Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Der Latino aus Apartment 212 mit den tätowierten Schultern und der dunkelblauen Bandana sitzt wie jeden Morgen auf der Treppe vor dem Haus, als ich zur Arbeit gehe. Und wie jeden Morgen mustert er mich von oben bis unten, mit dieser lasziven, latent mit Sex aufgeladenen Arroganz, die der Grund dafür ist, dass ich kein Kleid anziehe. So schmal, wie die Treppe ist, würde er die Gelegenheit nutzen, mir unter den Rock zu schauen.
Er lächelt mich so unverschämt an, dass ich ihm schon wieder eine runterhauen könnte. Dass mein Herzschlag bei seinem Anblick stolpert, macht es nicht besser. Meine Freundin Amy, mit der ich auch zusammenwohne, hat mir erzählt, dass er Vicente heißt und Argentinier ist. Sie würde sich gern von ihm flachlegen lassen, aber er scheint wählerisch zu sein. Amy behauptet, dass er der Kronprinz in einer der hiesigen Latino-Gangs ist. Ich kann das nicht so recht glauben - wäre er eine so große Nummer, müsste er doch nicht in diesem Dreckloch wohnen, wo der Fahrstuhl ständig voll von Hundescheiße ist und die Nachbarn sich in ohrenbetäubender Lautstärke anbrüllen, bevor sie im Drogenrausch aufeinander losgehen. Wir haben mindestens dreimal pro Woche die Cops zu Besuch. South Central gehört zu den schlimmsten Vierteln der Stadt, aber die Miete ist billig. Außerdem liegt die Grand Station nur zwei Blocks entfernt, und von dort kann ich in zehn Minuten mit der Metro zum Pershing Square in Downtown fahren, wo ich tagsüber im Viceroy Café arbeite.
Wie immer gebe ich vor, ihn nicht zu bemerken. Was ziemlich schwierig ist, da ich mich praktisch an ihm vorbeidrängeln muss. Er trägt sandfarbene Cargohosen und ein eng anliegendes weißes Ripp-Shirt, dessen wichtigste Funktion darin besteht, seine muskulösen Arme und den durchtrainierten Körper zu betonen. Typisch Macho, eitel wie nur was. Los Angeles ist voll von diesen Typen, aber der hier ist mit Abstand der schlimmste. Er sieht verdammt gut aus und weiß das genau.
Eine Hand über dem Kopf ins Geländer geschlungen, kaut er auf einem Holzstäbchen herum. Im Sommer ist es schon morgens glutheiß hier draußen, doch er scheint die Sonne zu genießen. Er sieht so entspannt aus, dass man glatt neidisch werden könnte.
Ich dränge mich an ihm vorbei und spüre seinen Blick auf meinem Hintern, während ich die Stufen hinabsteige, bis die Bananenstauden des Vorgartens mir Sichtschutz bieten. «Vielleicht in deinen Träumen», sage ich leise vor mich hin.
«Hey!», ertönt es plötzlich hinter mir. «Hey Chica! ¿Cuál es su nombre?»
Ich fahre zusammen und stocke mitten im Schritt, unschlüssig, wie ich reagieren soll. Bisher hat er mich immer nur angestarrt, aber nie etwas gesagt.
Er lässt sich Zeit, während er die Treppe heruntersteigt, setzt lässig einen Fuß vor den anderen. Schließlich nimmt er das Hölzchen aus dem Mund und wirft es weg. «Qué bien hueles.»
Mir fällt auf, dass ich ihn nie zuvor reden gehört habe. Seine Stimme hat ein warmes, dunkles Timbre und schlägt mich gegen meinen Willen in ihren Bann. Plötzlich wirkt sein Grinsen nicht mehr dreckig, sondern auf verruchte Weise charmant.
«Ich verstehe kein Wort», gebe ich zurück.
Er hält meinen Blick mit seinem fest und legt einen Daumen an die Lippen. «Ich sagte, du riechst gut.» Sein Englisch hat einen leichten Akzent.
Ich bin so perplex, dass mir keine Antwort einfällt. Deshalb hat er mich aufgehalten? Um mir zu sagen, dass ich gut rieche? Das ist ja die blödeste Anmache, die -
Ich bringe den Gedanken nicht zu Ende, denn zu meiner Überraschung beugt er sich vor und kommt mir so nahe, dass sein Atem meine Haut streichelt. Er holt tief Luft. Sein eigener Duft steigt mir in die Nase, eine Mischung aus Aftershave, frisch gewaschenem Haar, Kaffee und Salz. Gerade, als ich zurückweichen will, greift er nach dem Hibiskusstrauch auf der anderen Seite des Geländers, bricht eine Blüte ab und reicht sie mir mit einer Grazie, die ich ihm nie im Leben zugetraut hätte. Wie zufällig streift sein anderer Arm dabei meinen Oberschenkel.
Ich stolpere rückwärts die letzten drei Stufen hinunter, drehe mich um und versuche nicht zu rennen, während ich mit steifen, weit ausholenden Schritten Abstand zwischen uns bringe. Den ganzen Weg die Straße entlang glaube ich seinen Blick zu spüren. Zwischen meinen Schulterblättern kribbelt es unangenehm.
Erst kurz vor der Metrostation lässt meine Anspannung nach. Ich rekapituliere die seltsame Begegnung und komme mir im Nachhinein blöd vor. Okay, es ist eine üble Gegend, und ich hatte wirklich Angst, er würde mich in die Bananenstauden verschleppen, um dort . Ja, was? Mich zu vergewaltigen? Wohl kaum, am helllichten Tag, vor den Augen aller Nachbarn. Selbst wenn er ein Gangsterprinz ist, ist er nicht bescheuert. Aber was dann? Um ausgiebig an mir zu riechen? Ich umklammere die Hibiskusblüte noch immer, mit schwitzigen Fingern.
