Schweitzer Fachinformationen
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In einer nach-apokalyptischen, von Frauen beherrschten Welt, in der Fortpflanzungsideologien zur tödlichen Gefahr werden. Auf der Flucht vor den Witwen, einem Amazonenvolk, das die verfallenden Städte bewohnt, begibt sich der Einzelgänger Talisman auf eine abenteuerliche Odyssee, die ihn zunächst in das ehemalige Hongkong führt, wo seine Füße aus ideologisch-ästhetischen Gründen durch kostbare Prothesen ersetzt werden. Die Rückkehr in seine Heimat wird zu einer skurrilen, gulliverhaften Reise, in der Talisman zu einer Schlüsselfigur im Kampf um Freiheit, Selbstbestimmung und kulturelle Tradition wird. Schließlich sesshaft geworden, beginnt er einen Krieg gegen die Witwen in seinem Land. Nach einer schweren Niederlage kehrt er wieder nach Hongkong zurück und erlebt dort erste revolutionäre Versuche zur Entwicklung eines neuen Mannes.
Am Morgen beruhigte sich die See. Ich hatte genug geschluckt, um zu wissen, dass sie salzig schmeckte. Während die Sonne stieg und nur wenige Wolken am Himmel blieben, wartete ich auf das Gebrüll der Saurier, auf die Riesenfische und Rochen, von denen ich gehört hatte. Und als der Tod nicht sofort erscheinen wollte, versuchte ich wieder - auf dem Rücken liegend - mich zu entspannen und wunderte mich, dass es leichter ging als in den Flüssen.
Eine Küste war nicht zu sehen, und ich wäre sicher ertrunken, hätte mich ein Boot nicht aufgenommen. Erst als man mich hinaufgezogen hatte, sah ich, dass es zwei Rümpfe besaß, die hoch über das Wasser ragten. Dankbarkeit erfüllte mich, und gelassen musterte ich die Amazonen, die mich umringten.
Bleich war ich, eingefallen vor Hunger. Und als sie fragten, woher ich käme, antwortete ich: von den Toten. Sie wichen zurück. Nach einer Pause befahl die eine, ihr zu folgen. Ich wurde nach unten gebracht und durfte mich waschen. Einen Umhang erhielt ich auch und eine Suppe. Dann ging es über eine Brücke zur anderen Seite des Katamarans.
Die war fürstlich. Teppiche bedeckten den Boden. Es roch nach teuren Gewürzen. Nur selten hatte ich Räume kennengelernt, wo die Frauen sich derart verwöhnten. Vor einem Spiegel saß eine mit ernstem Gesicht. Während sie sich die Lippen nachzog, betrachtete sie mich durch das Glas. Was ich denn könne, fragte sie. Und ich antwortete:
»Sprechen und Schreiben.«
»Und wovon?«, wollte sie wissen.
Und ich sagte: »Davon, was noch kein Lebender sah.«
Sie hob eine Braue.
Ob ich ihr weiszumachen versuchte, ich sei ein Toter?
»Das nicht«, sagte ich und schwieg.
Und sie ließ die Braue wieder sinken und malte weiter am Mund, bis er größer war, als die Natur ihn ihr schenkte, und drehte sich um, und wollte wissen, ob ich gegessen hätte.
Ich nickte.
Sie sagte, sie wolle nachdenken. Ihre Offiziere würden mir das Schiff zeigen und, wenn ich wollte, auch über die Reise berichten.
Während ich über die Planken geführt wurde und die Frauen mich stützten, weil ich offensichtlich noch geschwächt war von meinen Abenteuern, rief eine von achtern:
»Ein Mann auf dem Schiff, das bringt Glück!«
Nach Tagen hatte ich mich so weit erholt, dass ich allein gehen konnte. Schwach war ich noch immer und so lag ich meist im Schatten der Masten und ließ die Brise über mich streichen und freute mich, dass niemand nach meinen Diensten verlangte. Später führte mich eine unter Deck, zwei Stockwerke tief, wo ein Teil der Frauen versammelt war.
