Schweitzer Fachinformationen
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Die Sonnenuhr an der Fassade des Pfarrhofs von Thalgau zeigte genau acht Uhr an, als sie ihr Auto einige Meter entfernt am Rand der unasphaltierten Straße abstellten, direkt neben dem Wagen der Kollegen, die die Nacht über hier Wache gehalten hatten. Doch außer zwei Spaziergängern, die ihre Hunde ausführten, hatte niemand sich blickenlassen.
Das stetige Rauschen der Autobahn erinnerte beinahe an Meeresbrandung, wären nicht die lauten Dieselmotoren der LKW gewesen. Stefan hatte fast richtiggelegen - auf der Karte konnte man glauben, die Koordinatenposition befände sich direkt auf der Fahrbahn, doch genau an der angezeigten Stelle spannte sich eine Brücke über ein kleines Tal. Darunter oder knapp daneben würden sie suchen müssen. Beatrice hob den Blick. Die Autobahnbrücke schnitt nur wenige Meter hinter dem Pfarrhof durch die Landschaft, trennte ihn von einem sacht ansteigenden Waldstück, in dem die Vögel tapfer gegen den Verkehrslärm anzwitscherten.
«Bis zum Brückenbogen, dort lasst ihr uns vorangehen!», bellte Drasche. Er und Ebner waren gerade dabei, in ihre Schutzanzüge zu steigen.
Das GPS-Gerät, das Beatrice sich heute Morgen von Stefan ausgeliehen hatte, zeigte noch 143 Meter bis zum Ziel. Hoffentlich war er nicht allzu enttäuscht darüber, dass er im Büro die Stellung halten musste, statt mit auf die Jagd zu gehen.
«Merkwürdiger Ort.» Florin schob sich die Sonnenbrille ins Haar und trat dicht hinter Beatrice, um ebenfalls auf das GPS-Gerät schauen zu können. Seine Nähe erfüllte sie mit einer ungewohnten Befangenheit, die Begegnung - oder besser: die Beinahe-Begegnung vom Samstag klang immer noch in ihr nach. Dieses merkwürdige Gefühl, ungebeten in seine Privatsphäre eingedrungen zu sein.
Drasche stapfte auf mit blauem Plastik verhüllten Schuhen heran. «Welche Richtung?»
«Geradeaus, unter dem Brückenbogen durch. Vielleicht einen Hauch rechts halten.» Sie drückte Drasche das GPS-Gerät in die Hand und zeigte auf das schwarz-weiße Zielfähnchen. «Darauf zuhalten. Das Ding piepst, wenn du angekommen bist.»
Sie und Florin wahrten Abstand zu den beiden Spurensicherern, die sich langsam, Schritt für Schritt, auf die angegebene Stelle zubewegten. Unterhalb der Autobahnbrücke war es schauderhaft laut, doch kaum gelangte man ans Tageslicht, blieb vom Verkehrslärm das meeresartige Rauschen, gepaart mit dem Plätschern eines Baches, der rechts von ihnen entlangfloss und ein Stück weiter oben von einem Mäuerchen aus groben Steinen gestaut wurde. Ein kleiner Wasserfall sprudelte aus einem Loch in der Mitte dieser Mauer.
Hübsch, aber kein Versteck. Beatrice beobachtete Drasche dabei, wie er vor- und zurücktrat, sich um sich selbst drehte und das GPS-Gerät schließlich Ebner in die Hand drückte.
«Das dämliche Ding gibt mir alle drei Sekunden eine andere Richtung an.»
«Das heißt, du bist praktisch da!», rief sie ihm zu. «Such mal fünf Meter Umkreis ab.»
Drasches Flüche wurden nur notdürftig vom doppelten Rauschen verschluckt. «Soll ich etwa ein Loch in den Boden buddeln?»
«Nein, du musst -» Sie ging ein paar Schritte vor und deutete auf die Mauer. «Verstecke suchen. Geocaches liegen oft in Spalten oder Höhlen. Man soll sie nicht auf den ersten Blick finden.»
«Dann liegt er vielleicht im Wasser», höhnte Drasche und hob einen großen Stein am Rand des Bachbetts an, bevor er gemeinsam mit Ebner zu der kleinen Mauer hinaufstieg. «Schlamm, Matsch, Äste», kommentierte er. «Das GPS behauptet jetzt, wir seien dreizehn Meter daneben.»
Beatrice wechselte einen Blick mit Florin. Hatten sie es verbockt? War der Cache schon fort?
In Gedanken kehrte sie zu der Suche vom Vortag zurück, zu der Höhle, in die sie mit Stefan gekrochen war.
«Er gibt uns keine Geländewertung», murmelte sie.
Florin trat neben sie. «Was hast du gesagt?»
«Geländewertung. Normalerweise hast du bei jedem Cache Sternchen, die dir anzeigen, wie schwer er zu finden ist. Dann weißt du, ob du eventuell klettern oder herumrobben musst .» Ihr Blick blieb an dem Gestrüpp hängen, das rund um das Bachufer wucherte. Butterblumen, hüfthohe, spitzblättrige Pflanzen, die sie nicht kannte, und -
«Gerd!»
Drasche fuhr herum. «Was denn?»
«Steig da noch mal runter und komm in meine Richtung. Ja, noch ein paar Schritte - stopp! Ist das links von dir eine Baumwurzel?»
Er bückte sich, und Beatrice trat näher heran, um besser sehen zu können. «Ja. Völlig zugewachsen.»
«Greif drunter - dort, wo die Wurzelenden ins Wasser hängen. Von meiner Position aus sieht es so aus, als wäre da eine Einbuchtung.»
