Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Strike bemerkte sie: Babyspeck, Babygesicht, Shanelle oder Shanette, vielleicht vierzehn Jahre alt, stand da mit diesem gequälten Lächeln und versuchte, ihren ganzen Mut aufzubringen. Er sah weg, stellte sie sich in zwei Monaten vor, ohne Babyspeck, widerlich, noch ein Junkie mehr. Ihre unverhohlene Gier drehte ihm den Magen um, aber es war sowieso ein schlechter Tag für seinen Magen, angefangen von dem Traum letzte Nacht, wie seine Mutter am Fenster stand und ihn ansah, die Jalousien abwechselnd hochzog und runterließ und ihm damit irgendwas anzudeuten versuchte, dann weiter heute Morgen, als man ihn eine Stunde in der Stadtverwaltung warten ließ, bevor sich irgendjemand die Mühe machte, ihm zu sagen, dass sein Bewährungshelfer krank sei, dann Peanut diesen Nachmittag, der sich nicht an die Happy Hour hielt, und jetzt noch dieser dürre weiße Typ, der auf The Word zukommt und zwei Ampullen kaufen will, The Word, der zu Strike hinüberschaut, als wolle er sagen, >was soll ich machen<, Strike, der wegschaut und denkt, >du ziehst dein Ding allein durch, ich hab's dir gesagt<, und sein Magen glüht wie ein Stück Kohle, dass er sich am liebsten zusammenkauern würde, um den brennenden Schmerz zu lindern.
Strike saß auf der Rückenlehne seiner Bank, seinem Stammplatz, thronte drohend über einem Schwarm schreiender Kinder, schwangerer Frauen und zu vieler Mädchen, trank Yoo-Hoo mit Vanillegeschmack, um seinen Magen zu beruhigen, und beobachtete The Word, der sich auf die Schnelle was auszudenken versuchte. Der Weiße, ein hagerer Rotschopf, der einen mörtelverschmierten Arbeitsanzug und ein schwarzes Anthrax-T-Shirt trug, sah zu verkrampft und verängstigt aus, um Cop zu sein, aber man konnte nie wissen. Polizisten, die die Jungs von der Straße kassieren wollten, waren normalerweise Farbige oder zumindest Italiener, die auf Puerto-Ricaner machten, keine hinterwäldlerischen Weißen, und normalerweise gaben sie sich cool oder gemein, nicht nervös. Der Typ war wahrscheinlich wirklich ein Kunde, aber das war Sache von The Word - praktische Berufsausbildung.
Der Typ zog einen Zwanziger raus, für zwei Ampullen. Strike sah zu, wie The Word überlegte und überlegte und schließlich sagte: »Geh, mach ihn klein.« Strike schüttelte den Kopf: markierte Scheine, Himmelherrgott, die werden sich doch nicht die Mühe machen und markierte Scheine nehmen, um aus dem Kauf von zwei Ampullen von einem Fünfzehnjährigen einen Fall zu basteln. Ein Kind, das sie deswegen hopsnehmen, würde wahrscheinlich vom Jugendgericht zurückgeschickt werden und wäre wieder am Ball, bevor die Vorabendflaute vorbei war, gerade rechtzeitig für den Stoßverkehr, wenn richtig Not am Mann war.
Der weiße Typ nickte und trottete davon, suchte nach einem Lebensmittelladen, und die Zwanzig-Dollar-Note ragte aus seiner Faust wie eine Blume. Niemand würde sie ihm wegnehmen, solange Strike hier auf der Bank saß und die Yoo-Hoo-Flasche zwischen seinen Handflächen rollte, aber Strike wusste, wenn er mal pinkeln ging, würde der Typ mit frisch gezogenem Scheitel im Gras liegen. Rodney sagte immer: Die meisten Nigger hier draußen wollen das ganze Geld auf der Stelle. Sie schlachten die goldene Gans, den Dauerkunden, weil sie nicht in der Lage sind, über die nächsten zwei Minuten hinauszudenken. Ein Haufen Sneakerdealer: kriegen zehn Dollar, rennen los und kaufen sich dafür einen Zehn-Dollar-Ring.
So wie Peanut vorhin; versuchte, ein paar Mäuse extra zu machen, als er während der Happy Hour nur eine Ampulle für zehn verkaufte statt zwei. Bei jedem Zehnerpack machte er hundert statt fünfzig, dann gab er vierzig weiter und sackte sechzig ein, bis so ein Junkie zu Strike kam und sagte: »Ich dachte, es ist Happy Hour.« Jetzt sah Strike zu Peanut hinüber, der, zum Schmierestehen degradiert, an der Ecke schmollte und nach dem Fury Ausschau hielt, ein lahmer Zwanzig-Dollar-Job, keine Ampullen und keine Provision. Als er Peanut sah, der die wunde Stelle auf seinem Wangenknochen befühlte, fiel Strike in sein übliches Lamento: Sneakerdealer, Junkies, der Fury. Man kann niemandem trauen, also halt dir den Rücken frei und die Augen offen - 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr.
Strike suchte die Cañonschluchten der Roosevelt-Siedlung ab, dreizehn Hochhäuser mit Sozialwohnungen, zwölfhundert Familien verteilt auf zwei Blocks, und das Wohnungsamt gewährte dem Fury zur Observierung Zutritt zu allen leerstehenden Wohnungen, also wusste Strike nie, wann oder wo sie ihn überwachten. Er konnte nur jemanden abstellen, der sie dabei beobachtete, wie sie sich von hinten in ein Gebäude schlichen, jemanden, der »Fünf-Null« brüllte, damit keiner was Dummes anstellte, und dann hieß es abwarten, bis ihnen langweilig wurde und sie abzogen.
