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Für Christen ist Jesus von Nazareth das Vorbild für alle Menschen. Ihm sollen sie nachfolgen, das heißt, sie sollen so leben wie er. Ein solches Vorbild kann Jesus nur sein, weil er nicht nur Gottes Sohn war, sondern auch ein Mensch. Und wir Menschen sind im christlichen Verständnis nicht nur »Erdenwürmer«, sondern nach dem Bild Gottes geschaffene Wesen. Oder um es mit einem Bild des Apostels Paulus zu sagen - wir sind sehr zerbrechliche Gefäße, die einen ungeheuren Schatz in sich tragen.
Diese Spannung ist die Voraussetzung für eine Entwicklung. Auch Jesus von Nazareth hat sich im Laufe seines Lebens verändert und entwickelt. Auch er musste erst zu sich selber finden. Dreißig Jahre lang lebte er im Verborgenen in seinem Heimatdorf in Galiläa, bis er begann, herumzuziehen und seine Botschaft zu verbreiten. Aber auch schon in den Jahren davor gab es Hinweise, dass dieser Jesus mehr ist als ein Zimmermannssohn aus Nazareth. Der junge Jesus hat demnach in dem Bewusstsein gelebt, dass er etwas Besonderes ist und irgendwann der Durchbruch zu seinem eigentlichen Leben kommen wird. Aber wie lebte er mit diesem Wissen? War er ein Wunderkind oder ein ganz normaler Junge aus Galiläa?
Über das Kind und den Jugendlichen Jesus, der in seiner Sprache, dem Hebräischen, Joshua hieß, weiß man so gut wie nichts. Im gesamten Neuen Testament gibt es nur eine einzige Episode aus seiner Kindheit. Darin erzählt der Evangelist Lukas, wie Joseph und Maria eines Tages mit ihrem ältesten Sohn Joshua zum Passahfest nach Jerusalem reisten. Joshua war damals zwölf Jahre alt und stand kurz vor seiner »Bar Mizwa«, seiner religiösen Volljährigkeit.
Nach dem Fest brachen Maria und Joseph wieder zur Heimreise auf. Sie waren mit anderen Leuten aus ihrer Heimat nach Jerusalem gekommen, und wie schon bei der Hinreise liefen die Kinder voraus und schlossen sich während der langen Wanderung Freunden und Verwandten an. Darum machte sich Maria auch keine Gedanken, als Joshua beim Aufbruch nicht bei seinen Eltern war und sie ihn auch die folgende Zeit nicht zu Gesicht bekam. Erst als die Gruppe schon den ganzen Tag gewandert war und die Männer sich nach einem geeigneten Platz für das Nachtlager umschauten, begann Maria nach ihrem Sohn zu suchen. Doch der war nirgends zu finden. Keiner hatte Joshua gesehen.
Langsam wurde es zur Gewissheit, dass Joshua nicht in der Gruppe war und in Jerusalem zurückgeblieben sein musste. Maria und Joseph kehrten sofort um und kamen wahrscheinlich erst spät in der Nacht in Jerusalem an. Am nächsten Morgen begannen sie, nach Joshua zu suchen. Sie durchforschten die engen Gassen der Stadt und fragten in Gasthöfen und bei Straßenhändlern nach, ob jemand einen allein herumirrenden Jungen gesehen hatte. Doch niemandem war etwas aufgefallen. Enttäuscht und voller Sorge kehrten Maria und Joseph am Abend zu ihrem Schlafplatz zurück.
Auch der nächste Tag endete ergebnislos. Joshua war nicht zu finden. Am dritten Tag gingen seine Eltern zum Tempel. Hier waren sie mit Joshua während des Passahfestes gewesen. Joseph hatte mit Tempelgeld eine Taube gekauft und sie zum Altar vor dem Allerheiligsten gebracht, wo das Tier von Priestern dem Gott Jahwe geopfert worden war.
In den Seitenräumen des Tempels wurden zwölf- oder dreizehnjährige Jungen von Schriftgelehrten unterrichtet. Gruppen von jungen Leuten saßen da beieinander, vor ihnen ein Rabbi, der aus einer Schriftrolle vorlas und die Stellen erklärte. Als Maria und Joseph einen Blick in einen dieser Räume warfen, sahen sie, dass dort viele ehrwürdige Rabbis versammelt waren. Und inmitten dieser gelehrten Gesellschaft saß ihr Sohn Joshua und redete mit den Schriftgelehrten wie ein Erwachsener.
Maria und Joseph wussten erst nicht, was sie tun sollten, so verblüfft waren sie. Schließlich war es Maria, die ihre Fassung zurückgewann. Bei aller Erleichterung und Freude darüber, dass sie Joshua gefunden hatten, war sie auch verärgert über ihn. Während sie tagelang besorgt und verzweifelt nach ihm gesucht hatten, saß er seelenruhig im Tempel, diskutierte mit den Rabbis und schien seine Eltern vergessen zu haben. Ohne auf die hohen Herren zu achten, ging Maria zu ihrem Sohn und nahm ihn streng an der Hand. »Kind«, sagte sie zu ihm, »wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich überall gesucht und wären fast gestorben vor Angst.« Joshua aber schaute seine Mutter nur verwundert an und meinte: »Warum habt ihr mich gesucht? Ihr hättet doch wissen können, dass ich da bin, wo mein Vater ist.«
Weder Maria noch Joseph verstanden, was er damit meinte. Sein Vater war doch nicht im Tempel gewesen, sondern auf dem Heimweg nach Nazareth, ihrer Heimat? Aber Joshua hatte schon oft Dinge gesagt, die sich sehr rätselhaft anhörten. Und in seinem Leben waren auch schon einige Sachen passiert, die sonderbar waren. Seine Eltern mussten nur zurückdenken an seine Geburt, damals in dem Stall bei Betlehem, und an die abenteuerliche Reise nach Ägypten und von dort zurück nach Nazareth. Und deshalb zerbrachen sich Maria und Joseph nicht lange den Kopf über Joshuas seltsame Entschuldigung für sein Verhalten. Sie waren froh, ihn wiederzuhaben, und machten sich auf den Weg nach Hause, nach Nazareth in Galiläa.