Drasches behandschuhte Finger tasteten sich nach unten. Er hätte leichter Zugang gefunden, wäre er ins schlammige Bachbett gestiegen, doch das versuchte er offenbar zu vermeiden. Eigene Spuren ruinieren Täterspuren. Sein Lieblingssatz.
Kniend kam Drasche nicht heran, also legte er sich auf den Bauch und ließ den Arm bis zur Schulter in dem Loch zwischen Wurzel und Bachbett verschwinden.
Wäre ich der Owner, dachte Beatrice, hätte ich diesen Platz gewählt. Niemand greift da nur zum Spaß rein.
Drasches triumphierender Aufschrei ließ sie zusammenzucken. Er zog seinen Arm hervor und brachte einen Behälter ans Licht, an dem Schlamm und kleine Steinchen klebten. Ein Regenwurm verlor den Halt und stürzte ins Gras.
Sie hatten recht gehabt. Die Erleichterung strömte durch Beatrices Körper, wohltuend wie Sauerstoff nach langem Luftanhalten. Florins Arm legte sich um ihre Schultern.
«Gute Arbeit, Bea.»
Sie traten näher, Ebner war gerade dabei, Fotos zu schießen, von der Box, dem Bach, der Wurzel und der Umgebung, bevor Drasche den Cache in einen seiner eigenen Transportbehälter legte. «Tut mir leid, aber hier wird gar nichts geöffnet», sagte er an Beatrice und Florin gewandt. «Erstens hätte ich gern Laborbedingungen, zweitens habe ich keine Lust, auf den Leichenwagen warten zu müssen, falls wieder ein Körperteil drin sein sollte.»
Sie bezwangen ihre Ungeduld nur mit Mühe. Beatrice war weniger gespannt auf den grausigen Trade, den sie in der Schachtel vermutete, als auf die Nachricht, die hoffentlich wieder darin enthalten war. Ein Hinweis auf die nächste Stage, vielleicht ein Hinweis auf den Owner selbst, ein Fehler, endlich.
Doch es dauerte. Drasche und Ebner begannen, Schlammproben zu nehmen und die Umgebung auf eventuelle weitere Spurenträger abzusuchen. Als sie sich endlich auf die Fahrt ins Labor machten, kam der Weg ihr weiter vor als sonst, und selbst das Anlegen der Schutzkleidung im Vorraum des Labors war eine quälende Geduldsprobe. Langsam, dachte sie grimmig.
Unter den blendend hellen Untersuchungsscheinwerfern öffnete Drasche endlich die Box. Er holte den ersten Zettel heraus und entfaltete ihn.
«Herzlichen Glückwunsch - du bist fündig geworden!», las er laut vor. «Dieser Behälter ist Teil eines Spiels, das du nun schon kennst. Du hast ihn nicht zufällig gefunden, sondern ihn bewusst gesucht. Der Inhalt wird dich nicht mehr so sehr überraschen wie beim vergangenen Mal, aber du darfst mir glauben, Überraschungen werden überbewertet. Ich könnte mir vorstellen, dass du in dieser Hinsicht schon bald meiner Meinung sein wirst.
TFTH.»
Drasche hob den Blick. «Was für ein Arschloch.»
Keine Überraschungen. Damit war klar, um was es sich bei dem stoffumwickelten Bündel handelte, das den Behälter fast zur Gänze füllte. Beatrice empfand eine diffuse Dankbarkeit dafür, dass sie es nicht selbst anfassen musste, und fühlte, wie ihr Körper sich spannte, als Drasche die Umhüllung behutsam entfernte.
Drei zusätzliche Tage bei frühlingshaften Temperaturen hatten dem Inhalt der Plastikfolie nicht gutgetan. Diese Hand hatte bedeutend mehr Flüssigkeit gelassen als ihr rechtes Gegenstück. Trotz der Vakuumverpackung wies sie grün-bläuliche Verfärbungen auf.
«Das zu öffnen ist glücklicherweise Sache der Rechtsmedizin», erklärte Drasche. Beatrice erahnte unter seinem Mundschutz ein sardonisches Lächeln. Sie beobachtete ihn dabei, wie er die Folie auf Fingerabdrücke überprüfte und frustriert den Kopf schüttelte. Danach legte er den Computerausdruck auf die Arbeitsplatte, besprühte ihn mit Ninhydrin und erhitzte ihn mit der Heißluftpistole, doch auch hier blieb ein Ergebnis aus.
Mit den Worten «aller guten Dinge sind drei» holte Drasche ein weiteres gefaltetes Stück Papier aus der Cache-Box. Er zog es behutsam auseinander und legte es unter die Untersuchungslampe, um es dort zu fotografieren.
«Ich schätze, das ist die gleiche Handschrift, die wir beim letzten Mal hatten», stellte er fest. Beatrice wartete nicht, bis er laut zu lesen begann, sie rückte näher und beugte sich über das Schriftstück. Ja. Die geschwungenen, runden Buchstaben, die Beatrice für die von Nora Papenberg hielt. Da und dort war der Stift zittrig geführt worden, die Zeilen bogen sich leicht nach unten, wie Stängel einer vertrockneten Pflanze.
Stage 3
Du suchst einen Verlierer und bist, von mir selbst abgesehen, seit langem der erste Mensch, der sich für ihn interessiert. Halte Ausschau nach Narben, innen wie außen, und einem alten, dunkelblauen VW Golf. Die letzten drei Stellen des Nummernschilds lauten 39B. Die Straße, in der er wohnt, beinhaltet einen Namen, der dein Lösungswort bildet. Wandle die...
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