Schweitzer Fachinformationen
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»Hallo, Nachbarin!«, gluckste eine schlanke Frau mittleren Alters in karierter Hose und hellbrauner langärmeliger Leinenbluse. Ihr blonder Pagenkopf war sorgfältig frisiert, sie schob sich ihre aufgekrempelten Hemdsärmel abwechselnd zurück.
Nein, bloß nicht, die hat mir gerade noch gefehlt!, dachte Walli Winzer noch völlig benommen vom Schrecken, den ihr der Schulterschlag zuvor bereitet hatte.
»Frau Winzer, Sie sind ja endlich wieder da! Aber sagen S', was machen Sie denn auf dieser Leiter. So ein altes Ding bringt einem ja noch den Tod! Ich muss schon sagen, man ist viel zu leichtfertig mit allem. Und wissen Sie schon, dass die meisten Unfälle zu Hause und im Garten passieren? Hab ich unlängst in einer TV-Show gehört.« Sybille Karner hielt kurz inne, um gleich darauf, ohne nur irgendeine Antwort abzuwarten, fortzufahren: »Sie haben es finanziell doch gar nicht nötig, auf so etwas zu steigen. Das kann für Sie doch ein anderer machen.«
Walli Winzer strich ihre bequeme Armani-Reisehose zurecht. Sie wandte sich ihrer Nachbarin zu, wollte das Wort ergreifen, kam aber nicht dazu.
»Hab dann bei der Moni im Lebensmittelgeschäft erfahren, dass Sie einige Wochen in Schweden sind. Wie war's denn da im hohen Norden?«, sprudelte es in einem fort aus der Karner. »Also ich wäre ja an Ihrer Stelle in den Süden gefahren.«
Walli blieb stumm und blickte sie ernst und abwartend an. Langsam setzte sie an: »Das hat sich so ergeben, und es war für mich genau das Richtige.«
»Na ja, wirklich erholt schauen S' nach der langen Zeit aber auch nicht aus. Obwohl, die Gesichtsfarbe ist schon ein bissl besser als sonst. Waren S' doch in der Sonne, gelt?«
Walli schwieg. Sie war davon überzeugt: Auch diese Situation würde irgendwann vorübergehen. Lammfromm, in seliger Erwartung, durch ihr Schweigen den ungebetenen Besuch zu verkürzen, wandte sie sich ab. Sie hatte allerdings die Rechnung ohne ihre Nachbarin gemacht. Unbeirrt von Wallis sonst ungewohnter Sanftmütigkeit setzte sie ihren Redeschwall fort.
»War ja kein Wunder, bei der Aufregung, die Sie gehabt haben. Einen Kriminalfall lösen. Und das fast allein. Passiert ja schließlich sonst nie etwas hier. Also, meine Gratulation nochmals im Nachhinein .«
»Ich danke Ihnen!« Schnell hakte Walli Winzer bei dieser Sequenz ein. »Wissen Sie, mir war einfach nach Tapetenwechsel, und ich wollte niemanden mehr sehen oder hören.«
»Das kann ich verstehen«, heuchelte Sybille Karner Anteilnahme, denn kurze Zeit später würde den Inhalt der Unterredung das ganze Dorf wissen - und das um einige fantasievolle Zusätze angereichert.
»Ich hab schon lange vorgehabt, einmal nach Schweden zu fahren. Irgendwie war das für mich immer mit der Vorstellung von Freiheit, schöner Landschaft und offenen Menschen verbunden. Da hab ich mir gedacht: Was hält dich davon ab, gleich dort hinzufahren?«
»Na, was Sie für ein Temperament haben! Ich müsste mich erst darauf vorbereiten. Man will ja auch was drüber wissen. Sich die Route anschauen, sich erkundigen, welcher der Seen in Schweden der schönste ist. Na, und mit der Unterkunft sollte es ja dann auch klappen .« Wie befürchtet, machte Nachbarin Karner keine Anstalten, zu reden aufzuhören - vor allem über sich. Walli blieb daher nichts anderes übrig, als in Karners Redefluss hineinzuplatzen: »Ich war auch fischen.«
Sybille Karner war vor Überraschung platt. »Was? Sie als Frau?!«, stieß sie hervor.
»Warum nicht? Auch wir Frauen brauchen einmal Ruhe. Vor allem ich. Schließlich habe ich mir Großlichten für mein Sabbatical ausgesucht. Ich muss wieder lernen, Stille auszuhalten und innerlich zu entspannen. Und ich kann Ihnen sagen, leicht ist das nicht. Und das Fischen auch nicht.« Walli lachte. »Vor allem dann, wenn man die meiste Zeit gar keinen fängt.«
»Und warum machen Sie's dann? Mich würde das ja anöden.«
»Tja, man sitzt, wartet und hat Zeit, sich alles rundherum anzusehen. Die Natur wieder einmal genauer zu beobachten. Es sind die kleinen Handgriffe beim Fischen, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auch zu wissen, die Leute um mich herum machen das Gleiche. Für die wie für mich zählt gerade nur der Augenblick.«
»Sie erzählen das, als wäre es eine Form der Meditation und kein Jagdsport.«
Walli lachte wieder. »In meinem Fall war es sicher so!«
Sybille Karner schaute überrascht. Sie wusste nicht genau, ob Walli Winzer sie jetzt auf den Arm nehmen wollte oder ob sie ihre Leidenschaft für die Natur und das Fischen tatsächlich entdeckt hatte. Sie beschloss, das nachbarliche Rätsel nicht weiter erkunden zu wollen. Es war ihr nämlich ehrlich gestanden im Großen und Ganzen egal.
