Schweitzer Fachinformationen
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Bin ich ein Narzisst?
Die Reise auf dem Weg zu diesem Buch hätte für mich nicht spannender sein können. Mein Plan war, euch acht Fälle krimineller Narzissten zu präsentieren. Sorgfältig recherchiert und so gut erzählt, wie ich nur kann. Research Andy, den ihr vielleicht aus dem Pollux Podcast mit Claudy oder von unseren gemeinsamen Projekten auf Patreon kennt, und ich waren uns direkt einig, dass es genügend schwerstkriminelle Narzissten gibt, um ein Buch zu füllen.
Wer Andy gar nicht kennt, er ist so was wie meine rechte Hand in Sachen Research, und unsere Gespräche über True Crime, Geschichte und Popkultur sind elementar beim Entwickeln der Dramaturgie der Fälle, die ihr dann zu hören bekommt. Wir sind beide Nerds und immer bereit, die Extrameile zu gehen, um irgendwas zu finden, das andere übersehen haben. Wir konnten es kaum erwarten, mit der Arbeit zu beginnen. Es fehlte nur eine Kleinigkeit.
Denn weil ich das in den Podcast-Staffeln so liebe, sollte ein Fall von meinen persönlichen Erfahrungen und Begegnungen handeln.
Also überlegte ich, wer aus meiner Vergangenheit erfüllt die Kriterien, die ich an die Täter in den ausgewählten Fällen stelle. Wer meiner ehemaligen Mittäter oder Knastbekanntschaften ist ein Narzisst?
Ich wollte es mir nicht einfach machen, ich wollte euch was bieten. Eine echte Überraschung! Jemanden, mit dem ihr nicht gerechnet habt, der aber wie die Faust aufs Auge passt.
Ich sitze also da und grübele vor mich hin. Wer in meinem Leben könnte ein echter Narzisst sein?
Als ich meiner Frau Cat von dieser Idee erzähle, ist ihre Antwort kurz und knapp:
»Schreib über dich! Du bist ein Narzisst!«
Bitte was?!
Ich bin wie vor den Kopf gestoßen. Und schon im nächsten Moment beginne ich, eine Tirade von Rechtfertigungen abzufeuern.
»Als Nächstes nennst du mich einen toxischen Gaslighter, der dich triggert! Alles inflationär verwendete Modewörter, mit denen gerade um sich geworfen wird. Dass du da mitmachst, hätte ich nicht gedacht«, empöre mich in bester Boomer-Manier.
»DU BIST EIN NARZISST!«
Ist ihre knappe Antwort.
Okay, das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Was sie nicht weiß, ist, dass ich mich bereits so deep eingelesen hab, dass ich mir solche hingeschluderten Amateurdiagnosen nicht gefallen lassen muss.
Es wird leicht sein, ihre Behauptung zu widerlegen.
Ich hol mein Handy raus. Ein wenig genervt, denn solche Diagnosen sollten nie leichtfertig von Laien in den Raum geworfen werden. Okay, Cat ist nicht wirklich eine Laiin. Sie hat Soziale Arbeit studiert, verfügt über eine Menge Zusatzqualifikationen im therapeutischen Bereich, blickt auf fast 20 Jahre eigene Therapieerfahrung zurück und arbeitet bei den SichtWaisen mit delinquenten Jugendlichen, die alle Arten von Persönlichkeitsstörungen mit sich bringen.
Trotzdem: Für Diagnosen gibt es Checklisten wie die im DSM-5, in der die narzisstische Persönlichkeitsstörung definiert ist.
Das DSM-5 ist das Klassifikationssystem der American Psychiatric Association. Kurz gesagt, ist es ein Diagnosehandbuch. In Deutschland benutzen wir dafür die ICD-11. Darin sind die jeweiligen psychischen Erkrankungen definiert.
Diese Klassifikationssysteme sind immer in Bewegung und richten sich im besten Fall nach dem neuesten Forschungsstand.
Jetzt werden wir aber mal sehen, denk ich mir. Innerlich zu 100 Prozent überzeugt, dass heute alle ihre Partner - oder zumindest ihre Ex-Partner - als Narzissten diagnostizieren. Ist ja ein Modewort und ich bin bestimmt nicht narzisstischer als andere! Vielleicht manchmal ein wenig egoistisch, aber wer ist das nicht?
Gönnerhaft klappe ich die Seite auf und beginne vorzulesen.
»>Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) kann diagnostiziert werden, wenn von den neun dargestellten Diagnosekriterien fünf oder mehr zutreffen!<«
Also, Kriterium 1:
»>Grandioses Selbstwertgefühl<.«
Cat prustet los, sie krümmt sich vor Lachen.
Es gibt jetzt verschieden Zusätze, zum Beispiel:
»Übertreibung von eigenen Leistungen und Talenten, Erwartung, als überlegen anerkannt werden zu wollen, ohne dass entsprechende Leistungen erbracht werden, oder ständige Versuche, andere von der eigenen Großartigkeit zu überzeugen.«
Das Lachen, das ich mir an der Stelle anhören muss, wäre unglaublich ansteckend, wenn ich nicht gerade beweisen wollen würde, dass ich kein Narzisst bin!
