Schweitzer Fachinformationen
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Das Heft schwebte so dicht vor Beatrices Gesicht, dass sie einen Schritt zurücktreten musste, um in dem Gewirr aus Rot und Blau etwas erkennen zu können.
«So sieht jede seiner Arbeiten aus. Es muss sich etwas ändern, Frau Kaspary.» Die Lehrerin seufzte einen dieser geplagten Pädagogen-Seufzer. «In seinem Sozialverhalten hat Jakob sich wirklich gebessert, aber was Form und Ordnung angeht, braucht er noch sehr viel Hilfe.»
Beatrice griff sich das Heft und blätterte ein paar Seiten zurück. Ja, überall das gleiche Bild. Die vorgedruckten Zeilen schien Jakob für unverbindliche Vorschläge zu halten, manche Worte waren kaum zu entziffern.
Wahrscheinlich wäre es klüger gewesen, den Sonntag seinen Schulaufgaben zu widmen, statt eine Fahrradtour mit Picknick zu unternehmen.
Sie blickte hoch, die Klassentür stand offen. Da war er, gemeinsam mit Alex und Lukas. Jeder von ihnen hatte einen Stapel Sticker in der Hand. Es waren sichtlich harte Verhandlungen bezüglich möglicher Tauschgeschäfte im Gange.
«Ich werde mich bemühen, seine Aufgaben zu kontrollieren», sagte Beatrice. «Aber eigentlich hatte ich gehofft, das würde Melanie von der Nachmittagsbetreuung übernehmen. Wissen Sie, ich möchte mit meinen Kindern in ihrer Freizeit eigentlich lieber andere Dinge tun, als gemeinsam über Schulheften zu hängen.»
Das bemühte Lächeln der Lehrerin reduzierte sich um etwa die Hälfte. «Die Nachmittagsbetreuung kann nur ergänzen, die Eltern aber nicht ersetzen. Melanie muss sich um fünfzehn Kinder kümmern, und Jakob braucht mehr Förderung als andere. Ich weiß, Frau Kaspary, Sie haben einen sehr anstrengenden Beruf, aber .»
Beatrices Handy läutete. Jede Wette, das war der anstrengende Beruf, der sein Recht einforderte.
«. aber wenn Sie ein bisschen mehr auf Jakobs Arbeitsweise achten könnten, wäre das sehr gut. Was er jetzt verpasst, wird er später nur schwer aufholen können.»
Das Handy steckte in ihrer Tasche. Ein Blick hinein, und man wusste sofort, woher Jakob seinen Hang zum Chaos hatte.
«Florin», zeigte das Display an. «Entschuldigen Sie bitte einen Moment.» Beatrice wandte sich zur Seite. «Guten Morgen! Ist es wichtig? Ich bin gerade .»
«Hallo, Bea, tut mir leid. Ja. Wichtig. Die Psychiatrie des Klinikums Salzburg-Nord hat eben angerufen - es gibt dort einen Toten. Ziemlich sicher keine natürliche Todesursache. Soll ich dich holen, oder treffen wir uns da?»
Sie überlegte kurz. «Treffen wir uns direkt dort. Ich beeile mich.» Beatrice legte auf und hob der Lehrerin gegenüber bedauernd die Schultern. «Ich gebe mein Bestes, versprochen. Aber jetzt muss ich leider los.»
«Das habe ich schon verstanden», entgegnete die Frau ungnädig. «Na gut. Ich hoffe, ich habe mein Anliegen deutlich machen können.»
O ja, überdeutlich. Beatrice schüttelte der Lehrerin die Hand. «Wenn ich Jakob das nächste Mal in die Schule bringe, unterhalten wir uns weiter, ja?»
Dann ging sie, ohne eine Antwort abzuwarten. Weiteres Futter für ihr schlechtes Gewissen war das Letzte, was sie jetzt noch gebrauchen konnte.
Sie liefen den schwarz-weiß gekachelten Gang entlang, knapp hinter dem Arzt her, der sie in Empfang genommen hatte.
Beatrice hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Sie war außer Atem, weil sie ihr Auto in der Nähe der Einfahrt geparkt und das weitläufige Krankenhausgelände danach laufend durchquert hatte, auf der Suche nach dem Psychiatriepavillon, der sich natürlich am äußersten Rand der Anlage befand. Ein weißes, vierstöckiges Gebäude.
Sie nahm sich zusammen und schloss zu dem Arzt auf, der beinahe rannte. Als könne er es gar nicht erwarten, ihnen zu zeigen, was er ihnen bereits am Telefon beschrieben hatte.
«Gerd?» Florin, der sich knapp neben ihr hielt, schien mit seinen Bemühungen, Drasche von der Spurensicherung zu erreichen, endlich Erfolg zu haben. «Ja, ich bin's. Hör zu, du musst ins Psychiatrische Therapiezentrum des Klinikums Salzburg-Nord kommen, wir haben hier einen Toten. Beeil dich. Wie bitte? Nein, natürlich halten wir uns zurück. Bis gleich.»
Er steckte das Handy in die Jackentasche und warf Beatrice einen schnellen Blick zu. «Zehn Minuten, sagt er, er ist gerade erst aufgestanden. Und ansonsten will er das Übliche.»
Dass sie nichts anfassten. Am besten nicht einmal atmeten, sobald sie sich dem Tatort näherten, um nur ja nichts zu verunreinigen.
Sie erkannten den Raum, um den es sich handeln musste, von weitem, schon an den vier uniformierten Kollegen, die sich rund um den Eingang postiert hatten. Trotzdem drehte sich der Arzt, dessen Namen Beatrice in der Eile nicht verstanden hatte, zu ihr um und deutete auf die Tür. «Da drin ist er.» In seinem Gesicht spiegelte sich eine merkwürdige Mischung aus Bedauern und Erwartung. «Mir fällt das nicht leicht, er war ein Kollege, den ich sehr geschätzt habe. Jung, talentiert, vielversprechend.»
