Schweitzer Fachinformationen
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Neben dem professionellen Handeln im Verdachtsfall soll in diesem Kapitel auch präventives Handeln von pädagogischen Fachkräften im Kontext sexuellen Missbrauchs angesprochen werden. In beiden Fällen wären es eine Vielzahl an Punkten, die besprochen werden müssten, hier soll allerdings der Fokus auf die Handlungsschritte gelegt werden, auf die eine pädagogische Fachkraft unmittelbar Einfluss nehmen kann: Das eigene Handeln im Verdachtsfall (wie bspw. das Führen von Gesprächen oder das Hinzuziehen von anderen Fachkräften) vor dem Hintergrund der Maßnahmen, die alle in einem schulischen Schutzkonzept eingebunden sind bzw. sein sollten (wie Beschwerdemanagement, das Einbetten von Präventionsveranstaltungen, Sexualerziehung im Schulalltag oder das Übernehmen von Personalverantwortung uvm.). Um den Rahmen für professionelles Handeln zu überblicken, sind es auch die rechtlichen Grundlagen, die einer pädagogischen Fachkraft bekannt sein sollten und bestimmte Verpflichtungen, aber auch Einschränkungen mit sich bringen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und dort vor allem die Weitergabe von Daten sollen daher zuerst behandelt werden, bevor der Komplex der Gesprächsführung mit Kindern beleuchtet wird. Dieser schließt ein, dass sich pädagogische Fachkräfte im Vorfeld eines Gesprächs als Vertrauensperson etablieren und nach einem Gespräch das Gesagte korrekt dokumentieren. Im Anschluss wird die Arbeit mit den Eltern von (potenziell) von sexuellem Missbrauch betroffenen Kindern beleuchtet, bevor abschließend das schulische Schutzkonzept und Möglichkeiten der Unterstützung von betroffenen Kindern dargestellt werden.
Ausgangspunkt für das Handeln im Verdachtsfall ist der Schutz des Kindeswohls, der pädagogische Fachkräften nicht nur wegen ihres Berufsethos zu eigen ist, sondern der sowohl in den Schulgesetzen der Länder (oder deren Kinderschutzgesetzen) als auch in den Handlungsempfehlungen der KMK festgeschrieben ist (UBSKM, 2019). Weiterhin ist mit dem Bundeskinderschutzgesetz 2012 ein bundeseinheitlicher Rahmen für das Handeln im Verdachtsfall geschaffen worden. Schulen werden explizit aufgefordert (§ 3 BKiSchG), sich einem Netzwerk aus unterschiedlichen Fachkräften, die ebenfalls im Kinderschutz aktiv sind, anzuschließen. Ein zentraler Punkt, der auch Lehrkräften in Schulen Handlungssicherheit bietet, ist dabei das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz. Neben einer Verbesserung der Kooperation von Fachkräften strebt der Bund damit die Herstellung einer Handlungs- und Rechtssicherheit und die Definition bestimmter Standards an (Zimmermann, 2019). Konkrete Handlungssicherheit bietet dabei insbesondere § 4 zur »Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung«. In diesem Paragrafen ist geregelt, dass bei Bekanntwerden einer Kindeswohlgefährdung die Situation mit dem Kind und den Personensorgeberechtigten erörtert wird und bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hingewirkt werden soll. Der Einbezug der Personensorgeberechtigten darf nur dann unterbleiben, wenn dadurch der wirksame Schutz des Kindeswohls in Frage gestellt ist (= Rechtsgüterabwägung). Lehrkräfte an Schulen haben in solchen Situationen Anspruch auf die Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft (kurz »InsoFa«, Kap. 4.1) und dürfen zu diesem Zweck pseudonymisierte Daten übermitteln. Es heißt im Gesetzestext weiter, dass Lehrkräfte das Jugendamt informieren dürfen [!], wenn eine Abwendung der Gefährdung oder das Hinwirken auf die Inanspruchnahme von Hilfen bei den Personensorgeberechtigten erfolglos bleiben und ein Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich gehalten wird, um eine Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden. Nur in diesem Fall darf das Jugendamt also kontaktiert und auch personenbezogene Daten übermittelt werden.
