Schweitzer Fachinformationen
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8 Gestern haben sie aus der Redaktion vom Starlight angerufen und mir einen Auftrag angeboten. Am Telefon war Danicic persönlich.
Du lässt dich selten in unseren Ge?lden blicken, ?ng er an, geht's dir gut?
Perfekt, sagte ich.
Freut mich, das zu hören, aber ich sehe nicht, dass du in letzter Zeit irgendwas machst.
Ich verbrate mein Geld, Mann, ich lasse es mir gut gehen, komme gar nicht dazu, an Arbeit zu denken.
Er lachte gezwungen.
Wir machen ein großes Interview mit Lulu, kam er endlich zur Sache, und ich denke, dass deine Fotos da ganz passend wären.
Lulu!, wunderte ich mich, wer ist das denn?
Verarsch mich nicht, Alter, Lulu steht in den Charts ganz oben, die Leute schlagen sich um ihre neue CD.
Ich hab keine Ahnung. Ihr produziert so viel von diesem Billigkram, wer kann da noch den Überblick behalten? Eh du dich versiehst, taucht schon wieder der Hintern von irgendeiner neuen Lulu auf.
Schon gut, du brauchst ja nur die Fotos zu machen.
Ich kann nicht.
Warum?
Ich will jetzt nicht darüber sprechen, aber wenn du etwas über Kitaibels Schlüsselblume bringen willst, dann können wir ins Gespräch kommen.
So'n Scheiß, seufzte er, fängst du schon wieder damit an.
Mirko Danicic, der Besitzer der auflagenstarken Wochenzeitschrift Starlight und noch etlicher anderer Dinge, ist ein - wie man so schön sagt - Pragmatiker, der sich bei seiner Arbeit an drei einfache Prinzipien hält.
Erstens: Es existiert nur, worüber im Starlight geschrieben wird.
Zweitens: Im Starlight wird über die interessanten Dinge geschrieben.
Drittens: Was interessant ist, entscheidet Danicic.
Und er kommt damit durch, niemand stellt es in Frage. Lulu ist für die Menschen interessanter als irgendeine Blume, weil Danicic es so will. Kitaibels Schlüsselblume zum Beispiel, diese Blumenschönheit vom Velebit, deren Foto im Wintergarten der Atamians hängt, hat - und dafür verwette ich meinen Kopf - ein originelleres Innenleben als irgendeine Lulu, von ihrem gesellschaftlichen Leben ganz zu schweigen. Erst recht, wenn man sie aus allen möglichen Blickwinkeln betrachtet. Kitaibels Schlüsselblume im Sturm. Kitaibels Schlüsselblume, wie sie die Wolken in der Ferne betrachtet. Der Himmel und die Berggipfel aus der Perspektive von Kitaibels Schlüsselblume. Die Begegnung von Kitaibels Schlüsselblume mit einem Auerhahn. Kitaibels Schlüsselblume und die Hummel. Was für Fotos und was für eine Geschichte könnte das sein, aber Danicic will, dass die Menschen Lulu und andere Hintern wollen, und da kannst du wirklich nur verzweifeln.
Ich fange gar nichts an, sagte ich, ich will nur nicht mehr euren Faschismus füttern.
Was soll das denn heißen?, er tat so, als hätte er keine Ahnung, wovon ich redete. Was für einen Faschismus?!
Natürlich will Danicic das nicht zugeben. Niemand von denen will es zugeben. Sie stellen sich alle dumm, machen alle nur ihre Arbeit, das kennen wir ja nur zu gut. Bisher diktiert dir Danicic bloß, welche Milch du zu trinken hast, welche Klamotten du tragen sollst, mit welchen Waschmitteln du deine Wäsche wäscht, mit welchen Parfum du dich besprühst, mit welchem Papier du deinen Hintern abwischst, welche Binden du in deine Slips stopfst, welches Buch du lesen musst, worüber du nachdenken und wovon du in Gesellschaft erzählen sollst - und ähnliche Belanglosigkeiten. Aber was, wenn Danicic beginnt, darüber zu entscheiden, in welchem Rhythmus du zu atmen hast, wann du ins Badezimmer und wann ins Bett gehen sollst, wann du geboren wirst und in welcher Gestalt, und wann und wie du sterben wirst. Ich höre sie schon: Aber ich war doch nur ein Journalist, ich habe nur meine Arbeit getan. Und ich habe mich nur um den Vertrieb gekümmert, und ich war nur Redakteurin einer Rubrik, verstehen Sie, ich habe doch Familie und Kredite aufgenommen für mein Auto und meine Wohnung. Hitler, Stalin, Pinochet, Milosevic, Bush Jr., sie alle hatten ihre Redakteure, Journalisten, Vertriebe, sie alle wurden in Millionenauflagen den Massen untergejubelt, keiner von ihnen war ein einsamer Reiter. Der Weichensteller der Züge nach Auschwitz, Stalins offizieller Fotograf und Milosevics Barbier - sie alle haben nur ihre Arbeit getan. Und jetzt will mir Danicic weismachen, er verstünde nicht, was ich meine, als würde ich mir das Ganze aus den Fingern saugen.
