II. Reisen durch die Samoa- und Tonga-Inseln.
Inhaltsverzeichnis Das im vorigen Kapitel Gesagte ist das Ergebniß solcher Beobachtungen, die zu machen ein Aufenthalt am Lande, oder im Hafen von Apia mir ermöglichte. Viele weitere Einzelheiten, deren Kenntniß der Verkehr mit den Samoanern und langansässigen Europäern mit sich bringt, verdienten zwar noch der Erwähnung, indes, da ich in großen Zügen nur meine Erlebnisse in der Südsee schildern will, muß Unwesentlicheres zurücktreten; darum sehe ich auch von der Beschreibung einzelner Fahrten und Reisen durch dieses weite Gebiet ab.
Alle mit mir zugleich auf demselben Segelschiffe angekommenen Passagiere, die, wie ich, sich auf 3 Jahre der Plantagen-Gesellschaft verpflichtet hatten, wurden bald nach unser Ankunft ans Land beordert und nahmen die ihnen zugewiesene Beschäftigung auf. Meine Bestimmung dagegen lautete, sogleich an Bord des Schooners "Hapai" zu gehen und dort vorläufig den Dienst des ersten Steuermanns zu versehen.
Zwei Tage später schon lichteten wir Anker und segelten nach Matautu, dem Haupthafen der Insel Savai, von dort sollten wir schnell das daselbst lagernde Kopra, wie solches auf den verschiedensten Inseln von den Händlern der Gesellschaft aufgekauft wird, abholen.
Auf Savai, das nur durch die Straße von Apolima von Upolu getrennt ist, erhebt sich die dunkle Bergmasse, gleich der auf Upolu, hoch und mächtig; ja, aus der Ferne gesehen, scheint ein gewaltiger Höhenrücken die ganze Insel auszumachen. 4000 Fuß hoch, die höchsten Krater auf Upolu, den Tofua, Maugalaila, Taitoelau und Sigaele um 1000 Fuß überragend, erhebt sich diese Kraterregion gleich einer Scheidewand, die zwar von reichem Pflanzenwuchse bedeckt, aber wenig bevölkert ist; nur einzelne Pfade führen durch Urwälder und tropische Wildniß über die von Lava starrenden wildzerklüfteten Berge. Jungfräulicher Boden, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigt und für Kaffee, Vanille, Baumwolle geeignet ist, liegt brach und unbenutzt, denn es herrscht vollständiger Mangel an gut geschützten Häfen.
Weniger als auf Upolu bildet das die Insel umgebende Korallenriff gesicherte Einfahrten, auch die größte vor Matautu wird durch schwer anrollende See gefährdet. Wohl vertraut mit der nicht so leicht aufzufindenden Durchfahrt im Riffe, führte mit günstigem Winde der Führer der "Hapai" sein Schiff längs der schwer aufrollenden Grundsee am langgestreckten Riffe hin; die wild schäumende Brandung brach sich donnernd auf diesem, und die mächtigen Wogen schienen das Schiff dem Verderben zutragen zu wollen. Ich selber hielt es für sehr gewagt, so nahe dem gefährlichen Riffe zu laufen, jedoch als wir die Einfahrt nach Matautu gewonnen hatten, ließen wir bald die wilde Brandung hinter uns.
Weit von Land ankernd, ist es Regel hier, da der Ankerplatz nur ein tiefer liegendes Riff ist, auf welchem sich einrollende See brechen kann, weit vom Lande zu ankern und muß man in der unbeständigen Jahreszeit immer bereit zum Auslaufen sein, sobald westlicher oder nordwestlicher Wind aufspringt, denn gefährlich würde jedem Schiffe die direkt einlaufende See werden.
In Hast und Eile ging denn auch das Einschiffen der Ladung vor sich, da Wind und Wetter wenig Beständigkeit versprach; wohl 70 Savaileute brachten mit großen Brandungsbooten die oft von der am Strande laufenden See durchnäßte Ladung an Bord. Längsseit des Schiffes schöpften die Boote oft noch Wasser, so unruhig war selbst im Hafen noch die See; wildes Halloh erhoben die Kerle, die höchstens mit einem Grasschurze bekleidet waren, wenn sie der Länge nach niederstürzten und es auch deshalb vorzogen, auf das vor seinen Ankern schwer rollende Schiff zu springen. So kostete es mich viel Mühe, die braunen, zügellosen Kerle, deren Sprache ich noch nicht verstand, zur Arbeit anzuhalten.
Obgleich die Bewohner Savai's gleicher Abstammung wie die Upolu-Leute sind, so herrscht doch zwischen der Bevölkerung beider Inseln fast immer Hader und Streit. Die Savai-Leute, vielleicht kühner im Angriffe, bemannen oft genug ihre großen Kriegskanoes und versuchen einen Ueberfall auf Upolu, um sich gelegentlich für die Schimpfworte, "Schweine von Savai", bitter zu rächen.
Schnell nach Apia zurückgekehrt, erhielt das Schiff Weisung, schon am 24. November wieder in See zu gehen und zwar nach der einsamen Insel Niue, von wo ebenfalls Kopra und ein größerer Segelkutter, der in der schlechten Jahreszeit für den dortigen Händler nicht recht verwendbar und an der steilen Küste gefährdet war, abgeholt werden sollte. Aufkreuzend gegen wieder vorherrschenden Südost-Wind erreichten wir die Insel erst nach zehn Tagen. Als wir in deren Nähe kamen, waren die ersten Häuser, die wir sahen, das Missionshaus und die Kirche, die zurückliegenden Hütten der Eingebornen ließen sich, weil sie durch Busch und Palmen verdeckt waren, nicht unterscheiden. In einer kleinen Einbuchtung, wo ein Spalt in der steilen Uferwand allenfalls das Landen gestattete, 100 Fuß von Land dicht vor der Brandung - ein Schwingen des Schiffes vor seinen Ankern war nicht möglich - ankerten wir am steilen Korallenriff.