Der Fury - das waren nur eine Handvoll Polizisten, die in ihrem Plymouth Fury ein halbes Dutzend Siedlungen abzuklappern hatten - konnte sich nicht länger als eine Stunde verkriechen. Aber es war kein Geheimnis, dass André der Riese ebenfalls eine Observationswohnung hatte: 3A in der Dumont Street 14, das Apartment, das das Wohnungsamt nicht vermieten konnte, weil dort vor einem Jahr sechs Kinder und deren Großmutter bei einem Brand umgekommen waren. André hatte es auf die Drogenbande abgesehen, die auf der Dumont-Seite der Siedlungen arbeitete, anders als die im Fury, die es vorzogen, in Strikes Revier auf der Weehawken-Seite zuzuschlagen. Aber im Gegensatz zu ihnen war André ein frei operierender Knocko; er konnte überall und jederzeit auftauchen, und er konnte die Bänke von der Dumont aus wunderbar einsehen.
Die Clockers, die für Strike dealten, wurden nervös, wenn sie das Gefühl hatten, beobachtet zu werden: Sie sangen zu laut, verwickelten sich in idiotische Streitereien, ließen auf hunderterlei dumme Art Dampf ab, wurden zur Gefahr für sich selbst und für Strike. Und dann waren da noch die Freundinnen, um die man sich Sorgen machen musste. Sie waren die Schlimmsten - flirteten vor der Nase ihrer Freunde mit anderen Typen, knallten sich die Birne zu, brachen Streitereien vom Zaun. Wenn es nach Strike ging, waren die Mädchen nur für eins gut. Im Fury saßen ausschließlich Männer. Wenn ein Mädchen also die Klappe hielt und sich wie eine Dame benahm, dann konnte sie zwei Zehnerpacks in ihrem Slip tragen, zwei weitere oben, und die Bullen konnten nichts unternehmen, es sei denn, sie nahmen sie zur Leibesvisitation mit auf die Wache. Und die Ampullen aus einem BH zu servieren ging erheblich schneller, als alle bei jedem Zehn-Dollar-Geschäft ins Zwischenlager rennen zu lassen.
Aber die Mädchen konnten auch klauen, verschwanden einfach mit der Ware um die Ecke. Eine konnte einen Streit mit ihrem Freund vom Zaun brechen, den Stoff einem neuen Lover geben, der nicht in der Crew war, ihn selbst verkaufen, ihn selber rauchen. Also hielt Strike nicht viel davon, Mädchen anzuheuern; lieber machte er es langsam und stetig, ließ die Jungs die Tour zu der Wohnung rauf machen, wenigstens in den Dienststunden des Fury, also von vier bis zehn. Und er wechselte die Wohnung jeden Tag: Ohne Anklopfen kamen die Knockos über keine Schwelle, und bis der Richter den Durchsuchungsbefehl unterzeichnet hatte, war die Wohnung schon nicht mehr da.
Mädchen. Strike sagte seiner Crew immer: Lasst euch ja nicht von den Mädchen um den Finger wickeln. Sind bloß Pussys, und wenn ihr eure Karten richtig ausspielt, sind immer genug da, und ihr spielt eure Karten richtig aus, wenn ihr Geld macht und zur Seite legt. Strike wiederholte Wort für Wort, was Rodney vor knapp einem Jahr zu ihm gesagt hatte.
Strike beobachtete, wie das Mädchen mit dem Babyspeck - Sharelle, Sharette, irgendwie so - endlich den Mut aufbrachte und zu ihm herüberkam, mit einem Lächeln übers Gesicht geschmiert, als sei es glücklich oder so was.
»Hi, Strike.«
»Nein.«
»Ich wollte nicht -«
»Nein. Verschwinde.«
Futon kam aus der Weehawken Street 6, checkte die Straße ab, mampfte Cheetos und hielt ein großes Glas Gummibärchen in der Hand, während sein Kopf im Takt zu dem wackelte, was immer aus seinem wasserblauen Kopfhörer dudelte. Er nickte Strike zu und ging zu den Bänken zurück.
»Nachschub, Nachschub«, verkündete er über die Musik in seinem Kopf hinweg brüllend.
Strike kräuselte die Lippen, um zu antworten, und war überrascht, den plötzlichen Kolbenfresser irgendwo zwischen seinem Verstand und seinem Mund zu spüren.
»Wi-wie viel noch?«
Seit Wochen hatte er keinen Stotteranfall mehr gehabt: was für ein beschissener Tag.
»So vierzig, fünfundvierzig.« Futon schien Strikes aufgeregte Sprechweise nicht zu bemerken.
Strike dachte über die kommende Nacht nach, überschlug den Umsatz. Es war der Zwölfte des Monats, die Leute hatten noch ein bisschen Geld übrig. Andererseits war es Mittwoch, acht Tage seit dem letzten Zahltag. Strike dachte auch ans Wetter: sah nach Regen aus. Zweihundert Ampullen sollten reichen.
Strike stand mit steifen Beinen auf, humpelte zum Münztelefon und rief Rodneys Pager an, wählte den Tagescode und dann am Ende eine Zwei-Null. Die Ampullen würden in etwa fünfzehn, zwanzig Minuten per Fahrrad eintreffen, der Lieferant ein Zwölfjähriger, der vorbeigeschossen kam, ein Kind, das mit seinen Schulbüchern und seiner Lunchbox unterm Arm die Weehawken Street 6 betrat. Strike hasste Pager und trug seinen außer Sichtweite in der Tasche. Strike zog es vor, am Telefon zu sprechen, und das Gute an den Verteilerplätzen war,...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.