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Es gibt Sätze, die nur von Hardgainern kommen können. Dieser hier zum Beispiel: »Ich kann essen, was ich will - ich nehme einfach nicht zu.« Auch wenn du mit dieser Aussage auf ein Problem hinweisen willst, das dich belastet, Mitleid bekommst du in der Regel nicht dafür. Eher ein Augenrollen von deinem Gegenüber oder ein schnaubendes Lachen. Denn für die meisten anderen Menschen klingt der Satz wie blanker Hohn. Viele sind sogar regelrecht neidisch auf deinen Turbo-Stoffwechsel, der offenbar Kalorien verheizt wie ein Hochofen und den Körper quasi zur Fettpolster-freien Zone macht. Du bist zu schlank - was für ein ein Luxusproblem! Zugegeben, heutzutage ist der Hang zum Untergewicht tatsächlich eher von Vorteil, doch das war lange nicht der Fall.
So hart es auch klingt: Von der Steinzeit bis in die jüngere Vergangenheit hatten Hardgainer schlechtere Überlebenschancen. Nahrung war in der Menschheitsgeschichte ohnehin fast immer ein knappes Gut, und in Zeiten von Dürre, Krieg, Pandemien oder anderen Krisen gab es zudem regelmäßig Hungersnöte. In solchen Phasen hatten (und haben) diejenigen Vorteile, deren Organismus genetisch bedingt Lebensmittel besonders effektiv verwertet und schnell Fettreserven anlegt. Davon lässt sich relativ lange zehren, wenn einfach nichts Essbares aufzutreiben ist, denn Fett ist ein unfassbar guter Energiespeicher.
Was viele nicht wissen: In 1 kg der Glibbermasse Fett stecken ungefähr 7000 Kalorien - das ist genügend Power für eine Tour-de-France-Etappe durch die Alpen. Oder eben für die nächste Hungersnot.
Vom Glück, ein Hardgainer zu sein
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Vom Glück, ein Hardgainer zu sein
Inzwischen leben wir in Zeiten des Überflusses - und Übergewicht ist in unserer Gesellschaft deutlich verbreiteter als Untergewicht. Nach Informationen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind hierzulande 59 Prozent der Männer und 37 Prozent der Frauen übergewichtig. Ein krasser Wert, oder? Untergewichtig sind dagegen weniger als 2 Prozent der Bürger. Das zeigt: Längere Hungerphasen kennt der durchschnittliche Mitteleuropäer höchstens von Diäten oder Fastenkuren, die Hardgainer absolut nicht nötig haben, weil ihr Körperfettanteil in der Regel vergleichsweise niedrig ist - bei Männern liegt der häufig zwischen 8 und 12 Prozent, bei Frauen unter 20 Prozent.
Für den Muskelaufbau hat das auch Vorteile:
Hardgainer bauen eher schlanke Muskelmasse auf, weil sie nicht so schnell Fett ansetzen.
Durch den niedrigen Körperfettanteil kommen Muskeln optisch besser zur Geltung.
Hardgainer machen optisch einen durchtrainierten und sportlichen Eindruck.
Achtung, zu niedrig sollte der Körperfettanteil jedoch nicht sein: Ab einem Wert von unter 5 Prozent wird's ungesund, auch wenn das Sixpack dann prima zu sehen ist. Gewisse Fettreserven sind nicht nur für die Energieversorgung der Muskeln und Organe wichtig, sondern auch für ein schlagkräftiges Immunsystem und einen funktionierenden Metabolismus (Stoffwechsel).
Gibt es Menschen mit Turbo-Stoffwechsel?
Genieß die Jahre, in denen du gefühlt alles essen kannst, ohne einen sichtbaren Bauchansatz zu entwickeln. Während der Pubertät ist der Stoffwechsel primär auf das Wachstum in die Höhe ausgelegt - Hormone wie Testosteron und das Human Growth Hormone (HGH) lösen in unregelmäßigen Abständen Wachstumsschübe der Knochen und Muskeln aus, was viel Energie in Form von Kalorien kostet.
Junge Männer wachsen teilweise noch mit Anfang 20. Weil die neu aufgebaute Knochenmasse sich ungefähr bis zum 25. Lebensjahr verdichtet, bleibt die sogenannte Stoffwechselrate weiter hoch. Dieser Wert wird auch als Resting Metabolic Rate (RMR) bezeichnet und gibt an, wie viele Kalorien du im Ruhezustand verbrauchst (die Formeln zur Berechnung deines persönlichen Grundverbrauchs findest du im Kapitel Richtig essen (ab Seite 30).
Einer Studie der University of Vermont (USA) zufolge ist die Stoffwechselrate nicht nur von Faktoren wie Lebensalter und Geschlecht abhängig, sondern zu einem gewissen Teil auch von unserer genetischen Veranlagung. Gibt es sie, die Menschen mit erblich bedingtem Turbo-Stoffwechsel? Die Antwort lautet: offenbar ja, aber sehr selten.
