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Shirley legte erneut eine Schicht roten Lippenstift auf. Sie nutzte ihren kleinen Taschenspiegel dafür. Ein Taschenspiegel. Wer besaß noch so etwas? Die Jugend der heutigen Zeit nahm ihr Telefon für solche Zwecke. Knipsten sich selbst dabei für ein oder zwei Selfies, um dann schnell alles bei diesen Socialen Plattformen einzustellen. Ja, Shirley wusste von diesem Social Life. Auch sie nannte ein Handy ihr Eigentum, allerdings ohne Internet, ohne Apps. Wozu das Ganze? Sie brauchte nur eine Nummer, einen Mann. Vincent. Heute würde er kommen, heute würde er mit dem Zug im Bahnhof am Gleis neun einfahren. Um zweiundzwanzig Uhr wäre es soweit. Shirley zupfte ihr weißes Kleid zurecht. Das war sein Wunsch, seine Lady in Weiß, die auf ihn wartet und ihn empfängt. Nie im Leben hätte sie vermutet in ihrem Alter noch einmal die große Liebe zu finden. Ja, Vincent war süße fünfunddreißig Jahre alt und Shirley bereits in den Sechzigern. Aber wo die Liebe hinfällt.
Sie sah sich um. Zwei junge Mädchen standen ein paar Meter entfernt. Sie flüsterten aufgeregt und sahen sich immer wieder nach allen Seiten um. Ab und an entnahm Shirley ein paar Gesprächsfetzen. Es klang nach einer Geistergeschichte. Die beiden hübschen Dinger wirkten verängstigt, aber sie hatten einander. Und das wollte Shirley auch.
Sie wollte nicht mehr allein sein. Shirley wollte jemanden haben, in den letzten goldenen Jahren, mit dem sie noch ein paar schöne Erinnerungen teilen konnte. An einen zweiten Frühling hatte sie gar keinen Gedanken verschwendet. Und doch war es Vincent, der auf ihre Anzeige antwortete. Alte Schule eben, wenn man auf der Straße keinen Mann kennen lernte, dann über eine Annonce in der Zeitung. Zuerst schrieben sie nur Briefe. Ja Briefe, keine Textnachrichten oder E-Mails. Shirley war sofort begeistert. Und dann entdeckten sie auch noch so viele Gemeinsamkeiten. Sie standen auf die gleichen Filme, schwarzweiß und schnulzig. Liebten das gleiche Essen, ein schönes saftiges Steak mit Kräuterbutter und einem Glas Rotwein. Vincent schwärmte von Italien, las gerne Gedichtbände und wollte einfach nur sesshaft werden, mit der richtigen Frau an seiner Seite. Wie oft beschwerte er sich über die zügellosen jungen Dinger, mit viel zu kurzen Röcken, der Aufmerksamkeitsspanne einer Fruchtfliege und der Intelligenz eines Erdnussflips. Shirley war verliebt. Bei jedem Gang zum Briefkasten flogen die Schmetterlinge in ihrem Bauch wie wildgewordene Schwärme im Kreis. Ihre Finger glitten über die wunderschöne und klare, leicht verspielte geschwungene Schrift. Das Herz tat einen Hüpfer, wenn sie die Worte las: "Liebste Shirley".
Und dann stand da plötzlich seine Telefonnummer. "Ruf an", las sie ganz unverblümt. Lange zögerte Shirley damit, konnte ihm nicht zurückschreiben. Viel zu groß war die Angst davor, er würde ihre Stimme hören und dann erkennen, dass es eine Zweitverschwendung war sich mit ihr abzugeben. Sie zu alt wäre, zu weit weg. Denn nicht nur die Jahre trennten sie, sondern auch gut achthundert Kilometer. Es vergingen ein paar Tage bis Shirley erneut ein Schreiben von Vincent im Briefkasten fand, in welchem er sich für sein aufdringliches Verhalten entschuldigte und hoffte, sie wäre nun nicht verschreckt und würde sich von ihm abwenden. Und das gab ihr Mut. Er wollte es wirklich. Also griff Shirley zum Telefon und wählte zittrig die aufgeschriebene Nummer. Und dann erklang diese süße Melodie nach zwei Mal läuten am anderen Ende der Leitung.
"Vincent Carlo Denero am Telefon."
