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George Plimpton, der legendäre Verleger der »Paris Review«, führte für dies Buch Hunderte von Interviews, die zeigen, dass es nicht immer nur eine Wahrheit gibt - schon gar nicht, wenn man es mit einem Menschen wie Capote zu tun hat. Ein hochtalentierter Autor und gleichzeitig ein verrückter, eitler, exzentrischer Schauspieler. Auf seinem Lebensweg begegnen wir zahlreicher Prominenz von Andy Warhol über Joan Didion, Norman Mailer bis zu seinem Erzfeind Gore Vidal. Sie alle waren Zeugen seines kometenhaften Erfolgs und später Beobachter seines jähen Absturzes, der auf die Veröffentlichung von »Erhörte Gebete« folgte.
KAPITEL EINS
In dem der Leser Monroeville und Harper Lee kennenlernt und auf TCs erste große Party geht
MATTHEW RHODES (Einwohner) Wenn man Monroeville von Süden her erreicht, nachdem man meilenweit durch Baumwollfelder gefahren ist, kommt man als Erstes an der Vanity-Fair-Fabrik vorbei, dem größten Arbeitgeber der Stadt. Dort wurde früher hauptsächlich Damenunterwäsche angefertigt, heute stellen sie Lee-Jeans und Poloshirts her. Dann fährt man am Community College vorbei. Früher hieß es Patrick Henry Community College, heute ist es das Alabama Southern – keine Ahnung, was sie auf einmal gegen Patrick Henry haben. Dann kommt eine Reihe von Restaurants – McDonald’s, Hardees und ein kleines Diner namens Radley’s, benannt nach Boo Radley aus Harper Lees Roman Wer die Nachtigall stört.
Schließlich erreicht man den großen Stadtplatz. Die Geschäfte haben sich mit den Jahren ziemlich verändert. Jennie Faulk, Trumans Tante, hatte hier einen Hutladen, aber den finden Sie heute nicht mehr. Inzwischen haben sich hier mehrere Büros und Läden angesiedelt: zwei Anwälte, ein Reisebüro, ein Videoverleih, ein christlicher Buchladen, ein Möbelgeschäft und natürlich Dickie Williams’ Drugstore. Wenn Sie irgendwelchen Tratsch hören wollen, dann gehen Sie zu Dickie und reden mit ihm. Er ist so etwas wie ein selbst ernannter Stadthistoriker, aber über Truman hat er nur ein paar Geschichten parat. Eine davon geht so: Einmal kam dieser kleine Mann hinein und sagte mit schriller Stimme: »Ich will nur einen kleinen schwarzen Kamm, etwa so lang – sonst nichts.« Dann gibt es die andere Geschichte, in der Dickie Truman fragt: »Wie kannst du so sicher sein, dass du mit deinem Schreiben Erfolg haben wirst?« Und Truman antwortet: »Es ist wie beim Baseball. Der erste Treffer ist schwierig, aber der Rest ist einfach.« Das ist so ungefähr alles. Aber Dickie gibt sich alle Mühe, um den Touristen, die in die Stadt kommen, gefällig zu sein. Er achtet die Faulk-Familie, die Truman aufgezogen hat, sehr – und Harper Lees Familie ebenfalls.
In der Mitte des Platzes steht das alte Gerichtsgebäude, das um die Jahrhundertwende erbaut wurde, und gleich daneben der Neubau, der aus den 1960er Jahren stammt. Harper Lee – jeder hier nennt sie Nelle – beschreibt das alte Gerichtsgebäude in Wer die Nachtigall stört als baufällig, doch in den letzten Jahren wurde viel Geld investiert, um das Gebäude zu erhalten. Wenn man hinauf in den Gerichtssaal im ersten Stock geht, entdeckt man als Erstes eine Tafel über der Tür, auf der steht: »Dieser Raum diente als Modell für die Gerichtsszene in Wer die Nachtigall stört.« Hier finden sich verschiedene Ausstellungsstücke – zu den Indianerstämmen aus der Gegend, zum Krieg von 1812 und zum Krieg mit den Creek-Indianern –, die von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden. Weiter hinten in einer Ecke befinden sich die Exponate zu Truman Capote und Harper Lee. Es sind nicht viele: sechs signierte Fotos von Gregory Peck, der in der Verfilmung von Wer die Nachtigall stört den Atticus gespielt hat; vier Exemplare von Trumans Büchern, alle signiert, sowie eine Vitrine mit Fotokopien von Briefen aus der New York Library, die er in Monroeville geschrieben hat oder in denen Monroeville erwähnt wird; das Life-Magazin mit Truman und den beiden Schauspielern, die die Mörder in Kaltblütig spielen, auf dem Cover und das Originaldrehbuch des Films. Von Harper Lee haben wir überhaupt nichts, obwohl sie noch hier lebt.
Das Grundstück direkt am Platz, auf dem das Faulk-Haus stand, ist heute unbebaut. Das erste Haus brannte 1940 ab, und Jenny Faulk und ihre Familie zogen, während es wieder aufgebaut wurde, in ein kleines Haus außerhalb der Stadt. Vom zweiten Haus, das 1988 abgerissen wurde, sind nur noch Reste von der Steinmauer vorhanden, die um das Grundstück herum verlief. An der hinteren Ecke ist ein kleiner Softeis-Stand, der mittags ein paar Stunden lang geöffnet ist, wenn die Kinder von der Schule kommen. Sie haben natürlich keine Ahnung, wer hier einst gelebt hat.
