Schweitzer Fachinformationen
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Tschaufen am Tschögglberg habe ich kennengelernt, als ich mit einer Gruppe von Freunden dort für ein paar Tage Urlaub machte. Es war im Jänner, die Gegend war in mystischen Nebel getaucht, aber die landschaftliche Pracht der Lärchenwiesen war dennoch beeindruckend. Als ich Ende Mai wiederkam, schien die Sonne, der Nebelvorhang war weg und die Fernsicht wunderbar. Man sah hinunter bis zum Kalterer See und nach Auer. Ein wunderbarer Tag, um gemeinsam mit Rosl Ladurner in die Vergangenheit Tschaufens zu blicken und neue Einsichten über diesen wunderbaren Ort zu gewinnen.
Der Pachthof Tschaufen war früher ein Jagd-und Schwaighof, seine Grundmauern stammen noch aus dem frühen Mittelalter. Das Anwesen gehörte zur Zollstation und zur Burg der Herren von Neuhaus, auch „die Maultasch“ genannt, weil hier Margarete „Maultasch“ von Görz-Tirol gern zu Gast war. Die Ruine dieser Burg schmiegt sich pittoresk an einen der Porphyrfelsen von Terlan. Um nach Tschaufen zu gelangen, muss man aber noch weiter hinauf, mehr als zehn Kilometer über eine kurvenreiche Strecke in Richtung Mölten. In Verschneid zweigt die Straße nach Tschaufen ab, am Siedlungsende beginnt die Forststraße, die man nur mit Ausnahmegenehmigung befahren darf. Droben am Salten eröffnet sich wie ein riesiges, gut geborgenes Nest auf dem Felsen eine Landschaft, die man beim Blick aus dem Tal nicht vermuten würde: Ein zum Teil dicht bewaldetes Plateau mit vielen Spazier-und Wandermöglichkeiten, dazwischen herrliche Wiesen und Weiden, wo im Frühjahr Enziane und Anemonen blühen.
Wenn man oben ankommt, hat man das Gefühl, das Tschaufenhaus sei verkehrtherum gebaut. Ist es auch in gewissem Sinn, jedenfalls ist seine Bauweise untypisch. Auf der Südseite gibt es nur wenige, kleine Fensteröffnungen, hier sind auch die Wirtschaftsräume untergebracht, die Zimmer mit den größeren Fenstern richten sich nach Norden aus. Und zwar deshalb, weil die Adeligen früher wegen des Schönheitsideals von nobler Blässe die Sonne mieden. Heute sitzen auf der Südseite die Gäste auf gemütlichen Bänken vor dem Haus, genießen die Sonnenstrahlen, die herrliche Aussicht auf die Umgebung und Rosls schönen Blumengarten, erfreuen sich an der vorzüglichen Küche und fühlen sich wie im Paradies.
Durch den alten Backofen, der zum Tschaufenhaus gehört, verlief früher die Gerichtsgrenze zwischen Mölten und Jenesien. Man konnte hier also Möltener-, Jenesier- oder ein gehaltvolles Mischbrot backen. Gleich neben dem Haus beginnen die Almwiesen, hier weiden die temperamentvollsten Kühe und Kälber, die ich je gesehen habe. Vielleicht rennen sie deshalb so gern in übermütigem Galopp, weil sie es gewohnt sind, gemeinsam mit Pferden zu grasen.
Die Haltung von Pferden hat auf dem Tschaufen Tradition. 1907 kauften Tschögglberger Bauern einem Schweizer Landwirt namens Valentin Gartmann den Hof ab und benützten ihn als Zuchtstation für die im Jahr 1904 gegründete „I. Haflinger Pferdezuchtgenossenschaft zu Mölten“. Sie belieferten mit den Pferden sogar das k.u.k.-Acker-bau-Ministerium. Aufgelassen wurde der Zuchtbetrieb nach dem Ersten Weltkrieg, als Südtirol zu Italien kam, die Almgenossenschaft ist allerdings nach wie vor sehr rührig. Sie sorgte für die Sanierung des Hauses und bestößt die Alm ab Mai mit Galtvieh und Pferden. Einen Reitstall gibt es auch, er gehört Rosls Tochter Ute Ladurner, die als Geländerittführerin hier schöne Ferienreitwochen für Kinder organisiert und auf Tschaufen außerdem für den landwirtschaftlichen Bereich und damit auch für die Kühe zuständig ist. Eva ist im Service des Gastbetriebs tätig, auch Friederike und Jakob helfen fleißig mit, Ari baut auf einem nahe gelegenen Feld Bio-Produkte für die Küche an und auch die Söhne Jörg und Veit schauen regelmäßig vorbei. So haben alle sieben Ladurner-Kinder und wiederum deren Kinder ein Nahverhältnis zum Hof, Tschaufen ist der Lebensmittelpunkt der Großfamilie geworden. Zu verdanken haben sie das ihrer „Mutter“ Rosl, die, wie sie sagt, ein wohlmeinendes Schicksal hierher geführt hat.
Als Rosl am 7. Dezember 1999 nach Tschaufen kam, um den Pachtvertrag zu unterschreiben, wusste sie: „Das ist ein Platz fürs Leben!“ Den Mann fürs Leben hatte sie damals schon lange in Christoph gefunden. Trotz der sieben Kinder half sie im gemeinsamen Sanitätshaus in Meran mit, aber ein großer Traum war noch offen. Sie hatte sich immer schon für Landwirtschaft und Tiere, insbesondere Pferde, interessiert und auf einem Bauernhof in Vöran eine kleine Jausenstation und einen Kinderreitstall aufgebaut. Auf Tschaufen gab es die Gelegenheit, einen solchen Betrieb eigenständig zu führen.