Von der auffallenden Erscheinung, daß durch vulkanische Kräfte ganze Inseln gehoben werden, giebt die Insel Niue einen Beweis, mir war sie um so bemerkenswerther, als es die erste war, an welcher ich die unterseeische Korallenformation erkennen konnte. Wohl 30 Fuß hoch zeigen die Uferwände der Insel die gewaltige Arbeit der Korallenpolypen, die von neuem, seit der vielleicht viele Jahrhunderte schon zurückliegenden Hebung dieser Insel, am steilabfallenden Meeresgrunde weitergebaut und an vielen Stellen wieder ein zusammenhängendes Riff aufgeführt haben. Später, als ich selbst mit eigenen Augen die ungeheure vulkanische Kraft, die zeitweise auf diesem ausgedehnten Kratergebiet in Erscheinung tritt, gesehen, war es mir klar, daß die schlummernde Naturkraft nicht bloß die Erdrinde und das Meer zu erschüttern vermag, sondern spielend Inseln hebt.
Die wenigen Tage, die wir vor Niue zu Anker lagen, war eine Zeit ängstlichen Hastens, weil wir so schnell als möglich mit der aus Kopra, Fungos, einer Pilzart, und der aus Arrowroot-Wurzeln bestehenden Ladung fertig werden mußten, denn mit Gefahr für Boot und Ladung war eine jedesmalige Landung verbunden, da fast in der Brandung jedes Boot beladen werden mußte. Für das Schiff war Gefahr insofern vorhanden, als dieses durch auflandigen Wind trotz der Anker leicht aufs Riff getrieben werden konnte, wir also immer bereit sein mußten, bei einem Wechsel des Windes, wenn nöthig, schnell die Anker zu schlippen und die offene See zu gewinnen. Drohende Anzeichen für schlechtes Wetter gingen aber glücklicher Weise vorüber; übrigens war dieses die letzte glücklich vollbrachte Reise des Schiffes überhaupt, wenige Monate später schon lag es zerschellt auf einem Riffe der Neu-Hebriden.
Die Bewohner dieser Insel Niue, ein kräftiger, stattlich gebauter Menschenschlag, der zwar der Samoa- und Tonga-Rasse an Gestalt und hohem Wuchs nicht gleichkommt, jedoch mehr Temperament als diese zeigt, auch Schlaffheit und Unlust zur Arbeit bemerkt man weniger an ihnen. Als tüchtige Seefahrer, welchem Gewerbe sie mit Vorliebe zugethan sind, werden sie in Apia, wo mit der Zeit eine Ansiedelung derselben stattgefunden, gerne als Matrosen angenommen, wenigstens dem Samoaner bei weitem vorgezogen.
Savages-Eiland, Insel der Wilden, ist die Insel Niue, ihre Heimath, benannt worden, und soweit meine persönlichen Erfahrungen reichen, verdienen sie beinahe diesen Namen, als ich bei einem Streite mit ihnen beinahe das Leben hätte lassen müssen und nur ein Zufall mich aus den Händen dieser leicht erregbaren Menschen befreite.
Da sie von hellerer Farbe als die Samoaner, stammen sie vermuthlich von einer weit östlich liegenden Inselbevölkerung ab. Die ersten Ansiedler, wahrscheinlich vor langer Zeit von ihrem Heimathlande verschlagen, fanden das rettende Eiland und bevölkerten es allmählich. Der Trieb, die unbekannte Welt kennen zu lernen, die im Schoße des mächtigen Ozeans für die fernen Inselbewohner verborgen lag, läßt sie noch heute oftmals das Wagniß unternehmen, sich mit ihren leichten Kanoes auf die unendliche See hinauszuwagen. Die Gewalt des Windes und der Strömungen unterschätzten sie und haben sie einmal Land aus Sicht verloren, sind sie den Elementen hülflos preisgegeben, so zahlten sie ihre Kühnheit mit einem qualvollen Sterben, wenn nicht ein gütiges Geschick nach schrecklichen Leiden sie Land finden läßt.
Die Rettung von 16 solcher vertriebenen Menschenkinder, die ich in den Karolinen-Inseln auffand und Hülfe brachte, werde ich später eingehender erzählen.
Mit Vorliebe tragen die Niue-Leute reichen Goldschmuck und zwar als Ohrgehänge; massive Goldstücke hämmern sie aus und befestigen solche geschickt an den Ohrlappen; das verdiente Goldgeld wird häufig dazu verwandt.
Der ganze Südseehandel beschränkt sich in der Hauptsache auf Tabak, Seife und Zeug, namentlich für Volksstämme, die erst wenig mit dem weißen Manne in Berührung gekommen sind. So boten auch hier für ein Geringes die Eingebornen Speere, Muscheln und Nüsse feil, vor allem war Tabak der begehrteste Artikel. Im Gegensatze zu den Booten der Samoaner, die solche sich von ganz beträchtlicher Ausdehnung erbauen, sind die Kanoes dieser Niue-Leute nur klein und behende, aber nett mit Muscheln und anderem Zierrath ausgeschmückt, der vornehmlich rings um die Bordwand befestigt ist; auch sind diese Fahrzeuge vorne und hinten überdeckt, um das Einschlagen der See, wenn sie, zum Fischen ausziehend, die Brandung passiren müssen, zu verhindern.
Sehr fischreich sind namentlich die Gestade aller Inseln, und wie ich...