Schweitzer Fachinformationen
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»Die schönsten Töne werden auf den ältesten Geigen gespielt.«
Ralph Waldo Emerson
Warum sind wir eigentlich der Meinung, zu zweit durchs Leben gehen zu müssen - oder zu dürfen? Wieso hat das Lebensmodell Single einen so schlechten Stand in der Gesellschaft, während die Ehe das einzig wahre Ziel im Leben zu sein scheint? Dabei kann Ungebundenheit doch so schön sein!
Ein Kapitel über unkonventionelle Entscheidungen, die Kraft der Selbstbestimmung und das längst überfällige Ende des Witwentischs.
»Ja, moin, könnte ich bitte mal Herrn Wattzeck sprechen?«, flötete der Mann am anderen Ende der Leitung ins Telefon.
»Moin! Sie wollen sicher die Tapioka-Preise haben. Die kann ich Ihnen auch durchgeben«, antwortete ich.
Jeden Morgen riefen die Händler bei uns im Büro in der Hamburger Speicherstadt an, um die aktuellen Preise für Getreide- und Futtermittel zu erfragen, um dann ihre Bestellungen zu tätigen. Die Frauen im Betrieb arbeiteten normalerweise in der Abwicklung und nicht im Handel, aber weil ich als Auszubildende in allen Bereichen eingesetzt werden musste, saß ich an diesem Tag zum ersten Mal im sogenannten Männerbereich.
»Na, aber ich höre doch ganz deutlich, dass Sie eine Frau sind«, stellte der Herr am anderen Ende der Leitung messerscharf fest. Schlagartig hatte sich in seinen flötend-freundlichen Ton Verwunderung, eventuell sogar ein Hauch von Empörung gemischt.
»Ich kann Sie aber genauso gut informieren wie Herr Wattzeck oder jeder andere Kollege.«
»Also ich weiß nicht. Das macht doch immer der Herr Wattzeck.«
»Wollen Sie die Preise jetzt oder nicht?« Nun war ich es, in der langsam, aber sicher ein Hauch von Empörung aufstieg.
»Kennen Sie die aktuellen Preise denn überhaupt?«
»Na klar kenne ich die, die Tabelle liegt ja hier vor mir.«
Der Herr hielt inne. Die Stille am Telefon war so laut, dass ich förmlich hören konnte, wie es in seinem Kopf ratterte. Nach kurzer Pause und einem schweren Ausatmen folgte sein Urteil: »Na gut, dann schieß mal los, mien Deern.«
1976 hatte ich meine Ausbildung als Kaufmann im Groß- und Außenhandel für Getreide- und Futtermittel in meiner Heimatstadt Hamburg begonnen. »Kaufmann«, Sie haben richtig gelesen. Damals gab es lediglich die männliche Bezeichnung, die Form »Kauffrau« existierte für diesen Beruf schlichtweg noch nicht. Ohne vorher großartig über Männer, Frauen oder sonst etwas nachgedacht zu haben, war ich als 16-Jährige in einer Männerdomäne gelandet.
Sie fragen sich vielleicht, warum ein Buch über spätes Verlieben und Sexualität im Alter in der Zentrale eines Getreide- und Futtermittelhandels beginnt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Um den ersten zu erklären, muss ich ein bisschen ausholen: Wenn wir offen über Liebe, Sex und Zärtlichkeiten mit 60, 70 oder 80 sprechen, findet die Gesellschaft das nicht mehr ganz so sexy, wie wenn es um jüngere Menschen mit jüngeren Körpern geht. In den meisten Fällen hat sie Berührungsängste, selbst wenn sie einen scheuen Blick riskiert: »Ach so, ältere Frauen haben noch eine Libido! Wusste ich gar nicht.« Oder, und das ist der schlechteste Fall, die Gesellschaft schaut pikiert weg und ignoriert uns. Somit steht eines fest: Wir brechen mit Konventionen, wenn wir laut sagen, dass sich die 60-jährige Jutta gerade bei einer Partnervermittlung angemeldet hat, dass es Barbara mit ihrem Neuen krachen lässt, seit die Kinder aus dem Haus sind, oder dass unsere alte, verwitwete Großtante aus dem Ruhrpott frisch verliebt ist. Vielleicht sind Sie ja auch so eine frisch verliebte »alte Tante«? Umso besser! Wo mit Tabus und Konventionen gebrochen wird, fühle ich mich zu Hause.
Der zweite Grund für diesen unüblichen Anfang eines Ratgebers über die Liebe in der zweiten Lebenshälfte: Das hier ist kein üblicher Ratgeber für Frauen im sogenannten besten Alter, sondern ein Buch, das Lust machen soll. Auf das Leben, auf Genuss, auf prickelnde Begegnungen, auf älter gewordene Körper - den eigenen wie auch andere -, beflügelnde Flirts und echte Momente mit uns selbst und mit allem, was wir sind.
Und Grund Nummer drei: Wir Ältere wollen es noch mal wissen. Das stelle nicht nur ich fest, das belegen auch Zahlen: Über 30 Prozent der deutschen Singles zwischen 60 und 80 wünschen sich Liebe im hohen Alter. Fast ein Drittel von ihnen ist häufiger sexuell aktiv als ein Drittel der 20- bis 30- Jährigen im Durchschnitt.[1] Verschiedene Studien zeigen außerdem, dass sich 12 bis 47 Prozent der Frauen jenseits der 60 regelmäßig selbst befriedigen.[2] Halleluja! Ganz allgemein lebe die Generation 50 plus freier und kompromissloser als Generationen gleichen Alters vor ihr. Insbesondere Frauen fühlten sich energiegeladen und jung - im Schnitt acht Jahre unter ihrem biologischen Alter. Das sind Erkenntnisse, mit denen man gut arbeiten kann, würde ich sagen. Wie jung oder alt fühlen Sie sich?[3]
Silver Sex und die Frage: Will ich überhaupt noch?