Die Geschichte vom zwölfjährigen Jesus im Tempel ist, wie gesagt, die einzige Stelle in der Bibel, wo wir etwas aus der Kindheit des Mannes aus Nazareth erfahren. Alle weiteren Berichte über ihn setzen erst ein, als er begann, herumzuwandern, Jünger um sich zu sammeln, Wunder zu wirken und seine Botschaft zu verbreiten - und da war er schon um die dreißig Jahre alt. Von alledem, was er als Kind, als Jugendlicher und junger Erwachsener getan und erlebt hat, wird nichts berichtet. Trotzdem kann man sich ungefähr vorstellen, wie das Leben des jungen Jesus ausgesehen haben muss.
Galiläa, das Land, in dem Joshua aufwuchs, war, anders als die Gegend um Jerusalem, sehr fruchtbar. Die Wiesen waren grün und im Frühjahr übersät von Blumen. In den Bächen gab es Fische und Schildkröten, und auf den Bäumen bauten Störche ihre großen Nester. Galiläa, das hieß wörtlich übersetzt »Land der Völker«, weil dort Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen lebten: Phönizier, Araber, Syrer und Griechen. In den großen Städten galten die Leute aus Galiläa als zurückgebliebene Bauern. »Dumm wie ein Galiläer«, sagte man, wenn man sich über einen beschränkten Hinterwäldler lustig machte.
Nazareth, wo Joseph mit seiner Familie lebte, war ein kleines Nest. Immerhin gab es eine Quelle, wo Karawanen Rast machten und mit deren Wasser die Tiere getränkt und die Felder bewässert werden konnten. Der Ort lag auf einem Hügel. An einigen Stellen waren Höhlen in die Abhänge gegraben, die als Vorratskammern für Lebensmittel und teilweise auch als Wohnung dienten. Die normalen Häuser sahen alle gleich aus. Es waren Hütten aus Steinen und Lehmziegeln mit nur einem Raum, der spärlich eingerichtet war. In einer Ecke war die Herdstelle, wo gekocht wurde, und als Betten dienten Matten, die auf dem Boden ausgebreitet waren. Das flache Dach gehörte sozusagen noch zum Wohnraum: Auf einer Leiter oder über eine Treppe konnten die Bewohner hinaufsteigen, um dort in den heißen Sommernächten zu schlafen. Das war nicht ganz ungefährlich. Wenn jemand einen unruhigen Schlaf hatte und sich herumwälzte, konnte es passieren, dass er vom Dach fiel und sich den Hals brach.
In den sogenannten apokryphen Schriften, also jenen Berichten und Legenden, die nicht ins Neue Testament aufgenommen wurden, gibt es noch weitere Geschichten über den jungen Jesus, die allerdings wenig glaubwürdig sind. Da wird etwa erzählt, wie das Kind Jesus mit seinen Freunden auf dem Hausdach spielte, bis einer der Jungen namens Zenon nicht aufpasste und herunterstürzte. Er blieb tot liegen. Vor Schreck liefen alle Kinder davon, nur Jesus blieb zurück. Als die Eltern des verunglückten Jungen kamen, beschuldigten sie Jesus, er sei schuld am Tod ihres Sohnes, er habe ihn gestoßen. Da sprang Jesus vom Dach und befahl Zenon, er solle wieder aufstehen. Der Junge erhob sich tatsächlich und sprach Jesus von jeder Schuld frei. Zenons Eltern warfen sich daraufhin vor Jesus nieder.
Diese Geschichte aus den apokryphen Schriften stammt von einem gewissen Thomas und ist lange nach dem Tod Jesu entstanden, als es schon viele christliche Gemeinden gab. Zu dieser Zeit, etwa 200 n. Chr., wuchs das Bedürfnis, mehr über das Leben des Jesus von Nazareth zu erfahren. Vor allem über seine Kindheit, über die man so gut wie gar nichts wusste. Also dachte sich jener Thomas Geschichten über Jesus aus, wie er ihn sich vorstellte. Er glaubte daran, dass Jesus von Nazareth der Erlöser, der Sohn Gottes war. Demnach müsse er auch schon in seiner Kindheit etwas Besonderes gewesen sein. Bei Thomas ist Jesus kein normales Kind, sondern ein Wunderknabe, der übermenschliche Fähigkeiten hat. In einer dieser Geschichten formt er aus Lehm Vögel, die lebendig werden und davonfliegen. Ein andermal stört ihn ein Kind beim Spielen und zur Strafe dafür lässt er den Jungen verdorren wie einen alten Baum.
Kein Wunder, dass die Eltern, Joseph und Maria, in den Thomas-Geschichten mit ihrem Kind viel Ärger haben. Dauernd beschweren sich die Leute im Dorf bei Joseph über seinen Sohn, weil er Leute, die ihm zuwider sind, in Böcke verwandelt oder blind werden lässt. Joseph zieht Jesus kräftig am Ohr und fordert ihn auf, mit diesem Unsinn aufzuhören, weil er sonst noch das ganze Dorf gegen die Familie aufbringt. Mehr fällt ihm auch nicht ein. Immerhin kann Jesus,...
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