Beatrice spürte Florins Blick. Er wartete darauf, dass sie nickte, dass sie ein Zeichen dafür gab, dass sie bereit war.
Sie räusperte sich. «Lassen Sie uns reingehen.»
Es war ein Untersuchungsraum, klein und fensterlos, aber in freundlichen Farben eingerichtet. Ein Stuhl, bespannt mit grünem Stoff, ein gelber Vorhang, um den Untersuchungsbereich bei Bedarf abzuschirmen.
Und . eine Liege.
Beatrice trat zwei Schritte näher. Der Mann, der dort ausgestreckt lag, war jung, höchstens Anfang dreißig. Sein weißer Kittel war blutgetränkt, vor allem an Kragen und Brust. Etwas Metallenes steckte in seinem Hals - kein Messer, nein. Es war ein dreikantiges Stück Stahl, das aussah wie ein Teil von etwas anderem. Wie etwas, das man im Baumarkt fand.
Das war das grausigste Detail an dem Bild, das sich ihnen bot, aber nicht das merkwürdigste. Viel seltsamer war das, was auf den Körper des toten Arztes drapiert worden war. Ein Kamm, der quer über seinem Bauch lag. Ein Kugelschreiber, der zwischen den Fingern seiner rechten Hand steckte, als sei er während des Schreibens gestorben. Und fünf quietschbunte, transparente .»
«Plastikmesser?», sagte Florin ungläubig.
Tatsächlich. Beatrice erlebte einen flüchtigen Moment der Unwirklichkeit, als ihr klarwurde, dass zu Hause, in irgendeinem Küchenschrank, die gleichen Messer lagen. Kindersicher, zum Verzweifeln stumpf und nur zum Streichen von Margarine oder Nutella geeignet.
Eines davon steckte im offenen Mund des Toten, zwei lagen überkreuzt auf seiner Brust, eines auf Nabelhöhe und das letzte in seinem Schritt. Rot, blau, gelb und grün.
Sie wollte eben fragen, ob der Arzt eine Erklärung für das Arrangement habe, da fiel ihr Blick auf ein weiteres verstörendes Detail.
Es war reichlich Blut geflossen, und einiges davon auf den Boden. Doch die Lache hatte die Form eines Halbmondes, es sah aus, als habe jemand versucht, sie wegzuwischen, und wäre dabei gestört worden.
Der Arzt war ihrem Blick gefolgt. «Ja, das erkläre ich Ihnen gleich. Ich möchte nur vorab etwas loswerden, das mir sehr wichtig ist.» Er legte die gefalteten Hände vor den Mund und schloss die Augen. «Wir sind hier in einer psychiatrischen Klinik, und damit wäre für achtundneunzig Prozent der Bevölkerung die Sachlage klar: Einer der Verrückten ist endgültig durchgedreht und hat seinen Arzt getötet.» Er schluckte und sah erst Florin, dann Bea bittend an. Seine Augen waren von einem so ungewöhnlich dunklen Blau, dass sie sich fragte, ob die Farbe echt war.
«Aber unsere Patienten sind nicht aggressiv. Keiner von ihnen hat eine kriminelle Vorgeschichte. Wenn sie je irgendwem etwas angetan haben, dann nur sich selbst. Ich halte es für ausgesprochen unwahrscheinlich, dass einer von ihnen Dr. Schlager getötet hat.»
Florin, der längst angefangen hatte, sich Notizen zu machen, blickte hoch. «Sie können davon ausgehen, dass wir uns nicht von Vorurteilen leiten lassen, Doktor Vasinski.»
Vasinski, genau, das war der Name gewesen. Beatrice sagte ihn sich in Gedanken vor, während sie das aus dem Hals ragende Stahlstück näher betrachtete. Noch etwas war hier merkwürdig .
«Florin?»
Er drehte sich zu ihr um, dieses leichte Lächeln auf den Lippen, das, wie sie beschlossen hatte, ihr allein gehörte. Er sah sonst niemanden so an. «Die Spuren», sagte er. «Nicht wahr?»
«Ja. Es sieht aus, als hätte er schon hier gelegen, als man ihm dieses Ding durch den Hals gebohrt hat. Nirgendwo sonst im Raum ist Blut.»
Eine Untersuchungsliege, die zur Schlachtbank geworden war. Vermutlich. Genaueres würde die Spurensicherung ihnen sagen können.
Wenn die eiligen Schritte, die sich über den Gang näherten, bereits Drasche gehörten, war er wirklich schnell. Doch der Mann, der mit Schwung den Raum betrat, ähnelte ihrem Kollegen überhaupt nicht.
Hochgewachsen, der kahle Schädel von einem dunklen Haarkranz umgeben, in dem sich bereits deutlich graue Strähnen abzeichneten. Grau auch die Augen, die Brauen darüber ungewöhnlich buschig.
Er schüttelte erst Beatrice, dann Florin die Hand. «Professor Alexander Klement. Ich bin der Leiter dieser Abteilung und stehe Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Doktor Christian Vasinski kennen Sie bereits? Er ist mein stationsführender Oberarzt.»
Er gab dem Genannten ein schnelles Zeichen, und dieser schloss die Tür.
«Ich habe die Station räumen lassen, deshalb bin ich auch jetzt erst hier. Aber Sie müssen verstehen, wir arbeiten hier mit Traumapatienten. Mit Menschen, die so furchtbare Dinge durchgemacht haben,...
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