Christoph, selbst ein unternehmerisch denkender und interessierter Mensch, der später im Alter von knapp 60 Jahren neben der Arbeit für sein Sanitätshaus den Doktor der Soziologie abschloss, war einverstanden und wollte sie in ihrem Vorhaben unterstützen. Die Sache hatte nur einen Haken. Es war nämlich nicht lange her, da hatte Rosl zu Christoph gesagt: „Ich könnte mir noch einiges vorstellen im Leben, aber ein Gasthaus möchte ich nicht haben.“
Ein Gastbetrieb war allerdings auf Tschaufen dabei. Also stellte Rosl sich trotz ihrer Vorbehalte in die Küche und erwarb sich schon in den ersten Jahren einen Ruf als ausgezeichnete Köchin. „Es war gar nicht so schlimm wie ich dachte“, sagt sie. „Gekocht habe ich ja immer gerne, außerdem war ich das Kochen in großen Mengen bereits von der Familie gewöhnt, noch dazu kamen jedes Wochenende Bekannte oder Freunde, die sich mit uns zum Tisch setzten. Eh ich michs versah, führte ich ein richtiges Gasthaus.“
Während Rosl mit ihrem jüngsten Sohn Jakob schwanger war, machte sie die Gastgewerbeprüfung, 2002 wurde mit der Sanierung des Hauses begonnen, Gastbetrieb und Reitstall florierten, Tschaufen wurde als Ausflugsort immer bekannter, da geschah ein Unglück. Es war am 12. Februar 2003, kurz nach Einbruch der Dunkelheit. Rosl hatte gerade in der alten Mühle, die der Familie als Ausweichquartier während der Sanierungsarbeiten diente, Nudelwasser aufgestellt, da bekam sie einen Anruf von einer ihrer Töchter. Diese hatte vom Tal aus einen Feuerschein auf Tschaufen gesehen. Tatsächlich stand das eben erst von Grund auf renovierte Haus in Flammen. Arbeiter hatten zum Trocknen des Estrichs den Stubenofen eingeheizt, das ausgebreitete Nylon erhitzte sich und fing Feuer. Vier Feuerwehren aus der Umgebung konnten das Tschaufenhaus nicht retten. „Am nächsten Morgen sah es aus wie ein bizarrer Eispalast, weil es in dieser Nacht frostig kalt war und das Löschwasser fror“, erinnert sich Rosl.
Nur die starken mittelalterlichen Grundmauern waren noch übrig, alle Sanierungs-Investitionen umsonst, die Mitglieder der Genossenschaft verzweifelt und ratlos. Einige Bauern wollten aufgeben, andere ein Fertigteilhaus errichten. Rosl war auch verzweifelt, aber sie bewies mehr Weitblick. „Das alte Haus hatte eine wunderbare Atmosphäre, in einem Fertigteilhaus hätte ich mich nicht wohl gefühlt.“ Es gelang ihr, die Bauern davon zu überzeugen, dass es die Mühe wert war, das Haus noch einmal aufzubauen.
Großfamilie Ladurner, zumindest ein Teil davon.
Foto: Gabriel Tschöll
Da die Küche auch niedergebrannt war, gab es während der neuerlichen Sanierung eine Zeit lang auf Tschaufen keinen Gastbetrieb. Ein Wirt aus der Umgebung wollte die Chance nützen und Rosl als Köchin abwerben. „Damals habe ich erst so richtig gemerkt, dass den Leuten an meiner Küche etwas liegt. Da habe ich mir gedacht, dann kann ich gleich auf Tschaufen bleiben und kochen. Ich ließ mir eine Holzhütte aufstellen, habe eine einfache Küche darin eingerichtet und gegen Süden hin alles verglasen lassen wie in einem Würstelstand. Es waren sehr schöne Monate, denn ich hatte viel mehr Kontakt mit den Gästen als zuvor, außerdem hatte ich beim Kochen eine wunderbare Aussicht auf den Kalterer See!“
Auch das Tschaufenhaus nahm inzwischen Form an und wurde wieder heimelig. Vor der Sanierung hatte Rosl die alte Täfelung aus dem Jahr 1894 aus den oberen Zimmern entfernen lassen und sie aufbewahrt, damit wollte sie nun die Stube auskleiden. „Was willst du denn mit dem alten Getäfel?“, fragten die Bauern. „Das eignet sich höchstens noch zum Zerhacken!“ Aber Rosl blieb hartnäckig und am Ende gaben ihr die Zweifler recht: „Das hätten wir uns nicht gedacht, dass das so schön aussieht!“, sagten sie.
Rosl, die Seele von Tschaufen, legt viel Wert auf einen achtsamen Umgang mit der Natur und mit ihren Mitmenschen. „Wir dürfen aber auch das Wissen um die Vergangenheit nicht verlieren“, sagt sie. „Mich hat es immer interessiert, wie meine Vorfahren lebten, oder die Menschen, die hier auf Tschaufen wohnten.“
Das Tschaufenpaar Rosl und Christoph.
Einer von ihnen, der...
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