Sie sagte, sie spräche im Namen der Fürstin. Meine Nachrichten, sofern ich welche besäße, solle ich tunlichst für mich behalten. Das sei das erste. Zweitens, von meinen Fähigkeiten wolle man keinen Gebrauch machen. Da die Besatzung mich akzeptiere, sei nur die Frage zu klären, ob mir ein Schicksal als Talisman genüge?
Darauf erhob sich Jubel.
Es wurden Becher hervorgekramt. Plötzlich war Wein auf dem Tisch, freilich nicht für mich. Ich könne mich bewegen, wohin ich wolle, wurde gesagt, auf dieser Seite des Katamarans; auf der anderen hätte ich nichts zu suchen. Von den Mahlzeiten erhielte ich die Reste und jederzeit Wasser zum Trinken. Eine Kammer würde für mich bereitet. Und wieder klang es wie Drohung, als sie sagte, Arbeit erwarte man nicht. Als ich von mir aus eine Frage stellte, hob sie die Hand, winkte dann wieder ab und meinte:
»Gut, ausnahmsweise.« Sie wollte sie mir beantworten. Es ginge zur Stadt der Städte. Es würde dauern, je nach den Winden und nach den Häfen, die man anlaufen würde. Ach ja, und eine Letztes, ich solle mich am nächsten Tag bei der Silberschmiedin einfinden. Damit war ich entlassen.
Unten lärmten die Frauen. Die im Dienst waren, lauschten sehnsüchtig den Stimmen, die aus den Luken nach oben drangen. Dann wurde auch ihnen Wein gebracht. Obwohl man mir keinen anbot, hatte ich doch das Gefühl, dass das Fest mit meiner Ankunft verbunden war. Die Wachen nickten mir zu und tranken. Als ich zurücknickte, lachten sie, als wunderten sie sich, dass ich ihre Geste verstand.
»Hat er nicht schöne Augen?«, sagte eine zur anderen. Und eine dritte: »Sieh dieses Haar. Vielleicht müsste es kürzer sein. Aber wenn die Sonne es bleicht und der salzige Wind, wird es bald sein wie unseres. Und seine Haut wird schimmern vor Bräune. Wir müssen darauf achten, dass er nicht zu oft in die Sonne gerät, die schält ihm sonst das Fleisch von den Knochen.«
So war man um mich besorgt, aber ich traute dem Frieden nicht, weil ich kein Narr mehr war, wie ich meinte. Dann strömten die Bacchantinnen an Deck, taumelten leicht mit der Dünung. Und ich, der Übles befürchtete, wich an die Reling zurück. Aber sie lachten nur, spotteten wohl ein bisschen, aber hielten Abstand. Und eine schließlich sagte, die Silberschmiedin sollte nicht warten, es wäre besser, ich ginge gleich.
Sie brachten mich wieder hinab. Tiefer diesmal, dass ich schon meinte, auf dem Kiel des Schiffes zu stehen. Durch ein schmales Fenster fiel Licht auf den Arbeitstisch, der überladen war mit Geräten, ziselierten Ringen, Figuren und kleinen Masken.
Die Schmiedin hieß mich, einen Fuß auf den Schemel zu setzen. Dann suchte sie lange und wählte schließlich einen sehr breiten Ring.
Der müsste passen. Ich sollte warten. Sie setzte sich, und beschrieb mit einer eisernen Nadel den Ring.
»Das ist Mandarin«, sagte sie, »bei uns schreiben es alle. Denn die Dialekte sind unzählbar.«
»Und was heißt es?«, fragte ich.
Auch sie machte eine Bewegung, als hätte ich nicht zu fragen. Doch dann besann sie sich und sagte etwas, was ich nicht verstand.
»Der Name des Schiffes«, erklärte sie und ließ mich meinen Fuß wieder heben, den rechten, und schob mir den Ring um den großen Zeh. Dann nahm sie eine gebogene Zange und bog den Ring behutsam, bis er eng die Haut umschloss. Man brachte mich wieder nach oben. Es gab neuen Jubel. Ich saß und starrte zum Horizont.