Die Standardabweichung von der durchschnittlichen Stoffwechselrate (ca. 2000 Kalorien pro Tag) liegt innerhalb der Bevölkerung bei 5 bis 8 Prozent, die Abweichung kann aber locker auch bis 16 Prozent reichen. Demnach unterscheidet sich der tägliche Grundverbrauch bei den meisten Menschen um plus/minus 150 bis 300 Kalorien. Bei einigen wenigen Menschen ist die Stoffwechselrate jedoch so stark erhöht, dass sie im Ruhezustand 300 bis 600 Kalorien mehr verbrauchen als andere Menschen. Betroffen sind den US-Forschern zufolge etwa 4 Prozent der Bevölkerung - Personen, die man getrost als genetisch benachteiligte Hardgainer bezeichnen kann (bei manchen kommt allerdings auch eine Stoffwechselerkrankung als Ursache infrage).
Hardgainer mit erblich bedingtem Turbo-Stoffwechsel sind also sehr selten, sodass davon auszugehen ist, dass Muskelaufbau-Mankos bei den meisten Menschen eher mit Trainings- oder Ernährungsfehlern zusammenhängen. Eine erhöhte Stoffwechselrate ist definitiv ein zusätzlicher Störfaktor für Muskelaufbau, allerdings schwer nachweisbar, weil die gängigen Formeln zur Berechnung des Grundverbrauchs den Faktor Genetik nicht berücksichtigen. Um einen genetischen Nachteil auszugleichen, hilft nur futtern, futtern, futtern - und die richtige Dosis des Wundermittels RHT. Die Abkürzung solltest du dir merken, sie steht für »richtig hartes Training«.
Wenn wir älter werden, verlangsamt sich unser Stoffwechsel mehr und mehr, was letztendlich auch unsere Körperzusammensetzung beeinflusst - ohne regelmäßiges Training verlieren wir schon mit Ende 20 kontinuierlich an Muskelmasse (etwa 1 Prozent Muskulatur pro Jahr), gleichzeitig steigt der Körperfettanteil in der Altersklasse Ü30. Das ist der natürliche Lauf der Dinge, der sich auch in der Körperfettwert-Tabelle des American Journal of Clinical Nutrition widerspiegelt.
So lässt sich der Körperfettanteil bestimmen
Die Ermittlung des individuellen Körperfettanteils ist gar nicht so einfach. Experten empfehlen die sogenannte Bioelektrische Impedanz-Analyse (BIA), die manche Arztpraxen oder auch Fitnessstudios anbieten. Kostenpunkt: Je nach Anbieter zwischen 25 und 50 Euro. Für die BIA-Messung werden Elektroden an Hand und Fuß befestigt, um gezielt Stromimpulse durch den Körper zu leiten. Das tut nicht weh und dauert nur wenige Sekunden.
Die Idee dahinter: Weil Fett einen anderen elektrischen Widerstand hat als organische Masse, lässt sich durch den Stromstoß der Anteil von Körperfett und Muskelmasse errechnen.
Digitale Körperfettwagen für zuhause funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip, liefern aber nicht so präzise Ergebnisse wie die BIA-Messung. Preislich liegen die Geräte zwischen 30 und 90 Euro.
Schnell-Check: Bin ich zu dünn?
Wie das eigene Körpergewicht einzuschätzen ist, zeigt der Body-Mass-Index (BMI). Um den BMI zu berechnen, brauchst du einen Taschenrechner, den du mit folgenden Daten fütterst:
BMI = Körpergewicht in Kilogramm: (Körpergröße in Metern)2
Gewichtsklassifikation bei Erwachsenen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO):
BMI
Untergewicht
< 18,5
Normalgewicht
18,5 - 24,9
Übergewicht
< 25
Krankhaftes Übergewicht (Adipositas)
< 30
Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft Personen mit einem BMI unter 18,5 als untergewichtig ein. Wer einen höheren BMI bis 24,9 hat, gilt als normalgewichtig - Übergewicht beginnt ab einem BMI von 25. Allerdings ist dieser Wert bei Sportlern oft nicht aussagekräftig, weil Athleten verhältnismäßig viel Muskelmasse haben und deshalb mehr wiegen. Dadurch haben viele Sportler einen BMI über 25, obwohl sie nicht im klassischen Sinne übergewichtig sind.
Um deinen persönlichen Gewichtsstatus als Hardgainer einzuschätzen, ist der BMI aber sinnvoll. Untergewicht gilt es zu vermeiden, weil damit häufig ein Nährstoffmangel verbunden ist, und der kann zu unangenehmen Begleiterscheinungen wie Antriebslosigkeit, Konzentrationsproblemen und einer höheren Anfälligkeit für Infekte führen - ganz davon abgesehen ist Muskelaufbau mit Untergewicht kaum möglich. Falls dein BMI unterhalb von 18,5 liegt, solltest du die Ursache unbedingt von einem Arzt abklären lassen. Hormonelle oder organische Probleme können beispielsweise dahinterstecken, außerdem zu viel Stress, eine Essstörung oder eine genetische Veranlagung.
Im Internet, aber auch in sportwissenschaftlichen Fachbüchern, ist häufig sogar von...