Schweitzer Fachinformationen
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Gestrandet
Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Ihre Strahlen schickten zaghaft erste Boten von Licht und Wärme über den schmalen Grat, der den Tag von der Nacht trennte. Ein sanfter, roter Schimmer lag wie Dunst über dem Horizont und kündete vom nahenden Morgen.
Es war Dosandag, der zweiten Trideade im Hirschmond 350 nach Gründung Fiorinde und es war Herbst. Die Tautropfen zitterten gläsern an den Grashalmen, reflektierten das erste Licht des Tages und zauberten einen märchenhaften Glanz auf die Wiese. Doch bei allem Zauber, mit dem die Natur sein Augenlicht zum Leuchten bringen wollte, über seinem Herzen lag schwer und unverwüstlich ein dunkler Schatten.
Darcean ließ seinen Blick über die sanften Wellen wandern, die glucksend den kleinen Hang des von Kies bewährten Küstenstreifens hochschlugen. Rings um ihn herum dominierten grüne Wiesen und Berge das Landschaftsbild. Bäume, geschweige denn Wälder waren nirgendwo auszumachen.
Er umfasste seinen magischen Stab fester und drehte sich um. Sein Blick fiel auf die schlafenden Gestalten rund um die längst erkaltete Feuerstelle. Der Weltgeist meinte es nicht gut mit ihnen. Im Augenblick zeigte er ihnen allen, die sie hier wie Ballast einfach abgeworfen worden waren, die Schattenseiten in all ihrer Mächtigkeit. Hier an diesem öden Küstenstreifen unterzog er sie alle einer Prüfung. Und am härtesten traf es seine Herzensfreundin.
Siralen hatte sich mit dem Rücken zum Meer auf ihrem Lager zusammengerollt wie ein kleines Mädchen. Sie schien zu schlafen, aber Darcean wusste es besser. Sie war außerstande zu schlafen, und das würde sich in den nächsten Tagen, womöglich Monden nicht ändern. Die einst so stolze Elfenkriegerin hatte alles verloren, zuletzt ihren ohnedies schon brüchig gewordenen Glauben an sich selbst. Für sie gab es nur noch eine einzige Möglichkeit, sich vor dem endgültigen Verschwinden zu retten, sich davor zu bewahren, sich im Nichts aufzulösen, und dem Tode zu entgehen, nachdem sie sich gewisslich sehnte. Siralen musste an den Anfang zurück. Sie musste all die Hüllen abstreifen, die sich um den Kern ihres Selbst gelegt hatten. Sie musste all die vom Lebensfaden gewobenen Erfahrungskleider ablegen, all die Erlebnisse, mit denen das Leben sie bedacht und geformt hatte, vergessen - bis nichts mehr von ihr übrig blieb als Siralen, das Kind, das sich gerade erst seiner selbst bewusst wird. Danach musste sie sich neu entdecken, neue Wege beschreiten, wieder zu sich selbst finden. Doch wer konnte das? Wer war stark und weise genug, all das hinter sich zu lassen, was ihm irgendwann so viel bedeutet hatte?
Bekümmert schloss Darcean die Augen. Die Welt ist zu schwer, um sie zu tragen.
Nach ihrer Anlandung an diesem verlassenen Küstenstreifen hatte Darcean die Ehe zwischen Siralen und Hagegard gelöst und Letzteren als rechtlos innerhalb der Gesellschaft der Elfen erklärt. Kurz, in Zukunft galt Tauron Hagegard als Feind aller Elfen, die sich in der Allianzflotte aufhielten. Darcean hatte diesen Schritt nicht unternommen, um Siralen zu helfen, sondern um das Ansehen seines Volks vom Schmutz dieses verräterischen, menschlichen Abschaums zu befreien. Siralen hatte ihm dennoch dafür gedankt. Vielleicht hatte diese Geste auch ein Stück ihrer Seele gereinigt.
"Wir brechen in einem halben Glas auf", vernahm Darcean eine belegte Stimme und ein Schatten fiel auf das taugetränkte Gras neben ihm.
"Auch dir sei ein guter Morgen beschieden, Chara. Dann werde ich damit beginnen, die anderen zu wecken. Ich nehme an, wir gehen nach Kaupan?"
"Richtig."
Darcean beäugte die Flottenoberkommandantin von der Seite. Sie rührte sich nicht.
"Denkst du denn, die Maen werden uns gute Verbündete sein, Chara? Bis jetzt haben sie sich als friedliebend erwiesen. Sie verabscheuen den Krieg."
"Du hast sie nicht kämpfen gesehen, Darcean. Ich schon. In Kumal, als sie eingegriffen und mich, Siralen und Kambe da rausgeboxt haben. Sie können unseren Vallandern locker das Wasser reichen." Ihr Blick streifte seine Augen. "Es sind Krieger, auch wenn sie den Frieden suchen."
Dann ging sie zurück zu den anderen und Darcean blickte ihr hinterher. Chara hielt auf das Lager ihres Blutsbruders zu, der leise schnarchend am Rande der anderen schlafenden Gestalten lag. Neben dem schwarzen Berg aus Stoff und Decke ging sie in die Hocke und rüttelte an Ben Yussefs Schulter. Erst jetzt stellte Darcean fest, dass der andere treue Wegbegleiter des Sandkorns nicht mehr auf seinem Nachtlager lag. Auch Lindawens Rucksack war verschwunden.
