Schweitzer Fachinformationen
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Es kam ihm so vor, als hätte er nur gerade die Augen geschlossen, da wurde laut an die Scheibe geklopft.
»He, Herr Conrad, sind Sie da drin?«, rief jemand.
Während er sich aufrichtete, nahm Conrad undeutlich verschiedene Flaschen auf dem Tisch wahr, die meisten leer. Er rief zurück: »Ja, was ist denn?«
»Kriminalpolizei. Ich bin Kommissar Bode und würde gern mit Ihnen sprechen.«
»Kann man hier eigentlich niemals richtig schlafen? Na was soll's, kommen Sie rein.«
Bode war groß, mindestens 1,90, sehr gut aussehend und wirkte ziemlich jung für einen Kommissar, fand Conrad.
»Sie haben es aber gemütlich hier«, sagte Bode, »darf ich?« Er setzte sich auf eine der eingebauten Sitzbänke, wobei er vorsichtig einen Stapel Kleider zur Seite schob. Dabei begutachtete er diskret Conrads mitgebrachte Bücher, die auf einer zusammengeknüllten Reisetasche am Boden lagen.
»Tja, finden Sie? Mir gefällt's auch, also so zur Abwechslung«, sagte Conrad unsicher umherschauend. »Ich mache so etwas zum ersten Mal, also mit einem Wohnmobil und ganz allein. Sonst mieten wir immer Ferienhäuser in Schweden oder Frankreich. Ich habe sozusagen Urlaub von der Familie und weiß gar nicht mehr richtig, wie man das macht. Möchten Sie Kaffee? Ich kann aber für nichts garantieren.«
»Oh ja, sehr gern«, antwortete Bode. »Sie haben Kinder?« Einen kurzen Moment überlegte Conrad, ob er über derlei Privatangelegenheiten reden wolle, fand dann aber nichts dabei.
»Ja, zwei Mädchen und einen Jungen. Und Sie?«
»Nein, keine Kinder. Nicht einmal eine Freundin im Augenblick«, antwortete Bode, »bei mir sieht's immer so aus, wie jetzt bei Ihnen.« Er beschrieb mit der Hand vage einen Bogen, der wohl das gesamte Innere des Wohnmobils bezeichnen sollte. Conrad war bisher noch gar nicht richtig klar geworden, wie unordentlich es bei ihm aussah. Er hatte gestern Nachmittag - einem Sonntag - in Berlin alles, was er für brauchbar gehalten hatte, relativ wohlsortiert in das erst am Freitag gebraucht gekaufte und angemeldete Gefährt geladen, hatte Jule und den Kindern von der Straße aus noch einmal zugewunken und war gut gelaunt zu seinem ersten Egotrip seit vielen Jahren gestartet. Gleich nach den ersten Kilometern außerhalb der Stadt, als er auf der B 96 über Oranienburg Richtung Neustrelitz zuckelte, hatten sie ihm gefehlt. Im Radio lief The Air That I Breathe von den Hollies, ein Klassiker, und von einer zärtlichen Anwandlung erfasst, hatte er schon ans Umkehren gedacht. Dann schob der Radiomensch Robbie Williams ein, Conrad schaltete ab und fuhr ernüchtert weiter. In Gransee runter von der Bundesstraße, kurzer Aufenthalt in Rheinsberg, Schloss, Prinz Heinrich, Tucholsky. Conrad war schon hier gewesen. Weiter ins immer unübersichtlicher werdende Seengebiet, schließlich nur noch winzige Straßen, einmal kreuzte noch eine größere, aber da hatte er längst jede Orientierung verloren. Im Auto war keine Karte und Conrad wollte auch keine, die Sache hatte angefangen, richtig Spaß zu machen. Irgendwann war er bei einem der unzähligen Schilder, die auf Campingplätze hinwiesen, in einen Waldweg eingebogen und auf den Platz gerumpelt, auf dem er jetzt war. Der See vor ihm war groß, vielleicht ein Teil der Müritz. Dann war es langsam dunkel geworden und nach einem kurzen Spaziergang am Seeufer entlang hatte Conrad sich im wundersamerweise am späten Sonntagabend geöffneten Kiosk mit Zeitschriften, Fastfood, mäßigem Wein und gutem Bier versorgt. Im weiteren Verlauf des Abends, den er aufs Angenehmste mit sehr wenig Fontane und dem Kicker verbracht hatte, musste er wohl gelegentlich etwas aus dem Gepäck gesucht und dieses schließlich nur oberflächlich verstaut haben - genau genommen lagen schlicht alle Sachen kreuz und quer herum. Kleidungsstücke bildeten große Knäuel, uralte Zeitungen, die Conrad extra mitgenommen hatte, weil er in ihnen irgendwann irgendetwas Interessantes nachlesen wollte - er wusste nur nicht mehr, was - bedeckten den Boden. Ebenso allerlei Küchenutensilien. Und dann überall die leeren Bierflaschen.
»Ich habe keinen Besuch erwartet. Hier ist Ihr Kaffee«, sagte er und fand sich souverän. Bode nahm den Kaffee, lehnte zu Conrads Befriedigung Milch ab, rührte reichlich Zucker hinein und nippte vorsichtig daran.