Welcher Faschismus!? Na dieser Medienfaschismus eben, ich geriet in Rage vor Überzeugung und spürte, wie ich mich in eine weiße Flamme verwandelte.
Alles Parolen, beschissene Parolen, hörte ich ihn sagen.
Gebt Kitaibels Schlüsselblume und der Degenia velebitica eine Chance!, brüllte ich.
Ein Irrer, hörte ich ihn sagen. Melde dich, wenn du wieder gesund bist.
Du faschistisches Arschloch!, ich knallte den Hörer auf.
Ich gerate selten in Rage, aber wenn ich es tue, dann glühe ich richtig. Was können die mir schon erzählen. Sobald du weiter als über deinen eigenen Hintern hinaus schaust, erklären sie dich zum Idioten. Immer will dich jemand .
Scheiße.
Und solche Leute gibt es wie Sand am Meer.
Es gibt hier einen im Viertel, Tunjo heißt der, Mann, der ist echt Fachmann für alles. Ob du etwas über alpines Skifahren, die Produktion von Kerzen, die germanische Mythologie, gregorianische Choräle, Vergaser oder Peronospora wissen willst, du brauchst es nur zu sagen, der fängt sofort an zu schwadronieren.
Und dabei schaut er dich an, als wärst du ein Rindvieh.
Er ist klug, und du bist ein Rindvieh.
Also wirklich.
Und so leiert er allerlei Unsinn herunter, über George Best, darüber wie Castro an die Macht gekommen ist, wie die Bougainvillea ans Mittelmeer kam, und dann bleibt er mitten in der Geschichte hängen und blickt überheblich in die Runde:
Warum schweigen denn alle, wenn ich spreche?!
Weil sie anständig sind, Mann, die Menschen sind anständig, und deshalb schweigen sie, sie warten darauf, dass du endlich aufhörst, ihnen ist es unangenehm, genau deshalb halten sie den Mund.
Er will dir immer etwas erklären, er will dich belehren, als ob .
Und du fragst dich dann, wann der Typ es schafft, über all diesen Kram nachzudenken. Schläft der überhaupt, oder tut er nur so? . Wen interessiert das eigentlich?
Und dann begann die Glut zu verrauchen, das Gehirn schaltete sich wieder ein, alles war wieder in Ordnung, alles paletti, tipp-top. Scheiß auf Danicic, dachte ich, vergiss es, immer ist irgendein Hintern im Spiel, entweder der von Lulu, von einem General, vom Präsidenten, von einer Schauspielerin, von einem Mörder, von einem Boxer, deiner, was macht das schon für einen Unterschied!? Das sind alles nur Allgemeinplätze, nur beschissene Allgemeinplätze, immer die gleiche Leier, du kennst das schon, aber es hilft dir trotzdem nicht, dich besser zu fühlen.
Nicht immer.
Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Du kannst entweder mitspielen oder dich vom Tisch verziehen oder den Spieler erschießen, mach irgendwas, nur nicht abseits stehen und dumm daherlabern. Was bringt das ganze Gelaber? Du bist ein geborener Fotograf, das liegt dir im Blut, du willst doch wohl nicht jetzt dein Leben ändern? Mach doch die Fotos, streich das Geld ein, und lass alles andere liegen, warum hältst du dich überhaupt mit diesem Danicic auf? Danicic ist Abschaum, keine Frage, aber was soll's? Mit dieser Information ist dir auch nicht geholfen. Klar, du kannst dich hinsetzen und anfangen zu heulen. Aber entscheidend ist nun mal, dass Danicic das Geld hat und du das Auge. Dass er wöchentlich hunderttausend Exemplare verkauft und du bei Doktor Galin sitzt. Willst du Danicics Spiel mitspielen, oder willst du am Bahnhof naive Touristen abfangen und vor der König-Tomislav-Statue ablichten? Aber nicht mal damit kommst du heute über die Runden, heute hat doch jeder Schwachkopf eine Digitalkamera.
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