Schweitzer Fachinformationen
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Samstag, 12. August
Pünktlich auf die Minute betrat Gruppeninspektor Obiltschnig den Polizeiposten im Bezirksgericht. Auf dem Weg hatte er kurz bei der Trafik3 von Nicole Mikel einen Zwischenstopp eingelegt, um sich die Krone und die Kleine zu besorgen. Die gedachte er nun im Büro bei einer Tasse Kaffee zu studieren. Tatsächlich prangte ein reißerisches Foto auf der Titelseite der Kronen-Zeitung. Dazu die Schlagzeile »Bestialischer Mord auf Hochosterwitz«. Die Kleine war ein wenig dezenter. Auch sie hatte die Causa auf der Titelseite, doch war dort eine fast malerisch zu nennende Postkartenidylle der Burg zu sehen. Dazu der Titel »Rätselhafter Mord in altem Gemäuer«. Beide Medien kündigten einen ausführlichen Bericht im Blattinneren an.
Obiltschnig begann mit der Lektüre der Krone, da er den Redakteur im Gegensatz zu jenem der Kleinen kannte. Eilig blätterte er zur avisierten Seite. Auch dort gab es jede Menge Fotos und relativ wenig Text. Den freilich beachtete er vorerst nicht, denn ihn fesselte sofort Bergmanns Werk, das mit »Wer kennt diesen Mann?« untertitelt war. Tratnik hatte Wort gehalten. Der Bericht selbst war vielleicht etwas reißerisch, hielt sich aber nichtsdestotrotz an die Fakten. Ähnlich, wenn auch eine Spur prosaischer, die Zeilen in der Kleinen. Nun konnte er nicht mehr viel machen, als darauf zu warten, dass das Telefon klingelte.
Und da läutete es auch schon. Beschwingt hob Obiltschnig ab und leierte den erforderlichen Sermon herunter. Er kam nicht bis zum Ende seines Spruchs, als er schon von Dullnig unterbrochen wurde. »War das mit dem Foto Ihre Idee?« Der Gruppeninspektor bestätigte diese Vermutung. »Das haben Sie gut gemacht. Sind schon Anrufe eingegangen?« Nun verneinte Obiltschnig. »Aber das muss nichts heißen, der Tag ist ja noch jung.« Offensichtlich dachte Dullnig nach, denn es entstand eine kleine Pause. »Gut. Sie halten mich auf dem Laufenden.«
»Aber selbstverständlich, Herr Oberst.« Gleich darauf war die Verbindung unterbrochen. Eine kleine Weile saß Obiltschnig noch in seinem Amtszimmer, dann nahm seine Unruhe überhand. Kurz entschlossen leitete er die potenziell eingehenden Anrufe auf sein Handy um und begab sich auf Streife. Wie nicht anders zu erwarten, lag die Stadt an einem Samstagvormittag recht beschaulich vor ihm. Der kleine Blumenladen gegenüber dem Schloss schien nicht gerade überlaufen zu sein, und das Gasthaus Renko hatte seine Pforten noch nicht geöffnet. Am Hauptplatz stand Honza erwartungsvoll vor der Tür zu seinem Geschäft, während auf der anderen Seite die ersten Gäste Kaffee bestellten. Er beobachtete, wie Tanja Greiderer eben im BIPA verschwand, während zwei Jugendliche darum bemüht waren, die Treppen vom Rathaus mit ihren Boards zu überspringen. Als Obiltschnig eben überlegte, ob er die beiden abmahnen sollte, klingelte sein Handy.
»Servus, Kollege. Gruppeninspektor Smrekar hier, Dienststelle Sankt Veit. Wir haben hier einige Vertreter der Mittelaltertage in Hochosterwitz bei uns, die uns fragen, ob das Festival wie geplant eröffnet werden darf. Ich bin da, ehrlich gesagt, überfragt. Und in der Zentrale haben sie mir erklärt, die Verantwortung liege bei dir. Also wie ist das jetzt?«
Obiltschnig überlegte kurz. Eigentlich waren alle Spuren gesichert. Zudem fand die Veranstaltung ja unten im Tal statt, weitab vom Tatort. Es sprach also nichts dagegen, den Mittelalterfreunden ihren Spaß zu gönnen. »Also von mir aus können die ganz normal anfangen. Das gilt auch, falls wer fragt, für das Burgmuseum.« Smrekar bedankte sich und beendete das Gespräch. Obiltschnig aber setzte seine Runde fort.