Die Weitergabe von Daten ist verbeamteten Lehrkräften nach § 37 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamt*innen in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG) auf Grund der dort vorgesehenen Verschwiegenheitspflicht untersagt. So dürften Lehrkräfte und Schulleitungen ohne Genehmigung des Dienstherrn keine Informationen zu Dienstangelegenheiten weitergeben, Auskunft an außerschulische Stellen erteilen oder als Zeugen vor Gericht aussagen. Nach § 203 StGB gilt die Schweigepflicht ohnehin für alle im öffentlichen Dienst verpflichteten Personen gegenüber jedermann, da ein potenzieller Missbrauch unzweifelhaft als Geheimnis angesehen werden kann (Kliemann, 2015). § 4 Abs. 3 KKG ermöglicht aber ausdrücklich die Datenweitergabe an das Jugendamt. Vor diesem Schritt müssen Lehrkräfte allerdings die Schulleitung informieren (geregelt im BeamtStG § 35 Folgepflicht) und dürfen nur davon abweichen, wenn eine unmittelbare Gefahr für das Kindeswohl besteht. Dies könnte bspw. dann der Fall sein, wenn die Lehrkraft auf Grund des Berichts eines Kindes vermuten muss, dass ein sexueller Übergriff durch eine*n Erziehungsberechtige*n bevorsteht, das Kind von dieser Person von der Schule abgeholt werden soll und die Schulleitung nicht erreichbar ist.
Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihres Entwicklungsstandes zu beteiligen und ihre Interessen zu berücksichtigen. Im achten Sozialgesetzbuch ist die Partizipation von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Arbeit der öffentlichen Jugendhilfe festgelegt (§ 8, Abs. 1 SGB VIII) und dort wird die Partizipation von Kindern und Jugendlichen explizit gefordert. Diese Einbindung sollte auch als Grundsatz in Schulen gelten.
In Schulen wird es gelegentlich Fälle geben, in denen schon ein Kontakt zwischen Jugendamt und einer Familie stattgefunden hat und es aus unterschiedlichen Gründen sinnvoll sein kann, wenn Gespräche zwischen Jugendamt und Schule stattfinden. Das ist dann unproblematisch, wenn die Erziehungsberechtigten des Kindes diesem Austausch zustimmen. Diese Zustimmung muss schriftlich erfolgen und eine solche Schweigepflichtentbindung muss Auskunft geben über den Zweck, Art und Umfang der zu verarbeitenden Daten sowie den Empfänger. Diese Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden und es kann auch ein konkretes Datum für die Gültigkeitsdauer der Schweigepflichtentbindung notiert werden. Häufig liegen Vordrucke für Schweigepflichtentbindungen schon in der Schule oder beim Jugendamt vor.
Sowohl das Erstatten von Strafanzeige als auch das Gespräch mit den Eltern im Hinblick auf eine mögliche Strafanzeigenerstattung durch Erziehungsberechtigte bedürfen einer gründlichen Abwägung. Der folgende Exkurs bietet Informationen über das Erstatten von Anzeigen und soll Denkanstöße bieten, welche Abwägungen in diesem Kontext von Bedeutung sein können.
Für Schulen besteht, genau wie für Jugendämter auch, keine Anzeigepflicht im Falle des Bekanntwerdens eines Verdachts auf sexuellem Missbrauch. Allerdings liegen unterschiedliche Empfehlungen vor, die für eine Entscheidung, ob Strafanzeige erstattet wird, herangezogen werden sollten.
Für alle Bundesländer gelten die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz. In diesen »Handlungsempfehlungen der Kultusministerkonferenz zur Vorbeugung und Aufarbeitung von sexuellen Missbrauchsfällen und Gewalthandlungen in Schulen und schulnahen Einrichtungen« vom 20.04.2012, i. d. F. vom 07.02.2013 wird Folgendes empfohlen, was sich allerdings lediglich auf den Fall bezieht, dass eine Lehrkraft als Täter*in im Verdacht steht:
»In allen Ländern gilt: Besteht gegen eine Lehrkraft der begründete Verdacht des sexuellen Missbrauchs oder einer anderen Straftat, so sind Schulleitungen der staatlichen Schulen und der Schulen in kirchlicher oder freier Trägerschaft verpflichtet, dies unverzüglich dem Dienstherrn oder Anstellungsträger mitzuteilen. Dieser leitet umgehend dienst- oder arbeitsrechtliche Maßnahmen ein und schaltet entsprechend die Polizei oder Staatsanwaltschaft ein (vgl. »Leitlinien zur Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden« als Anlage zum Abschlussbericht des Runden Tisches »Sexueller Kindesmissbrauch«)« (Kultusministerkonferenz, 2013, S. 4).
Die im Zitat erwähnten »Leitlinien zur Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden« empfehlen wiederum, die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich einzuschalten und nur in wenigen Ausnahmefällen davon abzusehen. Als Ausnahmen benennt die Leitlinie...
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