Wumm! Ein Krachen war von Sybille Karners Haus her zu hören. Sie blickten hinüber und sahen eine junge Frau mit Kurzhaarfrisur, die beschwichtigend die Arme in ihre Richtung hob: »Alles in Ordnung!«, rief sie. »Mir ist nur die Leiter umgefallen!«
»Alles klar!«, rief Frau Karner hinüber. »Übrigens, das ist meine Nichte Anna Szabo, die mich mit einer Freundin besucht. Sie bleiben noch zwei Wochen.«
»Schön!«, entgegnete Walli. »Sie wirkt sympathisch.«
»Ja, ja, ähm .« Sybille Karner schien mit ihren Gedanken woanders zu sein.
Sie war schließlich nur herübergekommen, weil sie unbedingt eine Neuigkeit loswerden musste. Walli Winzer konnte ihr nichts mehr verderben, weil sie bereits selbst auf allem die Hand darauf hatte: »Also, wenn Sie mich mit einem interessant aussehenden Herrn am Vormittag in meinem Garten gemütlich frühstücken sehen, dann wundern Sie sich bitte nicht darüber.«
Walli war verdutzt. Als könnte sie tatsächlich noch irgendetwas verwundern. Und so etwas schon gar nicht. Im Gegenteil, dafür hatte sie immer etwas übrig und daher jede Art von Verständnis. Sie gab aber zu, neugierig zu sein, wer dieses Opfer Karners sein würde. Vor allem weil die Nachbarin dermaßen geschwätzig und anstrengend war, bedauerte sie den Gast bereits jetzt.
»Herr Pöcksteiner ist seit einigen Wochen morgendlicher Stammgast bei mir.«
»Aha. Kenne ich ihn?«, fragte Walli Winzer nach.
»Eben nicht. Deshalb bin ich ja zu Ihnen herübergekommen.«
Komm in die Gänge!, dachte Walli. »Kann ich irgendetwas für Sie tun?«, fragte sie scheinheilig. Sybille Karners Gesicht umgab dabei ein süffisantes Lächeln. Walli verspürte Unbehagen.
»Nichts, was ich nicht selbst besorgen könnte, im Gegenteil.« Ihre Mimik gefror zu einer steinernen Maske. »Ich wollte Sie nur ersuchen, dass Sie diese Zeit als Kaffeepause für unseren neuen Postboten betrachten, auch falls Sie schon auf Ihre Post warten sollten.«
»Neuer Postbote? Wieso? Was ist mit dem Nico?«
»Der Nico Salmer hatte um seine Versetzung nach Wien angesucht. Jetzt ist er dort. Und vor drei Wochen ist Walter Pöcksteiner aus Krems hierher gewechselt. Da hab ich mir gedacht, ich kümmere mich gleich ein bissl um ihn.«
Walli war irritiert. »Und warum ist der Nico weggegangen? Hat er vorher irgendjemandem etwas davon gesagt?«
»Nein, ich glaub nicht. Auch der Sepp Grubinger war überrascht. Aber der Nico hat das schon lange vorgehabt, hat er sich später erinnert.«
»Aha. Da bin ich aber weg«, versuchte Walli ihre wirkliche Betroffenheit gekonnt zu verbergen.
»Das ist, weil der Nico halt nie etwas red'. Aber er ist ja doch noch jung und möchte auch was erleben. Vielleicht verliert er dort seine Schüchternheit. Ein fescher Kerl ist er ja, aber mit den Frauen will's da in Großlichten mit ihm nicht klappen. Is halt ein bissl einsilbig, das Ganze, und viel verdienen tut er bei der Post ja auch nicht, dass das wettmacht.«
Walli räusperte sich. »Hm, jeder halt, wie er ist. Dafür gibt es auch wieder ganz andere so wie wir.«
Sybille Karner stellte sich ahnungslos: »Wie meinen Sie das?«
»Na, welche, die über jedes Thema einen Roman schreiben könnten.«
Nachbarin Karner drehte den Kopf kurz zur Seite, als würde sie in Erwägung ziehen, das Feld zu räumen. Sie blieb jedoch.
»Dabei war der Nico für mich immer so der richtige Großlichtener. Er und der Sepp: zurückhaltend, manchmal a bissl patschert, aber das Herz am rechten Fleck. Und immer war er mit dem Fahrrad unterwegs«, kommentierte Walli die Neuigkeit.
»Na gehen S', er is ja nicht aus der Welt. Seine Schwäche für Sie hat ja eh a jeder gwusst.«
»Was? Für mich?«, versuchte Walli auch ihre Sympathie für ihn zu verbergen.
»Na, aber sicher! Das hat man doch gsehen, wie er da so oft gstanden ist! Aber wenn er nix sagt .« Sybille Karner beobachtete Wallis Reaktion. Diese schien beklommen. Hatte sie sich doch noch gar nicht richtig bei ihm für seine Unterstützung bedanken können. Immerhin hatte er ihr vor wenigen Wochen das Leben gerettet, und sie war gleich darauf weggefahren. Aber er war ja nicht aus der Welt. Lebte jetzt nur etwa 120 Kilometer entfernt in Wien. Nächstes Mal, wenn er wieder nach Großlichten käme, würde sie ihn gleich aufsuchen.
Jetzt war Walli sowieso mit ganz anderem beschäftigt. Björn war in ihren Gedanken und okkupierte ihre Gefühle. Außerdem hatte sie gute Vorsätze gefasst und etwas ganz Neues vor.
Sie kam wieder zum Thema Sybille Karners zurück. Walli Winzer wusste natürlich, dass ihr die Nachbarin signalisierte, sich vom neuen Postboten fernzuhalten, was sie auch vorhatte: »Wissen S', ich hab überhaupt keine Zeit, mich um neue Leute zu...
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