Dieser Name. Diese Stimme. So tief, so sanft. In Shirley regte sich etwas, etwas von dem sie nicht wusste, dass es überhaupt da war. Begierde, Lust. Aber dennoch ließ die Aufregung ihre Stimme erbeben. Zögerlich presste sie ihren Namen heraus. Und Vincent lachte auf. Er freute sich. Sagte ihr wie sehnsüchtig er darauf gewartet hätte, dass sie anrief und er würde sie gar nicht mehr aus seinem Kopf bekommen. Shirley fiel ein Stein vom Herzen. Sie krabbelte in ihren grauen Locken, zwirbelte eine Strähne um ihren Finger und versuchte mit den richtigen Worten ihre Freude auszudrücken. Vincent sprach wie ein Wasserfall. Er erzählte ihr bei ihrem ersten Telefonat, dass er sich heute zur Feier des Tages ein Steak gönnen würde. Vielleicht könnten sie am Telefon zusammen essen. Er wolle ihr unbedingt von seinen Plänen erzählen dieses Jahr Venedig zu besuchen. Shirley fühlte sich glücklich und schnell verflog die Furcht vor dem Unbekannten. Vincent gab ihr das Gefühl als wären sie alte Vertraute. Solche wie sie früher hatte. Schulkameraden, Arbeitskollegen. Shirley kannte diese Freundschaften. Sie wusste auch noch wie es war verliebt zu sein. Doch die Menschen kamen und gingen. Die meisten gingen, sie waren eigentlich alle fort. Und Shirley war das nun egal. Vorbei die Zeit der Einsamkeit. Vorbei die Zeit der Trostlosigkeit. Da war dieser junge Mann, der sich nichts sehnlicher wünschte, als seinen Freitagabend mit ihr und dem Telefon zu verbringen. Shirley stimmte der Telefonverabredung zu. So wie auch allen anderen Verabredungen. Dank dem Handy gingen sie manchmal zusammen einkaufen, begleiteten sich gegenseitig bei Spaziergängen oder saßen zusammen vor dem gleichen Film und schwärmten und diskutierten über die Story und die Darsteller. Dann begann Vincent ihr abends vorzulesen. Gedichte zum Einschlafen. Shirley schwärmte von seiner glockenhaften Stimme und erwischte sich manchmal dabei, wie ihre Hände über ihren Körper glitten, während sie im Bett lag und seinen Reimen lauschte. Besonders eifrig war sie bei schlüpfrigen Gedichten. Manchmal entfuhr ihr ein leises Stöhnen und dann erschrak sie plötzlich und horchte auf, ob Vincent es vernommen hatte. Doch selbst wenn dem so wäre, er sagte nie etwas. Er las einfach weiter. Shirley ertappte sich immer öfter dabei, wie sie sich an pikanten Stellen berührte. Das Prickeln genoss, wenn sie mit ihm sprach und fragte sich, ob es ihm auch so ginge. Doch nie hätte sie ihn gefragt. Nein, es war wieder Vincent, der den Vorstoß wagte und sie einen Nachmittag mit "Shirley, ich fühle mich schmutzig, aber ich träume oft von dir und was wir da tun ist, nun ja, etwas das Freunde nicht unbedingt miteinander unternehmen" am Telefon begrüßte. Shirley schluckte schwer. Er entschuldigte sich sofort und wollte gerade auflegen, als sie ihn keuchend und nervös davon abhielt, in dem sie ihm zusicherte, dass es ihr auch so oft erging. Sie beließen dieses Gespräch dabei und redeten zwei bis drei Tage nicht miteinander. Zu groß war die Scham. Doch dann rief er wieder an und sagte, er würde es ohne sie nicht aushalten. Ohne ihre Stimme, zu wissen das es ihr gut ginge, ob sie ihn auch vermissen würde. Und Shirley war dankbar. Sie hatte kaum geschlafen, saß so oft am Handy und wollte seine Nummer tippen. Und nun nahm er ihr diese Bürde ab. Beide gestanden sich die Sehnsucht nach der anderen Person. Die Sehnsucht nach Nähe und dann klang Vincent anders als sonst. Er klang verunsichert, ängstlich wie ein Kind.
"Vincent, was ist denn mein Schatz?"
"Sei mir nicht böse", sagte er langsam. Und dann stöhnte er. "Aber deine Stimme, ich habe dich so sehr gebraucht." Sein Atem ging schneller. Das Stöhnen wurde intensiver. "Shirley, bitte sag mir wo deine Hand ist."
Shirley riss die Augen auf. War das wirklich das, was sie gerade dachte? Wollte er Telefonsex? Panisch sprang sie von ihrem kleinen Hocker auf. "Vincent ich-"
"Ich höre sofort auf, wenn du es willst, aber du sollst wissen, wenn ich gerade bei dir wäre, dann würde ich mich jetzt gegen deinen Körper pressen. Würde mit meiner Hand unter dein Oberteil fassen, deine Brüste kneten, erst sanft, dann fester. Deine Nippel kneifen."
Shirley entfuhr ein Schrei. Die Ekstase setzte ein. Etwas Warmes kroch ihre Beine hinauf und verharrte in ihrem Intimbereich. Seine Worte hallten in ihr wieder und die Lust stieg in ihr auf. Die Wärme drohte sie zu verbrennen. Sie führte ihre Hand, die freie Hand, unter ihren Rock und begann ihren Schambereich zu massieren. Und dann taten sie es. Sie flüsterten sich Dinge zu, sie atmeten gemeinsam schnell und dann wieder langsam. Shirley begann zu schwitzen, sie legte sich auf ihr Bett, in ihrem dunklen Schlafzimmer. Den Rock weit hoch gerafft, die Bluse leicht geöffnet. Vincent bat sie genau zu beschreiben, was sie gerade tat und Shirley gehorchte. Dann gab er ihr Anweisungen. Seine Stimme wurde fester, fordernder und dann ja dann. Shirley schluchzte laut auf, während Vincent ein lautes Stöhnen von sich gab. War das ein Orgasmus? Shirley fühlte sich befreit und gleichermaßen erschöpft. Sie war vor Vincent nur einmal verliebt gewesen und es gab wenig Sex in ihrem Leben. Die Erinnerungen darin glichen einem schlechten Zahnarztbesuch. Ihr erstes Mal tat einfach nur unglaublich weh. Sie war sechzehn Jahre. Der Junge hieß Freddie und verkaufte ihr im Kino immer die Samstagskarten. Sie taten es in einem kleinen Hinterzimmer, im Stehen. Freddie stocherte kurz und wild in ihr herum, bis er fand wonach er anscheinend gesucht hatte, denn nach einem brennenden Schmerz...
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