Nun gut, um den Obersten der Lichtjäger musste man sich nicht sorgen. Der war in der Lage, auf sich selbst zu achten und wusste vermutlich besser als jeder andere Elf, welche Gefahren dort draußen lauerten. Ganz im Gegensatz zu den meisten anderen, die an diesem unseligen Küstenstreifen ausgesetzt worden waren. Kambe, MacOsborn, der Maen Kauri Akureysan, Eloki Hablok mit seinem Slarpon und ganze achtundzwanzig Krieger vom Stamm der Goygoa, nicht zu vergessen Chara und Siralen . Sie alle waren in Gefahr, ebenso wie seine Wenigkeit.
Darcean schritt zu Siralens Lager und blieb am Kopfende stehen, wo er darauf wartete, dass sich der reglose Körper bewegte.
"Guten Morgen, mein Herzensfreund", murmelte Siralen und wälzte sich träge auf den Rücken.
"Guten Morgen, Schwester im Geiste."
Er reichte ihr die Hand und sie griff danach. Doch als er sie hochzog, spürte er ihr ganzes Gewicht. Nicht das ihres schlanken Körpers, sondern jenes, welches auf ihrer Seele lastete. Es zog ihn förmlich nach unten, und nur mit Mühe gelang es ihm, Siralen auf die Beine zu ziehen. Als sie ihn mit diesem Blick bedachte . einem Ausdruck, mit dem sie sich dafür zu entschuldigen schien, dass sie überhaupt ein Teil des Weltgeistes war, fürchtete Darcean, Siralen wäre für immer verloren.
"Blick nach vorne", murmelte er und fühlte zugleich die Unzulänglichkeit seines Ratschlags. Wo war Vorne? In Siralens Augen gab es nur ein Hier und die Dunkelheit, die dieses Hier einschloss. Eine Finsternis, die sich in die ewige Farblosigkeit der inneren Leere ergoss, wenn man ihr nicht schnell genug entkam.
"Jau", ertönte es etwas abseits der anderen. Dann folgte eine Art Kläffen, das in Darceans Ohren eher an einen Hund denn an einen Menschen denken ließ.
Kauri Akureysan, die Krähe, war ihr Führer. Und dieser Führer sollte sie nicht nur bis Kaupan geleiten, sondern im Idealfall bis nach Halsaf, wo angeblich die Weisesten der Maen zu finden waren und einmal jährlich ein sogenanntes Hingur stattfinden ließen. Und genau bei einem solchen, das hofften sie alle, würde das Volk der Maen über ihre Bitte um Unterstützung im großen Krieg Chaos gegen Ordnung entscheiden.
"Ich nehme doch an, hier ist meine selbstlose Hilfe erforderlich", brachte sich prompt der Barde ein. Und schon hatte er eine kleine Lyra ausgepackt und ließ seine zugegeben begnadeten Finger über die Saiten streichen. Es dauerte nicht lange, und das Kläffen des Maen verwandelte sich in die mittlerweile schon fast vertraute bäuerliche Sprache der hiesigen Bevölkerung. Gut für sie alle, denn im Augenblick wollte niemand so recht den Slarpon anlegen, am allerwenigsten er selbst.
". essen noch was Kleines, bevor wir dann nach Kaupan gehen, jau?", vollendete Kauri gerade.
"Essen können wir auf dem Weg", hielt Chara dagegen, die Kerrims Murren geflissentlich ignorierte und sich umblickte. Wahrscheinlich suchte sie nach Lindawen. Allein, sie fand ihn nicht. Und selbst für Darcean, dem die Assassinin stets wie ein Wesen aus einer anderen Welt erschien, weil sie zugleich grenzenlos naiv und auf eine verquere Weise beinahe ebenso weise zu sein schien, war ersichtlich, dass sie mit einem Anflug von Sorge kämpfte.
"Guten Morgen, Kambe", wandte sich Darcean an die Ordenskriegerin, die es sich gerade auf ihrem Lager bequem machte. "Wieso packt Ihr Euren Proviant aus?"
"Auch Euch schenke Issisa einen guten Morgen. Hat nicht Herr Akureysan gerade gesagt, wir essen, bevor wir aufbrechen?"
"Und Chara hat beschlossen, dass wir dies auch auf dem Weg nach Kaupan tun können." Darcean wollte ebenfalls so bald wie möglich nach Kaupan aufbrechen. Dort konnte man ihnen nicht nur weiterhelfen, was ihre Reise nach Halsaf anbelangte, sie mussten auch unbedingt in Erfahrung bringen, was in der Allianzflotte vor sich ging. Und wenn man sie suchte, würde man dies zuerst in der Stadt tun, zu der sie gereist waren, bevor die Chaosschiffe die Küste Wafnins angegriffen hatten, und Siralen, Chara und Kambe an jenem Unglückstag in Kumal gefangen genommen worden waren. Niemand wusste, was Hagegard nach seiner Meuterei noch angerichtet hatte. War er zurück zum Flottenverband gesegelt und hatte weitere Allianzmitglieder zur Meuterei angestiftet?
Corpus Dippeas Prima Kambe sah Darcean an, als wäre er nicht ganz bei Sinnen. "Wieso erzählt Ihr mir das? Wenn niemand beschlossen hat, wir essen auf dem Weg, wieso seht Ihr Euch dazu veranlasst, mir Selbiges mitzuteilen?"
"Ich sagte, Chara hat beschlossen ."
Kambe ließ ihn nicht ausreden. "Ich weiß zwar nicht, was das ganze Gerede über niemand soll, das in letzter Zeit immer mehr um sich greift, aber meine Wenigkeit hat beschlossen, es zu ignorieren."
Es war hoffnungslos. Kambe nahm Chara schlicht nicht wahr - wegen dieser von Oberhohepriester MacArgyll über sie ausgesprochenen Verachtung. Und offensichtlich würde sich dieser...
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