Harper Lee wohnte gleich nebenan. Erstaunlich, dass gleich zwei berühmte Schriftsteller aus einer so kleinen Stadt in Alabama stammen. Es sollte eigentlich eine Tafel angebracht werden mit dem Hinweis, dass unsere Stadt die Heimat von Harper Lee und Truman Capote ist. Nelle wehrte sich immer dagegen – auch den Vorschlag, einen Harper-Lee-Tag einzuführen, hat sie rundweg abgelehnt.
Nelle, die heute kaum mehr Beachtung findet, lebt in einem kleinen, einstöckigen Backsteinbau mit einer Garage und einem Maschendrahtzaun drum herum. Weil so viel darüber geredet wird, wie zurückgezogen sie lebt und wie sehr sie öffentliche Aufmerksamkeit verabscheut, stellt man sich vor, sie würde in einer Festung leben, so ähnlich wie J. D. Salinger, mit einem Tunnel, Hunden und einem Wachturm. Wenn man ihr Haus dann sieht, ist man enttäuscht, weil man es sich so anders vorgestellt hat. In einer Stadt wie Monroeville kann ich mir absolut sicher sein, dass Harper Lee genau weiß, wer ich bin und was ich tue. Als ich vor drei Jahren hierherzog, wollte ich ein Buch darüber schreiben, wie ihr Roman und Capotes Werk die Sicht auf den amerikanischen Süden verändert haben, auf die Rassenbeziehungen und das Leben in einer Kleinstadt in Alabama. Ich schrieb ihr einen Brief darüber, was ich vorhatte. Sie antwortete mir und dankte mir für mein freundliches Schreiben, sie würde mir allerdings niemals gestatten, ein solches Vorhaben weiterzuverfolgen. Die Leute aus der Stadt, die Interviews gäben, nur um Kapital daraus zu schlagen, wüssten tatsächlich gar nichts über sie. Ich solle dem, was sie zu sagen hätten, keinen Glauben schenken, denn die Menschen, die sie am besten kannten, würden nicht über sie reden. Abschließend machte sie noch den eigenartigen Vorschlag, ich solle stattdessen über William Barrett Travis schreiben, der bei Monroeville eine Anwaltskanzlei hatte, oder auch über Rube Burrough, einen Bankräuber, der um die Jahrhundertwende im Süden von Alabama lebte.
EUGENE WALTER (Dichter) Alle regen sich immer auf, weil sie finden, man hätte kein Recht, so tief in das Leben anderer einzudringen. Es ist zwar eine typische Tradition des Südens, sich in die Leben anderer einzumischen, aber nur hinter verschlossenen Türen. Fensterläden zu und her mit dem Apfelwein, dann geht es los. Aber niemals in der Öffentlichkeit!
MATTHEW RHODES An einem meiner ersten Tage in der Stadt unterhielt ich mich mit einem alteingesessenen Einwohner von Monroeville. Nach einigen Minuten fiel mir auf, dass er mich komisch ansah. Schließlich sagte er: »Sie sind nicht von hier, oder?«
»Nein, ich stamme eigentlich aus Virginia.«
»Zum Teufel, Sie sind ein Yankee!«, sagte er.
Als ich darauf hinwies, dass Virginia sich südlich der Mason-Dixon-Linie befindet, sagte er todernst: »Sohn, eines wirst du hier ganz schnell lernen. Jeder, der von irgendwo nördlich von Birmingham kommt, ist ein Yankee!«
Wie lange man hier auch wohnt und wie sehr man es auch versuchen mag, es ist unmöglich, aus dem Schatten von Harper Lee und Truman Capote herauszutreten. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ihre Namen nicht erwähnt werden.
Truman ist für Monroeville immer ein Rätsel geblieben. Einige Familienangehörige leben noch immer in der Gegend, und jeder von ihnen bemüht sich mehr oder weniger, das Mysterium aufrechtzuerhalten. Abgesehen von den wenigen Museumsstücken im Gerichtsgebäude und einer knappen Erwähnung auf einer Tafel außerhalb der Stadt erinnert so gut wie gar nichts mehr an sein Leben hier. Auf dem Grundstück, auf dem früher das Haus der Faulk-Familie stand, wurde kürzlich ein Gedenkstein aufgestellt, und es gibt natürlich noch einige alte Leute, die sich an Truman und an die Stadt, wie sie damals war, erinnern und gerne darüber Auskunft geben.
JENNINGS FAULK CARTER (Cousin) Damals war alles ganz anders. Die Straßen waren unbefestigt, außer um den Stadtplatz herum, der von riesigen Eichen umgeben war – und es gab Pfosten, an denen man die Pferdefuhrwerke anbinden konnte. Jeden Sonnabendnachmittag kamen die Farmer zum Einkaufen in die Stadt. Heute ist Monroeville am Sonnabend wie leer gefegt.
DR. CLAIRE BAYLES (Professorin) In der heißen, trockenen Jahreszeit sammelte sich so viel Staub an, dass man alle Fenster offen lassen musste. Wir wischten ständig Staub, aber dennoch konnte man seinen Namen auf jeden Spiegel im Haus schreiben. Ich kann mich noch an den Viehtrieb auf dem Camden Highway erinnern. Als ich drei oder vier Jahre alt war, trug mein Vater mich auf die Veranda, damit ich sehen konnte, wie eine Herde Ochsen auf den Markt getrieben wurde, nicht etwa von Cowboys, sondern von Männern in Latzhosen, die sie mit langen Stöcken in die Stadt hineintrieben. Er sagte: »Schätzchen, ich wette, es ist das letzte Mal, dass sie diesen Weg nehmen.« Er hatte beinahe...
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