Liebe, Sex und Zärtlichkeiten jenseits der 50? Nackte, um die 60 Jahre alte Körper? Die Gesellschaft tut gerade so, als hätte Leidenschaft ein Verfallsdatum, dabei hören Bedürfnisse in der zweiten Lebenshälfte nicht auf, sie verändern sich nur. Die Generation der Ü50-Jährigen ist sexuell aktiv. Nur 22 Prozent geben an, gar keinen Sex zu haben. 49 Prozent wünschen sich mehrmals im Monat körperliche Liebe.[4] Silver Sex hat also lediglich ein Image-Problem - lassen Sie uns das ändern.
Es gibt genug Silversurferinnen und -surfer, die sich regelmäßig im Internet tummeln und dabei nicht nach einer Zusatzversicherung oder einem Treppenlift suchen, sondern nach Online-Dating mit 50, 60 oder 70 Jahren. In der analogen Welt verhält es sich ähnlich: Da ist etwa die Freundin, die ihren alten Brieffreund zum ersten Mal nach Jahren wiedertrifft und auf einmal ein Kribbeln im Bauch bekommt. Oder die Nachbarin, die mit Mitte 50 zum ersten Mal online flirtet und seitdem immer so rosige Wangen hat. Oder vielleicht sind es ja auch Sie selbst, die seit dem Verlust Ihrer großen Liebe oder seit der Scheidung wieder etwas im Herzen spüren? Dieses Gefühl von: raus ins Leben und mal sehen, was es noch bereithält. Damit sind Sie nicht allein. Dieser Wunsch hört nicht auf, nur weil wir alte Hasen sind. Vielleicht ist nur unser inneres Stimmchen über die Jahre und die Erlebnisse und mit Blick auf unser Geburtsjahr etwas leiser geworden. Liebe und Sexualität im Alter gibt es, wir sprechen nur zu wenig darüber, und wir sehen zu wenig davon.
Lassen Sie uns die Zeit ab sofort besser nutzen. Lassen Sie uns flirten, lachen, unter der Dusche singen, neue Bekanntschaften machen, dem Kribbeln im Schoß nachspüren und uns vielleicht sogar verlieben. Es ist nicht üblich, mit 60 noch über Quickies und Vibratoren zu plaudern? Oder sich hemmungslos zu verknallen, statt die Enkelkinder zu hüten? Na, dann machen wir es doch zu etwas Üblichem, und zwar im positivsten Sinne. Die Kleinen können Sie natürlich nach der Lektüre weiter hüten, aber jetzt sind erst mal Sie dran.
Es ist mir eine Herzensangelegenheit, einen Blick auf das Unübliche zu werfen, denn auch mein Lebensweg folgte oft nicht den Normen, die in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren für Frauen galten. Eher störten sich manche Menschen an meinen Entscheidungen, meiner Freude am Genuss, meiner Freiheitsliebe. Und später, jenseits der Jahrtausendwende, gerade als ich dachte, alles wäre in trockenen Tüchern, zog es mir den Boden unter den Füßen weg, sodass ich wieder mal »nicht richtig« war als Frau in dieser Gesellschaft. Aber der Reihe nach.
Als Auszubildende zum Kaufmann und Henne im Korb hatte ich meinen Platz innerhalb dieser Männerwelt rasch eingenommen. Und ich genoss ihn. Das zackige Tempo, in dem ich Transaktionen oder Verkäufe abwickeln musste, entsprach meinem Naturell. Ein Telefonat hier, ein Angebot da, zwischendurch Wareneinkäufe und immer einen kessen Spruch auf den Lippen. Und ganz nebenbei lernte ich, Menschen zu lesen. Während die meisten Männer nicht gern um Hilfe baten, wenn sie etwas nicht konnten, gingen Frauen offener mit Nachfragen um. Und wenn doch mal ein Mann um Hilfe fragte, dann führte er meist etwas im Schilde.
Es war die Zeit von Jane Fonda, die, nachdem sie sich laut gegen den Vietnamkrieg engagiert hatte, zur Aerobic-Ikone mutierte. Für Sport interessierte ich mich kaum, die Fonda fand ich aber toll. Weil ich aus einem klassisch hanseatischen Elternhaus kam, bekam ich all das nur aus weiter Ferne mit. Abendliches Ausgehen missfiel meinem konservativen Vater - »Um 22 Uhr ist das Kind zu Hause!« -, wobei »das Kind« damals bereits steil auf die 20 zuging. Ich hatte das Bedürfnis auszubrechen, zumindest ein bisschen. Also zog ich für ein Praktikum in einem Autohaus nach München um. Zum ersten Mal Miniröcke, Partys bis frühmorgens und jungen Männern schöne Augen machen - eine Art Erwachen für ein überbehütetes Mädchen wie mich. Erinnern Sie sich an das Gefühl, wenn man auf einer Schaukel sitzt und von hoch oben wieder Richtung Erde saust? Dieses unfassbare Kribbeln! Ich lernte es in diesen Jahren von einer völlig neuen Seite kennen. Dieses neue Lebensgefühl nahm ich sechs Monate später mit zurück nach Hamburg, wo ich nicht wieder bei meinen Eltern einzog, sondern mir eine kleine Wohnung suchte.
Statt in die Autobranche zu wechseln, zog es mich zurück in die internationale Welt...
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