Schweitzer Fachinformationen
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Ursprünglich hatte er sich alles ganz anders vorgestellt.
Er hustete, hielt sich dabei am Geländer fest und lief die Treppe hinunter. Nach wenigen Stufen blieb er stehen. Atmete hastig und schnell. Schloss dabei die Augen. Mit der linken Hand griff er sich mit gespreizten Fingern an die Brust. Als könnte er sich durch diese Geste beruhigen. Doch es half nicht.
Er atmete stoßweise. Kurz darauf sammelte er sich.
Dunkelheit.
Er senkte die Schultern. Sein Kopf fiel leicht nach vorne. Instinktiv balancierte er seinen Körper, um den Halt nicht zu verlieren. Seine Beine sollten ihn tragen. Noch. Bläute er sich ein. Nicht stürzen! Nicht schlappmachen! Zumindest so lange, bis er auf dem Lehmboden unten ankäme. Sicher ankäme.
Dem feuchten. Dem kalten.
Dann würde er sich an einem der umstehenden Eichenfässer abstützen. Festhalten. Sanft auf den Boden gleiten lassen.
Das Brennen wurde stärker, breitete sich ringförmig an seiner Seite aus. Er seufzte. Stöhnte.
Der mittelgroße Mann stand gekrümmt da. Wie verwundet. Er versuchte, sich zu konzentrieren. Langsamer einzuatmen. Ruhiger zu werden.
Irgendwie gelang ihm das. Zumindest hatte er den Eindruck, dass es ihm guttat. Als er die Augen wieder öffnete, war es jedoch anders. Nichts hatte sich verändert. Nichts, was ihn vorher aufgewühlt hatte, hatte an Bedeutung verloren.
Aber das steht doch nicht dafür!, durchbohrte es seine Gedanken. Vor allem nicht nach diesen vielen Jahren. Als sie da plötzlich alle vor ihm standen, kehrte sie zurück: diese Sprachlosigkeit, diese Gelähmtheit, diese Angst vor ihnen.
»Das war einmal! Jetzt nicht mehr!«, raunte er beschwörend vor sich hin.
Der Raum um ihn herum wirkte düster. Seine Augen hatten sich noch nicht an das Dunkel im Weinkeller gewöhnt. So wie seine Seele sich nie an sie alle gewöhnen würde. »Nie!«, stöhnte er leise vor sich hin.
Hierher war er geflüchtet. Vor ihnen. Wie früher. Da war der Keller noch nicht abgesperrt gewesen. Hatten nicht so kostbare Weine hier drin gelagert. Doch heute war er offen.
Heute am Tag des Weins. Der Weinprämierung. An dem Tag, der auch den Auftakt zur kommenden Weinlese darstellte. Mit allen, die hierhergekommen waren und mitfeiern wollten.
Das waren aber vor allem - sie.
Als er nach einer Weile wieder heraufkam, blickte er in eine bestens gelaunte Gesellschaft. Sie prosteten einander zu und warfen mit losen Trinksprüchen um sich. Niemand ahnte, wie ihm zumute war. Niemand wusste, dass er unten gewesen war. Niemand beachtete ihn. Er gehörte zwar zu ihnen, doch als wirklich zugehörig betrachtete er sich nie.
Er fühlte sich noch immer schwummerig. Die regelmäßigen Aufregungen hatten ihm auch diesmal zugesetzt. Irgendwann würde das ein Ende haben. Das schwor er sich. Bei diesem Gedanken wurde ihm leichter. Er blickte zurück. Danach begann er, sich langsam unter die Leute zu mischen.
»Ja, ist das eine Überraschung! Sigi, komm her zu uns!«
Ein schlanker grau melierter Mann mit attraktiver Begleitung an seiner Seite wandte den Kopf in jene Richtung, aus der jemand seinen Namen gerufen hatte. Sigis Blick fiel auf einen korpulenten Mann, der ihm heftig gestikulierend zuwinkte. Da er mit seiner Begleitung gerade erst gekommen war und keinen ihm sonst Bekannten ausgemacht hatte, steuerte er die kleine Gruppe um jenen Mann an. Auch die Übrigen hatten inzwischen aufgehört zu sprechen und wandten sich interessiert dem Herbeigerufenen zu.
»Grüß dich, Alfi! Hab mir fast gedacht, dass ich dich hier treffen würde!« Sigi war seiner Begleitung vorausgegangen und hatte sich durch die Menge der umstehenden Gäste des bekannten Weinguts durchgearbeitet. Während des letzten Schritts hielt er seinem Bekannten bereits die ausgestreckte Hand zum Gruß hin und legte die andere zugleich jovial auf dessen Oberarm. »Na sowieso bei so einem Ereignis!«, grinste er bestätigend.
»Darf ich bekannt machen: Martina, meine Frau.« Alfi präsentierte eine Frau mit frisch vom Friseur geföhnter Lockenpracht, die elegant ihre Hand hob und die blonde Mähne verwegen zurückwarf. Sigi verneigte sich vor ihr und deutete einen Handkuss an.
Danach drehte er sich zur Seite, um endlich seine Begleitung neben sich zu platzieren. »Darf ich vorstellen: Frau Karnikoff. Und das ist Alfi Schlieringer, Spitzenfunktionär des niederösterreichischen Weinbauverbunds.«
»Olga Karnikoff«, vervollständigte die eben Vorgestellte ihren Namen. Sie war eine schlanke, groß gewachsene Frau mit geglätteten und blond gesträhnten Haaren. Alle nickten freundlich.