Meine Kammer hatte kein Fenster, und die Tür ließ sich nicht verschließen. Der Raum enthielt eine Pritsche, einen Abtritt, eine Schüssel zum Waschen und einen Spiegel. Hier hätte ich mir den Bart schaben können, hätte man mir ein Messer gegeben. Nachts lag ich auf der Pritsche und hörte ihre Stimmen und manchmal sangen sie und rühmten sich ihrer Taten.
Schlief ich ein, so war es keine Gnade, denn in den Träumen folgten mir die Bilder der Unterwelt lange noch nach. Die kleinen männlichen Leichen schienen vom Kielwasser des Schiffes geradezu angezogen, und ich hatte morgens nichts anderes zu tun, als ans Heck zu laufen und nachzusehen, ob ich nur geträumt oder ob uns wirklich eine Spur von Leibern folgte. Aber da waren nur Tümmler, ganze Schulen, die mich mit ihren Sprüngen neckten. Und doch träumte ich jede Nacht neu, sodass ich morgens müder auftauchte, als ich abends meine Kammer betreten hatte. Das fiel auch den Frauen auf. Sie fragten, was mit mir wäre. Als ich von schlechten Träumen sprach, erstarrten ihre Gesichter und man brachte mir auf einem silbernen Teller Speisen, wie ich sie bislang nicht bekommen hatte, und einen Pokal mit Wein, und eine wurde abkommandiert, mir die Pritsche an Deck zu holen. Man bettete mich im Schatten des Segels und ließ mich ruhen und fragte nach Wünschen, als fürchtete man meine Träume genauso wie ich.
In der Tat, der Wein zeigte Wirkung. Endlich fand ich traumlosen Schlaf. Ich glaube, ich verschlief den Tag und die Nacht, und doch fröstelte ich nicht am nächsten Morgen, denn man hatte ein weiches Tuch über mich gedeckt und darüber eine Plane. Ich kroch unter den Decken hervor. Ein Morgen, wie ihn nur der Süden schenkt. Die Luft gesättigt von Feuchtigkeit und Wärme, schreiende Vögel, die Land signalisierten, eine Sonne, noch gnädig, nur wärmend, nicht die Haut versengend. Ich ging bis zum Bug und fiel dort nieder und kniete, die Arme auf die Reling gestützt, und war seit Langem in Einklang mit dem, was war.
»Er betet«, hörte ich die Wachen sagen; das klang verständig. Dann kam eine Gruppe mit besorgten Gesichtern: wie ich geschlafen hätte.
»Prächtig«, sagte ich wahrheitsgemäß.
Das schien sie zu erleichtern. Aber erst, als die Frage nach meinen Träumen mich heiter ließ, brach wieder jene Fröhlichkeit aus, die ich schon gewohnt war auf dieser Jacht.
Es gab viel zu lernen, obwohl ich kein Vorbild besaß und vorsichtiger sein musste als in den tropischen Wäldern. Zwar hatte ich kein Amt, doch Pflichten, die Disziplin verlangten in einer Weise, die zuweilen meine Kraft überstieg. Dann träumte ich schlecht, und ließ es niemanden merken, so gut ich konnte. Und doch war die Verstimmung deutlich für alle, die mich zu kennen begannen. Eine Ärztin verschrieb mir Massagen. Mir wurden die Haare gewaschen und die Nägel geschnitten und der Bart in Form gebracht und Wein und Wasser gereicht, sobald ich danach verlangte.
Eines Morgens kreuzte ein Schiff unseren Kurs. Noch nie hatte ich ein so plumpes Gefährt gesehen, mit großem rötlichem Segel.
Eine Dschunke, rief eine der Frauen. Die Schiffe tauschten Signale aus von Mast zu Mast. Langsam verschwand die Dschunke am Horizont. Manchmal hörte ich den Frauen zu. Sie sprachen auch von unserem Ziel. Aber sie kannten es alle, und so erhaschte ich nur selten Hinweise auf seine Größe. Hunderttausende mussten dort leben, gedrängt in verschiedenen Häfen, auf Schiffen, groß...
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