Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Schneeflocken wirbelten durch die Luft. Viele in der Wiener City hatten dadurch gute Stimmung. Das jedoch war nicht der Grund allein.
»Frohe Weihnachten wünsche ich dir jetzt schon! Falls wir einander nicht mehr sehen sollten.«
Eine junge Frau mit Studentenrucksack winkte einem gleichaltrigen Mann zu, stieg danach auf ihr Fahrrad und fuhr los. Im vorweihnachtlich dichten Gedränge am Graben streifte sie einen älteren Herrn im feinen Wollmantel. Er lächelte erschrocken, entschuldigte sich, indem er die Hände schuldbewusst hob, und sah nochmals zurück zu seiner jüngeren Begleiterin. Offenbar konnte er sich nur schwer von ihr trennen. Die Frau lächelte verhalten, zeigte aber sonst keine Reaktion und blieb am Punschstand stehen.
Normalerweise wäre der Blick der modebewussten PR-Agentin Walli Winzer etwas länger am Outfit der attraktiven Frau hängen geblieben, um mit Kennerinnenblick festzustellen, welche Accessoires diese zum neuesten Modell von Isabel Marant trug. Doch dazu hatte sie keine Zeit mehr, denn ihre Hände waren voll mit Taschen und Weihnachtspaketen. Langsam, aber sicher begannen die Tragegriffe sie in die Handflächen zu schneiden. Außerdem grübelte sie, was sie obendrein ablenkte. Denn ihr fehlte das letzte Darüber-Streusel in Form eines originellen Geschenks für Lena. Bei ihr und deren Familie würde sie am Weihnachtsabend eingeladen sein. Das Hauptpräsent hatte sie schon gefunden. Aber irgendetwas Kleines schwebte Walli zusätzlich für ihre beste Freundin seit Jugendtagen vor. Etwas, das nicht unbedingt kostbar war. Doch bereits während sie das Geschenk auspackte, sollte es deren Herz erwärmen.
Walli Winzer drückte sich an einigen Schaufenstern die Nase platt. Danach kam sie an einem Infostand für Spenden zur »Rettung des Regenwalds« vorbei. Da sie Lena wirklich gut kannte, wusste sie, dass so etwas das Richtige für sie sein würde. Walli spendete einen beträchtlichen Betrag, der die Mädchen am Infostand erst einmal aufschauen ließ. Danach machte sie sich auf den Weg, zufrieden, für die Welt und somit für Lena einen sinnvollen Beitrag geleistet zu haben. Sie wusste, dass die einstige Lehrerin in Wien gerne ökologische und soziale Bausteine verantwortete, und freute sich, so in ihrem Sinn gehandelt zu haben.
Jetzt blieb Walli sogar ein bisschen Zeit, eventuell noch etwas für sich selbst zu finden. Das ging zwar weniger in diese Richtung. Doch indem man die Wirtschaft durch Einkäufe belebte, würde man auch Gutes tun können, indem . indem - augenblicklich fielen ihr keine wirklich passenden Argumente ein. Oh ja, indem man in der Gesellschaft die Existenz aller sichern könnte. So ginge es nämlich auch. Puh! Also, derzeit besonders einiger. Ähm, eher einiger Weniger, dachte man an die vielen Konzernriesen, deren Aktionäre weltweit praktisch alles unter sich aufteilten. Wie in einem Pyramidenspiel vereinten sie viele Firmen unter einer mächtigen, meist unbekannten Dachmarke.
Gut, mit dem Weltretten - obwohl Weihnachten nahte - wollte es die PR-Lady jetzt auch nicht übertreiben. Der Nachhaltigkeitsgedanke hielt sie dann aber doch davon ab, in die Fashion-Meile Goldenes Quartier in der Tuchlauben einbiegen zu wollen.
Ein kleines Brötchen mit einem Glas Sekt im Schwarzen Kamel, einer der ältesten kulinarischen Institutionen und besonderes Juwel der Wiener City, lockte sie da schon eher. Sie stellte ihre Taschen unter einen Bistrotisch auf der Straßenseite und beobachtete die Umstehenden.
Es war mitten am Nachmittag und wie meist viel los. Trotzdem kamen hier ausschließlich Menschen zusammen, die sie nicht kannte. Das war sonst keineswegs so. Denn als Fachfrau für Public Relations, also Öffentlichkeitsarbeit, traf sie sonst Bekannte an fast jeder Ecke in Wien. Doch die meisten von ihnen waren offenbar zu Weihnachtsfeiern geladen und daher beschäftigt.
Sie hingegen hatte sich vorgenommen, heuer einmal so richtig ruhige und stimmungsvolle Weihnachten erleben zu wollen. Abseits von all dem Trubel. In der Stille und Abgeschiedenheit des Waldviertels. Mit Schnee, Nadelwäldern und friedliebenden Menschen, die an gemütlichen Adventnachmittagen noch gemeinsam buken oder selbst Weihnachtsschmuck anfertigten. Sie stellte sich vor, dass die Waldviertlerinnen und Waldviertler dazu Glühwein tranken und Weihnachtslieder sangen.
Na gut. Das wusste auch Walli, dass das wohl ein frommer Wunsch ihrerseits sein würde. Denn sogar im Waldviertel, der nördlichsten Region in Österreich, wo sie seit einigen Jahren ein renoviertes Schulhaus besaß, war mittlerweile die neue Zeit angebrochen und zog nicht nur die Jugend in ihren Bann. Was sie sich in ihrer Wunschvorstellung zusammenreimte, war wohl nur noch die blasse Erinnerung an die gute alte Zeit, die sie allerdings durch den Mangel allen Lebenskomforts und gesellschaftlicher Offenheit so sicher nicht wieder erleben wollte. Doch manche Brauchtümer sollten nicht völlig in Vergessenheit geraten, dafür hatte selbst die PR-Expertin einiges übrig. Vieles davon hatte schließlich den Charakter einer Gegend geprägt. Und Weihnachten hatte immer etwas mit Nach-Hause-Zurückkehren zu tun. Zu dem, was einem vertraut war. Das einem behagte.