»Ich freue mich, Sie kennen zu lernen. Einiges habe ich ja bereits über Sie gehört. Dass Sie jetzt ein halbes Jahr hier sind und beruflich schon viel erreicht haben.« Alfi drückte ihre Hand und nickte anerkennend, fast salutierend. Beide Frauen begrüßten einander verspätet ebenfalls per Handschlag und mit einem breiten Lächeln. Die ausgiebigen Höflichkeitsfloskeln und Vorstellungsrituale der Männer amüsierten sie sichtlich.
Ein junger Kellner vom Catering-Service ging mit einem Tablett an ihnen vorbei, was Alfi Schlieringer dazu nützte, vier Weingläser untereinander aufzuteilen. »Herrlich, so ein kalter Riesling!«
»Es ist aber noch nicht der heute prämierte Kamptal DAC Riesling Reserve 2017. Der kommt später, nach der Prädikatsverteilung!«, flüsterte Alfi Sigi lächelnd zu.
»Da kommt Freude auf! Dank des Erfolgs vom Loisl.« Alfi Schlieringer hob das Glas und prostete seinen Geschäftspartnern zu.
»Es ist nicht nur ein erfolgreiches, sondern auch ein ansehnliches Weingut«, stellte Olga Karnikoff nach dem ersten genussvollen Schluck fest.
Mit einem Blick musterte sie den großen Innenhof mit mehreren prächtigen Holztoren, die alle geschlossen waren. Nur eines davon stand offen und führte in eine Halle, wo man von außen bereits riesige Stahltanks sehen konnte.
»Ja, der Hof ist so schön, weil die Frau vom Loisl, also dem Alois, dem Besitzer vom Hof, einen grünen Daumen hat. Ihr seht's ja die Blumenrabatten an der Fassade des alten Weinbauernhofs und dort die Blüteneinfassung.« Martina wies in die Mitte der Anlage. Sehen konnte man fast nichts, da viele Gäste davorstanden.
»Ich wundere mich sowieso, dass die Arbeiter vom Weingarten mit den großen Maschinen nicht schon hineingetuscht sind«, ergänzte die Ehefrau eines anderen Weinbauers.
»Geh, was sagst denn da! Das schaut sich doch jeder gerne an. Die passen auf, dass nix passiert«, quietschte die Blondine mit Mickey-Mouse-ähnlicher Stimme.
Ein schrilles Lachen konterte von der schräg gegenüberliegenden Seite des Hofs. Ein Teil der Gäste blickte in die Richtung, wo die Stimmungskanone zu stehen schien. Eine auffällig gekleidete Frau mittleren Alters zog offenbar als Alleinunterhalterin eine ganze Runde in ihren Bann. Nicht nur sie, auch die Übrigen bogen sich vor Lachen. Die gute Stimmung übertrug sich bald auf alle Umstehenden und der Geräuschpegel im Hof schwoll beträchtlich an.
»Also Walli, was du immer siehst und wie du die Leute nachahmen kannst, das ist schon sehr böse!«
Die Genannte musste sich selbst erst die Tränen vom Lachen aus den Augen streichen. Sie machte das gekonnt mit der Rückseite des Zeigefingers. Dabei gab sie acht, das kunstvoll aufgelegte Make-up nicht zu verwischen, was ihr routiniert gelang. »Na, und wenn ich euch sage, genau so war's?«
Der Lachorkan schwoll nochmals an.
»Die Karner, meine Nachbarin, und Gott sei Dank gibt's nur eine neben mir, steht doch tatsächlich direkt am Zaun und schaut durch ihre schütteren Thujen zu mir herüber. Dabei glaubt sie, ich sehe sie nicht. Ich hab nach fünf Minuten so getan, als wäre irgendein Maulwurf am Werk. Bin dann von meiner Terrasse direkt zum Zaun gestürmt und habe geschrien: >Husch, husch<, dabei auf den Boden gesehen und mit den Händen Richtung Sybille Karner gewachelt. Daraufhin hat sie sich so erschreckt, dass sie quietschend über ihre eigenen Bodendecker gestolpert ist.« Eine Frau gleichen Alters sah zwar belustigt, aber doch etwas genervt aus. Walli bemerkte ihr Gegenüber: »Lena, es ist ihr eh nix passiert! Aber merken wird sie sich ihre ständige Indiskretion so vielleicht schon.«
»Geh, tu dir nix an. Die wirst du nicht ändern. Übrigens ist sie genauso neugierig wie du!«, grinste Lena Breitenecker amüsiert. »Du weißt eh, dass nur die ewig miteinander streiten, die einander ähnlich sind. Andere stehen nämlich darüber. Also, ich mein: über den Dingen, du unduldsame Walli Winzer!«
Walli verdrehte verschmitzt die Augen und musste nochmals lachen. »Wenn ich daran denke, dass ich in den kommenden Wochen öfter in Wien sein werde als in Großlichten, leidet sie vielleicht schon an Entzugserscheinungen.«
»Wir werd'n uns hoit a bissl um sie kümmern, solang du weg bist«, meldete sich Mizzi Troger, die Obfrau des Dorfverschönerungsvereins von Großlichten, die heute mit ihrer Tochter Sandra gekommen war.
»Bitte auch noch, wenn ich wieder da bin! Da bleibt sie dann vielleicht nicht mehr so fixiert auf mich.«
»Du bist halt ihre direkte Umgebung. Eure Häuser stehen beide in der Seitengasse von der Hauptstraße und sind von den anderen Richtungen her ausschließlich von Äckern, Wanderwegen und Wäldern umgeben.«
»Na bitte! Schaut's, wer da kommt!«, amüsierte sich Lisa, Lenas Tochter, und rempelte ihre beste Freundin Sandra leicht am Oberarm. Beide kicherten.
Sybille Karner schlängelte sich mit ihrer Nichte...
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