen sind den Angehörigen aber nicht bewusst. Dabei kann es sich um ein absichtliches Wegbleiben handeln, um einen Rückzug aus der gewohnten Umgebung, eine Auszeit, um den Beginn eines "neuen Lebens" an einem anderen Ort, wobei alle Brücken kommentarlos abgebrochen wurden. Manchmal, findet man später heraus, hat dieser Mensch auch vorher schon ein Doppelleben geführt. Und jetzt lebt er an einem anderen Ort, in einer neuen Umgebung - glücklicher als zuvor? Auch diese Vorstellung zehrt an den Nerven.
Oder der Hintergrund einer Flucht ist kriminell, eine Person ist geflohen, etwa um sich der Strafverfolgung zu entziehen, eventuell auch um sich aus einer belastenden Umgebung mit Ärger, Stress, Schulden und Vorwürfen zurückzuziehen. Es kann sich um einen Versicherungsbetrug handeln, um eine Lebensversicherungssumme zu kassieren, wenn ein Mensch verschwindet und dann für tot erklärt wird.
Es kann aber ebenso eine dramatische Entführung gegeben haben, mit anschließender Erpressung und Lösegeldforderung. Oder es handelt sich um einen Mord, vielleicht auch um einen Mord ohne Leiche, damit es keine Spuren mehr gibt.
Ein weiteres Mal gilt die immer wieder zitierte Erfahrung der Rechtsmedizin: "Es gibt nichts, was es nicht gibt ."
Weil das Phänomen so vielschichtig ist, wird es manchmal überbewertet. Oder umgekehrt werden bedrohliche Umstände und Signale überhaupt nicht wahrgenommen. Manchmal wird die Situation zu Unrecht extrem unterschätzt und zu wenig ernst genommen.
Für die Polizei ist es keine leichte Aufgabe, hier eine angemessen professionelle und im Hinblick auf die betroffenen Angehörigen emotional verständnisvolle Herangehensweise zu praktizieren. Manchmal wird jemand mit großem Aufwand fieberhaft gesucht, er hat sich aber nur gedankenlos nicht ordnungsgemäß verabschiedet und taucht völlig unbehelligt wieder auf. Auf der anderen Seite wartet die Polizei zuweilen sehr lange mit Suchmaßnahmen, wiegelt ab, tut zunächst nichts oder nur wenig, obwohl es um Leben und Tod geht oder ein Tötungsdelikt bereits vollendet ist.
Die Erfahrung mit zahlreichen zum Teil bizarren rechtsmedizinischen Fällen führt zu dem eindringlichen Rat, jede Vermisstensache standardisiert und hoch professionell anzugehen. Dies ist in den neuen Konzepten der Kriminalpolizei auch ausdrücklich so vorgesehen. Selbst wenn man weiß, dass mehr als neunzig Prozent der Vermisstensachen letztlich harmlos ablaufen, eine einfache Erklärung finden und ein glückliches Ende nehmen.
Zur Vorgehensweise bei Vermisstensachen hat die Kriminalpolizei speziell in neuerer Zeit Leitlinien und Standards entwickelt, die bei konsequenter Anwendung eine neue Dimension der Sachbearbeitung erwarten lassen. Der im Folgenden referierte Maßnahmenkatalog lehnt sich speziell auch an Aspekte an, die von der Hamburger Kriminalpolizei ausgearbeitet wurden. Die aufgeführten Maßnahmen sind nicht abschließend zu betrachten; ihre Reihenfolge ist dem gegebenen Sachverhalt anzupassen. Für unseren Zusammenhang werden hier nur besonders herausragende Aspekte dargestellt:
Verifizierung der Personenbeschreibung (Narben, Tätowierung, Schmuck und so weiter; Biometrie)
Vernehmung des Anzeigenden sowie von wichtigen Zeugen, zum Beispiel im Hinblick auf besondere Umstände wie finanzielle Situation, Krankheit, eventuell notwendige Medikamente, Drogenabhängigkeit, familiäre Ereignisse, um ein mögliches Motiv für das Verschwinden zu erkennen; bestehen spezielle Hinweise auf Eigen- oder Fremdgefährdung?
Ermittlung des letzten Standorts der vermissten Person, insbesondere auch im Hinblick auf technische Daten (Handyortung, Telekommunikationsüberwachung, Verbindungsdaten, Funkzellendaten und Ähnliches)
Aufsuchen der Wohnung der vermissten Person, hierbei Sicherstellung von Proben zur DNA-Untersuchung, Geruchsproben für den Einsatz von Spürhunden; Überprüfen bevorzugter Aufenthaltsorte, Garagen, Lauben, direktes Wohnumfeld
Gegebenenfalls Öffentlichkeitsfahndung (Printmedien, Radio, Internet), insbesondere wenn Gefahr für Leib und Leben der vermissten Person zu begründen ist
Überprüfung der finanziellen Situation; Kontoübersicht, Berücksichtigung von EC-Karten, Kreditkarten
Je nach Ausgangssituation Einsatz eines Hubschraubers, von Tauchern, einer Hundertschaft zum Absuchen größerer, eventuell unübersichtlicher Areale
Anfragen bei Krankenhäusern, Ärzten eventuell Hotels, Flugplätzen, Taxiunternehmen
Durchsicht persönlicher Sachen: Aufzeichnungen, Computer, Telefon, PC; Auswertung des Routers
Sicherung von Fingerabdrücken
Recherchen in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, Instagram; gegebenenfalls Überprüfung von Dienstleistern wie Ebay, PayPal
Möglicherweise Einschaltung weiterer Polizeidienststellen, der Staatsanwaltschaft und von Gerichten.
Endet die Suche nach einem vermissten Menschen damit, dass er nur noch tot aufgefunden werden kann, so ist die definitive Identifizierung durch Polizei oder Rechtsmedizin jedes Mal als ein absolut erschütternder Moment zu bezeichnen. In einem einzigen Augenblick überlagert sich die Erleichterung darüber, dass die Ungewissheit ein Ende hat, mit dem Schmerz, dass man jede Hoffnung aufgeben muss.
Man kann, was in diesem Augenblick geschieht, nur hilflos umschreiben. Immer wieder fallen Worte und Sätze wie "lähmendes Entsetzen", "das Schlimmste, was Eltern passieren kann",...
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