Ein Weihnachtsmann in roter Robe und weißem Rauschebart rasselte plötzlich mit einem Glöckchen laut vor ihrer Nase. Dabei schwenkte er seinen Korb mit Geschenkbons für das angrenzende Goldene Quartier. Walli Winzer versuchte zu entdecken, wer hinter der Verkleidung steckte. Doch beim besten Willen konnte sie nichts ausmachen. Es war auch nicht zu erkennen, ob Mann oder Frau. Die weiße Lockenpracht verhüllte den Großteil des Gesichts, der Rauschebart den Rest. Die Größe war indifferent.
Da der Weihnachtsmann die vielen Geschenktaschen um Walli herum sah und merkte, dass sie ihm Aufmerksamkeit schenkte, fühlte er sich aufgefordert, zu ihr kommen. Er begrüßte sie freundlich und legte ihr einen der Bons sowie ein Weihnachtskonfekt auf den Tisch. Walli lächelte, sprach einige Dankesworte und genoss es, gemeinsam mit dem Stimmungsbringer im Mittelpunkt zu stehen.
Ja, so etwas war ein kleiner Ausflug ins globale Weihnachtswunderland, der Spaß machte. Sogar im Kitsch einte er alle Menschen in ihrer Freude. Was durchaus seinen Reiz hatte, wie sie für sich feststellte. Ein sanftes Lächeln huschte über ihr Gesicht, während sie dem Weihnachtsmann ein paar launige Worte mit auf den Weg gab. Sie hatte das Gefühl, dass sich dadurch auch die Stimmung ihrer Umgebung hob.
Walli biss vom Brötchen ab, das man ihr inzwischen gebracht hatte, und nahm einen Schluck Sekt.
»Darf ich mich zu Ihnen stellen?«, fragte ein junger Mann. »Ich finde es köstlich, was Sie dem Weihnachtsmann da eben geantwortet haben.«
Walli Winzer schmunzelte und nippte erneut von ihrem Glas. »Na ja, wenn's doch wahr ist«, zeigte sie sich selbst noch amüsiert. »Als alter Herr trägt er doch ziemlich viel mit sich herum. Wie schafft er das in seinem Alter, die ganze Welt in nur einem Tag zu bereisen? Ich wollte einfach seine Anti-Aging-Formel wissen.«
»Ich glaube, ab einem gewissen Alter verlieren sich die Jahre sowieso wie von selbst.« Der attraktive Unbekannte platzierte sich neben Walli und blickte wie sie zur Straße hin. Beide schauten dem Weihnachtsmann nach, der flink und unbeschwert seine Bons an Passanten verteilte. »Da hat es das Christkind doch viel leichter als er.«
Walli lachte hell auf. »Das kann ich mir genauso schwer vorstellen. Es wurde eben erst geboren und besucht noch am selben Tag die ganze Welt. Wie sollte das gehen?«
»Der Funke von Liebe und Fürsorge füreinander ist doch eine Sache des Augenblicks. Und Sympathie entsteht laut Psychologie bekanntlich innerhalb von nur zehn Sekunden. Also, seine Reise in unsere Herzen funktioniert daher sofort.« Er sah Walli freundlich an und prostete ihr mit seinem Glas zu.
Walli erwiderte seine Geste. Die Leichtigkeit und der Charme des jungen Mannes gefielen ihr, weshalb sie das Gespräch auch launig fortsetzte.
Der Weihnachtsmann war inzwischen in Richtung des großen Innenstadtplatzes Am Hof verschwunden, daher gewann das Christkind im Gespräch wieder an Bedeutung.
»So ein unschuldiges Kind hat etwas Selbstloses, Entwaffnendes. Bei seinem Anblick tauen sogar die knorrigsten Typen auf, habe ich beobachtet«, spann Wallis Gegenüber den Faden gedanklich weiter und rückte näher an die Gesprächspartnerin heran.
Walli Winzer war das zwar nicht unangenehm, sie trat aber während des Talks ihrer angehenden Weitsichtigkeit wegen instinktiv einen Schritt zur Seite, um die Mimik des jungen Mannes besser lesen zu können. Dabei stieß sie mit dem Fuß an eine der Geschenketaschen, weshalb diese kippte. Sie bückte sich und richtete sie auf. Nachdem Walli hochgekommen war, sprach sie die Freude des Schenkens an und brachte somit den Weihnachtsmann wieder ins Gespräch ein. Dann meinte sie: »Wissen Sie, natürlich berührt so ein unschuldiges Kind. Noch dazu im Winter. In der Krippe. Umsorgt, aber doch zurückgelassen von allen. Von der Gesellschaft. Keine Frage das alles. Aber Sie haben recht: Mit diesem offenbar unscheinbaren Kapitel beginnt die Bedeutung des Christentums für die Welt. Aber es ging in dessen Geschichte leider wie so oft mehr um Struktur als um die Macht der Liebe. Und da, finde ich, spalten Religionen leider seit jeher die Menschheit mehr, als sie diese einen.«
»Hm. Da haben Sie schon recht. Aber wenn man wie ich mit dem Christkind aufgewachsen ist, möchte man es nicht missen. In der Vorweihnachtszeit wird man selbst wieder zum Kind. Glaubt bedingungslos ans Gute. An die Liebe. Ich erinnere mich...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.