Beim Einsteigen in den vollgestopften Metrowaggon muss ich schon lachen. Was habe ich mir da bloß eingeredet? Er wollte mich vermutlich nur provozieren. Sein Duft war allerdings eine Überraschung. Ich hätte erwartet, dass er nach Schweiß riecht, aber Kaffee und Salz? Wenn er nur nicht diese Macho-Allüren hätte.
Der Pershing Square liegt genau zwischen dem Financial District mit seinen glitzernden Siebziger-Jahre-Wolkenkratzern und dem heruntergekommenen Historic Core. Der Eingang zum Viceroy Café befindet sich auf der Rückseite des berühmten Millennium Biltmore Hotel, wo die Celebrities absteigen.
Als ich zur Tür hereinkomme, ist es noch ruhig. Das kühle Halbdunkel des hohen, von Säulen gestützten Raums ist Balsam nach der Hitze draußen. In einer Ecke unterhalten sich zwei Anzugträger mit gedämpften Stimmen. Eine junge Asiatin tippt auf ihrem Laptop. Erst mittags bricht hier die Hölle los, wenn die Bankangestellten aus den umliegenden Blocks einfallen.
«Hey, Choice!», ruft mir mein Kollege Aaron zu, während er Bohnen in die Espressomaschine einfüllt. «Alles klar?»
«Alles super.» Ich fühle mich immer noch leicht benommen von Vicentes Annäherungsversuch. Der Typ geht mir einfach nicht aus dem Sinn. Ich weiß nicht, ob ich geschmeichelt sein oder Angst vor ihm haben sollte. Oder nur den Kopf schütteln soll über seine Unverschämtheit.
«Du wirkst ein bisschen durcheinander.»
«War ein verrückter Morgen.» Oh Gott, wenn ich das Amy erzähle, fällt sie hintenüber. Ich stelle die Blüte in ein Glas Wasser und binde mir die Barista-Schürze um.
Die Tür geht auf, und eine Gruppe geschniegelter junger Banker betritt das Café. Ich setze mein geschäftsmäßiges Lächeln auf und steige auf den flirtenden Tonfall der Typen ein, weil es die Chancen auf Trinkgeld erhöht. Nicht ganz das, was ich mir ausgemalt habe, als ich vor ein paar Jahren nach L.?A. gezogen bin, um eine Schauspielkarriere zu starten.
In Wickenburg, Arizona, wo der Hund begraben liegt, habe ich schon in der Highschool Theater gespielt und Tanzkurse belegt. Einmal wurde ich sogar zur Queen Halloween gekürt, das ist eine Art Miss-Wahl mit Halloween-Kostümen und das glamouröseste Ereignis, das Wickenburg zu bieten hat. Jedenfalls brachte mich die frisch gewonnene Krone auf die Idee, mein Glück in Hollywood zu versuchen. Ich stieg bei Nacht und Nebel in den Greyhound-Bus nach Kalifornien, statt den Job in der winzigen Wickenburger Buchhandlung anzutreten, den meine Mom mir besorgt hatte. Ganz nebenbei stahl ich mich damit auch aus der Verpflichtung, Frank Johnson zu heiraten, der eines Tages das Autohaus seines Vaters übernehmen würde. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, ist es ein Glück, dass ich Frank nicht geheiratet habe. Und in der Buchhandlung hätte ich mich sicher zu Tode gelangweilt. Niemand in Wickenburg liest Bücher.
Leider verlief der Start in mein L.?A.-Abenteuer aber auch nicht so rosig, wie ich gehofft hatte. Ich meine, ich habe nicht erwartet, dass ich gleich die Hauptrolle in der nächsten Twilight-Fortsetzung kriege. Aber dass es so dermaßen mies anläuft, hätte ich auch nicht gedacht.
Von der Kohle, die ich im Viceroy und durch gelegentliche Einsätze bei Belagio Catering, meinem Zweitjob, verdiene, könnte ich mir inzwischen was Besseres als das Loch in South Central leisten. Aber ich investiere das Geld in Schauspielstunden und Tanzunterricht. Ich habe meinen Traum noch nicht aufgegeben. Nur eingesehen, dass ich vielleicht etwas mehr Zeit brauche.
«Choice Baby, sieh mal.» Ich richte mich vom Tisch auf, den ich gerade abgewischt habe, und drehe mich um. Aaron hält ein schwarz und silbern glänzendes Kärtchen hoch. «Muss jemand verloren haben.»
Es ist kurz nach vier, und wir beseitigen die Spuren des Nachmittagsansturms, bevor die Gäste einfallen, die sich auf dem Heimweg von der Arbeit noch einen Coffee to go kaufen.
Ich trockne mir die Hände an der Schürze ab. «Zeig her.»
Das Papier fühlt sich schwer und edel an, wie die Visitenkarte einer teuren Anwaltskanzlei. Club Onyx. Auf der Rückseite steht in versilberten Lettern: Du bist eingeladen. Darunter ein achtstelliger Zahlencode und ein Ornament, eine stilisierte Blume.
Ich lege es neben die Kasse, falls der Besitzer sich meldet. Mein Blick fällt auf die Hibiskusblüte. Beim Gedanken an den Heimweg wird mir mulmig zumute. Was, wenn Vicente mir an der Treppe auflauert? Wie soll ich dann reagieren? Ihn cool anlächeln und so tun, als sei heute Morgen nichts geschehen? Mir geht das Bild nicht aus dem Kopf, wie er den Daumen an seine Lippen legt. Amy schwärmt immer davon, wie sinnlich sie sind, und hat letztens den ganzen Abend lang laut darüber nachgedacht, wie es wäre, von...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.