Er kam eben an der Ballspielhalle vorbei, in der der HC Ferlach sich üblicherweise achtbar in der Handball-Bundesliga schlug, als er neuerlich den Ton seines Telefons vernahm. »Bin ich da richtig bei Kommissar Oblitschnik?« Der Gruppeninspektor beschloss, fünf gerade sein zu lassen. »Ja, sind Sie. Womit kann ich behilflich sein?« Er ordnete die Stimme einer älteren Dame zu. »Sie? Gar nicht! Ich Ihnen! Der Tote aus der Zeitung. Ich weiß, wer das ist!« Obiltschnig war hellwach. »Und wer?«, presste er atemlos hervor. »Mein Mann.« Die Information kam überraschend emotionslos, sodass sie ihn einigermaßen stutzig machte. »Ihr Mann?«, echote er. »Ja. Der Saukerl ist mir vor zehn Jahren abgepascht. Keiner wusste, wo er sich aufhielt. Aber den Lumpen würde ich jederzeit und überall sofort wiedererkennen. Kein Zweifel. Das ist mein Ferdinand.« Obiltschnig hielt den Atem an, sammelte Kräfte. »Und wie heißt er noch, bitte schön?«
»Na so wie ich. Wir haben uns ja nie scheiden lassen. Also scheiden lassen können, weil der war ja nicht greifbar, nicht wahr.«
»Verstehe. Und wie heißen nachher Sie?«
»Wocheiner. Maria Wocheiner. Wohnhaft in Launsdorf. Postweg 2.«
Weit hatte es der Gatte offenbar nicht gebracht. Launsdorf war keine zwei Kilometer von der Burg entfernt. »Frau Wocheiner, Sie haben uns sehr geholfen. Ich werde Ihrem Hinweis augenblicklich nachgehen. Ich darf mich später noch einmal bei Ihnen für weitere Details melden?« Die Wocheiner gewährte ihm diese Bitte. »Tun Sie das, junger Mann. Und finden S' seinen Mörder. Weil jetzt tut er mir direkt ein bisserl leid, der Pfeifenstierer, der blöde. So ein Ende hat nicht einmal er verdient.«
»Gnädigste, Sie können sicher sein, wir tun alles, was in unserer Macht steht, um den Täter zur Strecke zu bringen. Für den Moment darf ich mich empfehlen.« Er hatte kaum das Handy wieder in der Hosentasche verstaut, als er auch schon lossprintete. Beim Doktor Wutti angekommen, bog er nach rechts ab und driftete dann durch Borovniks Fabriksgelände in Richtung Friseur Trixi. Wenig später bog er in die 10. Oktoberstraße ein, von dort in die Josef Marx-Gasse, um schließlich endlich den Polizeiposten zu erreichen. Er setzte sich augenblicklich an den Computer und gab den Namen »Ferdinand Wocheiner« in das Melderegister ein. Es gab deren zwei. Einen 35-jährigen in Sankt Georgen am Längsee, in dem Obiltschnig den Sohn der Anruferin vermutete, und einen Mann von 65 Jahren, der in Klagenfurt in der Karl Marx-Straße gemeldet war. Ohne zu zögern, wählte er die eingetragene Telefonnummer.
»Wocheiner?«, hörte er eine sonore Männerstimme. »Guten Tag, Gruppeninspektor Obiltschnig am Apparat. Spreche ich mit Herrn Ferdinand Wocheiner?«
»So heiße ich. Und zwar schon seit meiner Geburt. Also seit meiner Taufe, um genau zu sein. Gleichviel. Womit kann ich Ihnen dienen, Herr Gruppeninspektor?«
»Ich hatte eben einen Anruf von einer Frau Maria Wocheiner. Die sagt, Sie .«
»Meine Güte! Was hat sie den jetzt schon wieder, die einfältige Person? Glauben Sie mir, Herr Inspektor, die zieht mir noch den letzten Nerv.«
»Herr Wocheiner, die Dame hat behauptet, Sie wären der Tote aus der Zeitung.«
»Die Hochosterwitz-Sache?« Wocheiner lachte laut und nachhaltig, wobei das Gelächter alsbald in einen trockenen Husten überging. »Jetzt hat's ihr endgültig die Sicherungen durchgeschmort. Es tut mir leid, Herr Inspektor. Aber ich bin quicklebendig. Und wenn wir dieses Telefonat via WhatsApp führen und das Video zuschalten würden, dann könnten Sie sofort erkennen, dass ich nicht einmal eine periphere Ähnlichkeit mit dem Toten aufweise. Da war wohl wieder einmal der Wunsch Vater des Gedankens.«
»Können Sie sich vorstellen, wie Ihre Frau auf so eine Idee kommen könnte?«
»Weil sie schwer einen an der Waffel hat, die Guteste. Außerdem sind wir schon seit zehn Jahren geschieden. Das will sie nur nicht wahrhaben. In ihrer Vorstellung brenne ich im Schnitt jedes Quartal einmal durch.« Obiltschnig versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Nichts für ungut, Herr Wocheiner. Sie verstehen sicher, dass wir jedem Hinweis nachgehen müssen.«
»Ja, passt schon. Hauptsache, wir sind alle gesund und munter.« Bis auf die Leiche, dachte Obiltschnig, beschränkte sich jedoch darauf, das Gespräch mit den besten Wünschen für einen gelungenen Tag zu beenden.
Er fragte sich, ob er auf diese Niederlage nicht eine Belohnung verdient hatte. Wenn er sich beeilte, bekam er bei Swee Fong noch eine Bärentatze. Oder aber, er kaufte sich dort eine Wurstsemmel und ging anschließend zum Eistraum, um sich einen gemischten Becher zu gönnen. Er musste nicht lange überlegen: Es wurde Plan B.
Eben fuhr er mit dem Löffel in das Schoko-Eis, als abermals sein Telefon läutete. Ein wenig umständlich nahm er es zur Hand und drückte auf »Annehmen«. »Das ist der Leibwächter vom Haider Jörg«, hörte er eine gepresste Stimme, »den haben sie kaltgemacht, weil er auspacken wollte. Der wusste nämlich, dass das 2008 kein Unfall war.«
Ohne Erwiderung beendete Obiltschnig das Gespräch und widmete sich wieder seinem Eis. Mit einem Mal war er sich nicht mehr so sicher, dass es eine gute Idee gewesen war, mit dem Foto an die Öffentlichkeit zu gehen. Und sein Gefühl wandelte sich zur Gewissheit, als in den nächsten zwei Stunden noch drei Spinner anriefen. Einer meinte, in dem Toten den Bergsteiger Reinhold Messner zu erkennen, was bedeutet hätte, dass dieser sich den Bart abrasiert und seine Haare künstlich geglättet hatte, und eine Frau wusste zu berichten, dass das Mordopfer einer Verschwörung von Freimaurern zum Opfer gefallen war. Schließlich konnte auch der Hinweis nicht ausbleiben, dass in Kärnten die radikalen Islamisten wüteten,...
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