Schweitzer Fachinformationen
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Wir schreiben das Jahr 2024. Du bist ausgebrannt und stehst kurz davor, aus dem Fenster zu springen. Es weihnachtet sehr, jedenfalls draußen vor der Tür, und dein Freund Martin hat dich verlassen. Nach all den vielen gemeinsamen und unglücklichen Jahren - verdammte Beziehungskiste! Du fragst dich, wozu es gut war, dass du so lange mit ihm durchgehalten hast. Martin hat den Absprung gerade noch rechtzeitig vor seiner Vergreisung geschafft, bildet er sich jedenfalls ein, der alte Pflaumen-August. Als unansehnlicher Silberrücken mit ansehnlichem Gehalt und gut dotierter Stelle lebt er seine spätadoleszenten Wechseljahre in vollen Zügen aus und lernt im Sommer Stand-up-Paddling am Comer See mit seiner neuen Flamme, die 15 Jahre jünger ist als er - und mit der er nun auch offiziell liiert ist.
Inoffiziell lief natürlich schon länger was zwischen den beiden. Nun ist es raus, und du begießt dein neues Single-Glück in deiner Freizeit mit deinen Freundinnen, sofern die mal Zeit für dich haben.
Jahrzehntelang hast du auf dem Sonnendeck geparkt, im Speckgürtel der 70er-, 80er-, 90er- und 00er-Jahre, warst in "New York - Rio - Tokyo" unterwegs oder hast wenigstens mitgegrölt, wenn der Song 1986 im Radio lief, hast wie Vic in "La Boum I" von Mathieu geträumt, mit den Bananarama-Girls auf Robert De Niro gewartet, gefühlt unendlich viele Mix-Tapes beschriftet und Madonna vergöttert, als die noch wie ein lebendiger und nicht wie ein toter Vamp aussah.
Du warst live vor der Glotze dabei, als Jürgen und Zlatko sich im Big-Brother-Container verbrüderten.
Und du hast dich erfolgreich mit dem aufregenden Liebesleben von Brandon und Brenda aus "Beverly Hills, 90210" von der Tatsache abgelenkt, dass dein eigenes brachlag. Du hast in den 90ern jedes Wochenende Wiedervereinigung gefeiert und deine knallrot gefärbte "Enie van de Meiklokjes"-Gedächtnisfrisur auf Raves zwischen Berlin-Ost und dem Brandenburger Tor geschüttelt. Die 90er, das Jahrzehnt der "Love Parade", damals konntest du es noch tragen, dein bauchfreies Top und deinen sichtbaren Tanga. Heute siehst du darin aus wie Elliot, das Schmunzelmonster, auf Speed.
Oder wie eine Bockwurst mit halber Pelle.
Und nun das - Bandsalat auf ganzer Linie. Der "Wind Of Change" hat sich gedreht, du verstehst die Welt nicht mehr - und hast ein Pfeifen im Ohr, allerdings nicht das von Klaus Meine. Eventuell ist es ein Tinnitus.
Eigentlich, das dachtest du bis vorgestern, bist du immer ein steiler Zahn gewesen, im Herzen jung und modern für dein Alter - auch noch als etwas angejahrte Braut. Sprachtechnisch hast du aufgesattelt und dir das Vokabular der Generationen Y bis Z und Alpha draufgeschaufelt. Du bist psychologisch geschult, hast alle Bücher von Stefanie Stahl gelesen und diskutierst mit deiner Freundin Petra nicht nur über dein inneres Schattenkind, sondern auch über eure kaputten Bindungsmuster, Selfcare und Female Empowerment.
Und du kannst sogar die Sprache der woken Szene einwandfrei übersetzen und weißt, was gemeint ist, wenn Sätze fallen wie dieser:
"Grammatik ist ein kolonialrassistisches Tool von White Supremacy, um BIPoCs zu unterdrücken."
Diese im ersten Moment komplex wirkende und leicht verklausulierte Wörter-Aneinanderreihung bedeutet nämlich nicht viel mehr als:
"Ihr seid alle Kindermörder und könnt unseren Code nicht knacken, ihr alten weißen OK Boomer! Fi . euch!
Ihr seid schuld an allem, und wir ziehen jetzt andere Seiten auf! Ihr Klimaschänder! Ihr Hedonistenschweine, ihr!
Fi . euch hart, ihr habt auf unsere Kosten gelebt und die Umwelt versaut, ihr . *$*öskhz§x-sd%#!#&((:)))!"
Was sollst du machen? Du bist ein Kind der Generation X, vollkommen verwöhnt, gepudert und gepampert, und zwar bloß deshalb, weil du zufällig in den besten Jahrzehnten der Menschheitsgeschichte aufgewachsen bist. Mit allem, was man als Jugendliche so brauchte: viel Freiheit, eine Perspektive und genügend Knete, um dir die Must-haves der 80er und 90er leisten zu können. Zum Beispiel Leggins, rosa-weiße Ringelstulpen und einen Body in Reizhusten fördernden Farben für dein Original-Aerobic-Workout à la Jane Fonda mit 15 anderen weiblichen Teenies in deinem Alter in der Schulturnhalle mit eurer Sportlehrerin, Frau Suhrbier, die zwar nicht wirkte wie ein Superstar aus Los Angeles, dafür aber mit ihrem roten Stirnband und ihrer
80s-Lockenmähne aussah wie der junge John McEnroe im schweißtreibenden Einsatz auf dem Tennisplatztt
Dein Taschengeld hast du außerdem für freshe Jogginganzüge in allen erdenklichen Neonfarben ausgegeben. Die trugst du aber nicht beim Jazzdance, sondern in der Disco - so wie die oberhammerstarken Rapper aus der South Bronx! Und wenn du richtig cool sein wolltest, hast du dich mit deinem Lieblingsparfüm
- "Poison" von Dior, ein Geschenk von Oma Hedwig - eingedieselt, deinen Taillengürtel über den Leggins enger geschnallt und dazu deinen XXXL-Oversize-Blazar mit Schulterpolstern angezogen.