Leider hatte ich aber erst im letzten Jahr einen Shitstorm, weil ich auf YouTube mit ehrlicher Überzeugung behauptet habe, den besten True-Crime-Podcast Deutschlands zu haben.
Intellektuell ist mir auch klar, dass eine Aussage wie »der beste« in Fragen der Kunst nicht zu belegen ist, aber in mir drin, ganz tief in mir drin, bin ich nach wie vor der felsenfesten Überzeugung, dass mein Podcast »DER BESTE« ist. Noch schlimmer ist nur, dass ich das dann auch wirklich allen erzählen muss. Das nicht zu tun, bereitet mir fast körperliche Schmerzen.
Na gut, denk ich mir, eins aus neun, das wird wohl den meisten so gehen.
Kriterium 2:
»Fantasien von unbegrenztem Erfolg, Macht, Brillanz, Schönheit oder idealer Liebe.«
Cat kann nicht mehr, das volle Lachen geht in ein Kichern über. Und ja, das zweite Kriterium ist ungünstig, denn seit meiner frühesten Kindheit träume ich genau davon!
Ich will der Main Character in diesem Spiel sein.
Ungeachtet dessen versuche ich es mit meiner bekannten Strategie und rufe: »Das wünscht sich doch tief im Inneren jeder! Jeder will reich, schön und beliebt sein!«
Das mag zutreffen, aber der springende Punkt ist: Wie oft denkt man intensiv darüber nach? Und wie fest ist man davon überzeugt, das alles auch zu verdienen?
Es gab Zeiten, da bestimmten Fantasien darüber, wie ich diese Ziele erreiche, jede freie Minute. Wann habt ihr das letzte Mal darüber nachgedacht?
Wenn es heute war - gratuliere, ihr dürft ein Häkchen bei diesem Punkt machen. Wenn nicht, denke ich, das geht in Ordnung.
Zwei von neun, ich hoffe da zeichnet sich kein Trend ab!
Kriterium 3:
»Glaube, etwas Besonderes und Einzigartiges zu sein und nur von anderen besonderen oder hochrangigen Menschen verstanden zu werden.«
Oh Mann, ich geb zwar nichts drauf, wie hochrangig Menschen sind, aber ich bin doch ziemlich überzeugt davon, selbst was »Besonderes« zu sein. Das Dumme dabei ist, dass das phasenweise passiert und ich nur fünf Minuten später glaube, der letzte Dreck zu sein.
Im Zuge der Recherchen für dieses Buches habe ich gelernt, dass genau das Teil der Störung sein kann: ein aufgeblasenes, aber äußerst fragiles Ego, das ständig Bestätigung braucht.
Eine dieser Bestätigungen ist, sich mit »wichtigen« Leuten zu umgeben, die einem damit das Gefühl geben, selbst wichtig zu sein .
Verdammt, ich hatte gedacht, das hier macht mehr Spaß!
Lasst uns doch den Test gemeinsam machen, ich komme mir gerade sehr nackt vor.
Eure Ergebnisse dürft ihr mir gerne auf Social Media schicken. Am Ende des Buches verrate ich euch dafür vielleicht auch noch mein Ergebnis beim Psychopathy Checklist Rating. Ich weiß, da warten einige von euch schon seit Jahren drauf.
Jetzt ziehen wir das hier erstmal weiter durch. Muss ich erwähnen, dass Cat sich den Bauch hält vor Lachen? Drei von neun Kriterien getroffen. Das schmerzt. Aber noch ist nichts verloren.
Kriterium 4:
»Verlangt übermäßige Bewunderung«
Das kann doch nicht wahr sein, was ist das für ein dummer Test?! Ergänzend dazu findet man noch
»die subjektiv empfundene, unbedingte Notwendigkeit der Bewunderung durch andere Menschen«.
Cat ist prustend und schnaubend von der Couch gerutscht. Sie kriegt kaum noch Luft.
Seit meiner Jugend will ich von anderen für meinen Humor, meine Furchtlosigkeit, mein Engagement oder meinen Fleiß bewundert werden. In der Schule war ich der Klassenclown. Und wie oft erzähle ich anderen davon, wie unglaublich viel ich gerade arbeite? Natürlich mache ich das, weil ich will, dass man mich dafür krass findet.
Ich schäme mich gerade und wünschte, es wäre anders, aber ich mache viele Dinge nur, weil ich will, dass andere davon erfahren. Das war schon als Kind so und ist durch Social Media nicht besser geworden.
Macht ihr das alle wirklich nicht?
Es ist so schwer für mich, das zu glauben, aber Cat zum Beispiel will gar nicht, dass alle erfahren, was sie alles tut.
Mist.
Vier von neun.
Jetzt wird es eng. Das Nächste, halt nein: die nächsten fünf Kriterien müssen mich raushauen! Mein Optimismus, der mich schon sehr häufig in Schwierigkeiten gebracht hat, kommt zurück. Ich bin kein Narzisst. Keine Sorge. Das klärt sich gleich.
Kriterium 5:
»Anspruchsdenken, d. h. unangemessene Erwartungen an eine besonders günstige Behandlung oder automatische Erfüllung der Erwartungen des Betroffenen«
Puuh, dass ist schwierig. Zumindest...
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