»Wow! Das ist ein Kaffee!«
Zuerst glaubte Conrad, sein Besucher habe dies sicher aus Höflichkeit gesagt, aber als er selbst von seinem Gebräu trank, schien es ihm doch, als habe er es ausnahmsweise einmal so hingekriegt, wie es sich nach seinem Geschmack gehörte: stark, rabenschwarz, etwas bitter, ziemlich ölig, sehr heiß, sehr süß. Kein Hausfrauencappuccino eben.
»Ganz schön was los da draußen.« Bode kam langsam zur Sache. »Wie's aussieht, könnte ich vielleicht Ihre Hilfe benötigen.«
»Inwieweit? Ich meine, nur eine Aussage oder .«
»Das kommt darauf an. Wenn der Fall einfach zu klären ist, reicht sicherlich schon eine Aussage. Wenn nicht, können Sie uns möglicherweise auch anderweitig helfen. Und wenn es sich nur darum handelt, die anderen Camper im Auge zu behalten. Prinzipiell ist hier ja jeder verdächtig, mit Verlaub, Sie eingeschlossen.«
»Verstehe, natürlich«, antwortete Conrad, »leider bin ich ja erst seit gestern hier, habe also noch nicht viel gesehen, was für Sie von Interesse sein könnte - das heute früh mal ausgenommen. Ich nehme an, Sie haben vorhin meinen Vorgesetzten angerufen?«
Bode nickte. »Ja, ich wollte Sie nicht stören. Ich habe geklopft, aber Sie müssen wohl tief geschlafen haben. Da habe ich also erst mal Ihre Dienststelle kontaktiert und darum gebeten, Sie ein paar Tage hierbehalten zu dürfen. Ihr Vorgesetzter war so freundlich, mir Ihre Hilfe zuzusichern. Ich hoffe, es macht Ihnen nicht zu viele Unannehmlichkeiten .«
»Nein, gar nicht«, beeilte Conrad sich zu antworten, »ich wollte sowieso nicht so schnell weiterfahren, hatte mir eigentlich noch gar keine Gedanken gemacht darüber.«
Im Stillen versuchte er dahinterzukommen, wie Bode seine Dienststelle herausgefunden hatte. Ja, den zweien von der Streife hatte er Namen, Rang und Kommissariat genannt. Aber dass die in ihrem konfusen Zustand sich das gemerkt haben sollten . Nun, vielleicht hatte einer der Umstehenden geholfen.
»Tja, ich schätze, Sie möchten wissen, warum ich mich Ihres Mordfalles so stiefmütterlich angenommen habe, heute früh. Die Antwort ist ganz einfach: Mir war ein wenig übel. Eigentlich ist mir immer noch übel.«
»Das tut mir leid, Herr Conrad. Ich denke aber, einen Arzt werden Sie nicht benötigen, oder?« Kein Zweifel, Bode amüsierte sich über ihn.
»Nein, nur ein bisschen Schlaf. Aber da scheine ich heute wenig Glück zu haben«, antwortete Conrad etwas säuerlich.
»Übrigens: Sie haben sich nichts vorzuwerfen wegen der beiden Beamten von der Streife«, sagte Bode versöhnlich, »die hätten es wirklich besser wissen müssen. Sehr gravierend ist der Schaden polizeilich betrachtet ja auch gar nicht, schließlich können wir die Fingerabdrücke der beiden leicht aussondern. Und wie die Leiche zuvor dagelegen hat, konnten uns insgesamt sieben Augenzeugen im Großen und Ganzen übereinstimmend beschreiben. Und natürlich Sie. Sie können sich denken, dass Ihre professionell geschulten Beobachtungen für mich die interessantesten sind. Was für einen Eindruck hatten Sie?«
Conrad zog die Stirn in Falten und dachte nach. Bode war ihm nicht unsympathisch, dennoch lag es in der Natur der Sache, dass beide einander ein wenig belauerten. Jeder wollte vom anderen erfahren, was der wusste, hingegen ging man mit den eigenen Informationen geizig um - ein typisches Verhalten unter Polizisten, die gewohnt sind, Fälle eigenständig zu bearbeiten. Conrad hätte gern gewusst, wer der Tote war und was Bodes Leute bereits über ihn herausgefunden hatten.
Um Zeit zu gewinnen sagte er schließlich: »Sie wissen ja, dass ich leider nicht der Erste war, der heute früh in die Männertoilette ging. Ich nehme an, Sie haben die Person, die den Toten gefunden hat, inzwischen ermitteln können?« Bode nickte nur, ließ sich aber nicht das Wort aufdrängen.
»Wenn der Tote ein Camper war, war die Identifizierung ja nicht so problematisch, hoffe ich .« Es war aussichtslos, Bode sagte keinen Ton.
»Nun, dann muss ich eben selbst ermitteln. Also: Wer hat die Leiche gefunden?«, fuhr Conrad fort und fiel dabei in eine dozierende Tonart. »Wenn ich mich recht erinnere, waren sieben Personen bereits vor mir dort. Setzen wir voraus, dass sich keine weitere Person wieder entfernt hatte, bevor...
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