Halt - etwas fehlt noch . Ach ja, drei Kilo schwere Ketten im Stil von Madonna in ihrer "Into The Groove"-Phase hast du dir auch noch übergeworfen - perfekt für eine heiße Schwarzlicht-Nacht in deiner Lieblingsdisse "Manhattan" mit einem
"Blue Martini" in der einen und einer Fluppe in der anderen Hand.
Ja, du bist eine Durchblickerin, immer am Puls der Zeit, und hast die Vollpeilung in Sachen Mode, Style und Geschmack. Und nun wirst du von den Kids abgestempelt und reduziert auf den Begriff "alter weißer Cis-Mensch". Ja, ein "Cis-Mensch" bist du, in diesem Fall wohl ein weiblich gelesener. Deinetwegen auch ein stinknormaler. Aber eine Kindermörderin und Klimaschänderin bist du nicht! Du warst einfach jung damals in den 80er- und 90er-Jahren und hast nicht so viel über alles nachgedacht. Jedenfalls nicht so viel wie die Jugend von heute. Du glaubtest immer, du seist ein guter Mensch, kritisch, linksalternativ und gegen Atomkraft. Aber sich gut zu fühlen, das hat wohl nicht ganz gereicht.
Obwohl du in den 80ern mal an einer Friedensdemo teilgenommen hast, in Berlin-Kreuzberg, einige Jahre vor dem Mauerfall. Daran erinnerst du dich gern zurück. Vor allem an diesen einen Punk mit schwarzer Lou-Reed-Sonnenbrille und lilafarbenem Haupthaar - der war süß! Auch an die Transparente erinnerst du dich. "Stoppt Strauß!" und "Fahrt zur Hölle, ihr Schweine!" stand darauf. Du wusstest zwar nicht, welche Schweine gemeint waren, konntest dich aber voll mit den Parolen identifizieren. Vielleicht hättest du aber insgesamt mehr tun müssen für die Umwelt - dich auf die Straße kleben lassen oder so was. Doch dir fehlte seinerzeit noch das echte Problembewusstsein, das Problembewusstsein, das die jungen Menschen heutzutage umtreibt und nicht schlafen lässt - mögen sie nun cis, lesbisch, schwul, bisexuell, queer, transgender oder etwas noch nicht näher Definiertes sein.
Seit die LGBTQIA+-Bewegung auf dem Vormarsch ist, fühlst du dich an manchen Tagen überdurchschnittlich alt, dabei bist du mit Mitte 50 in Deutschland immer noch ein total junger Hüpfer, Stichwort Überalterung.
Und seit der Kulturkampf zwischen links und rechts um das Thema Identitätspolitik so richtig entbrannt ist, bist du etwas vorsichtiger geworden. Du machst in der Öffentlichkeit keine politisch unkorrekten Witze mehr, lachst nicht über die Altherren-Kalauer deines blöden Chefs und posaunst deine Meinung nicht mehr an jeder Ecke heraus. Die Zeiten, als in deutschen Talkshows noch kontrovers diskutiert wurde und Tische mit dem Beil zerhackt wurden, sind schließlich vorbei. Und wohin es führt, wenn alte weiße Cis-Menschen sich zu weit aus dem Fenster lehnen, lässt sich ja an Männern wie Richard David Precht und Markus Lanz beobachten.
Precht wurde noch vor ein paar Jahren als kritischer Kopf, eloquenter Philosoph und Traum aller Frauen hoch gehandelt - und ist aktuell, glaubt man der Jugend von heute, ein verkappter Nazi und Antisemit. Same same mit Lanz: Der galt in den 90ern als ein aufstrebendes Synthiepop-Talent, als er seinem Vorbild Giorgio Moroder nacheiferte und aus Protest gegen die französischen Kernwaffentests auf Mururoa unter dem Namen Le Camembert Radioactif die Single "F.! Chirac" aufnahm. Lanz hatte den Song zu Hause produziert.
Anschließend mischte er die Republik ab 1992 mit der Sendung "Explosiv - Das Magazin" auf, die dem Privatsender RTL satte Quoten bescherte. Leider war der gebürtige Südtiroler bis 2006 mit seiner Kollegin Birgit Schrowange liiert. Die beiden galten als Traumpaar der deutschen Moderatorenszene. Insgeheim träumten viele Mütter aber weiter von diesem entzückenden Charmebolzen und Kavalier der alten Schule. Und auch Jüngere schmachteten ihn an, sah er doch noch besser aus als Roger Moore, Timothy Dalton und Pierce Brosnan zusammen, also...
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