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Ich wolte nur Pfarrer werden - und bleibe hangen am Theater! (23,121) So beschreibt Schiller 1783 das Scheitern seiner bürgerlichen Karriere. Freilich hatte er statt Pfarrer schon längst lieber Professor werden wollen: Ich habe einmal in der Welt keine andre Aussicht als in meinem Fache zu arbeiten. D.h. Ich suche mein Glük und meine Beschäftigung in einem Amt wo ich meine Physiologie und Philosophie durchstudieren und nüzen kan, und wenn ich etwas draußen schreibe so ist es in diesem Fache. Schrifften aus dem Felde der Poesie, Tragödien usw. würden mir in meinem Plane, Profeßor in der Physiologie und Medicin zu werden hinderlich seyn. Darum such ich sie hier schon wegzuräumen. (23,16)
Die Zeiten änderten sich. Das feudalabsolutistische System hatte sich überlebt, die Moderne begann. Ein junger Bürgerlicher konnte im Deutschland des ausgehenden 18. Jahrhunderts durchaus schon Karriere machen; selbst die kleinen Duodezfürstentümer brauchten effiziente, gut ausgebildete Beamteneliten für ihre Verwaltung. Christian Gottfried Körner, Schillers zukünftiger Freund und Förderer, ein gut situierter Bürgersohn, beschreibt 1785 seine Möglichkeiten: «Um diese Zeit mußte ich mich für eine der 3FakultätsWissenschaften bestimmen. Theologie würde mich gereitzt haben, wenn nicht die Philosophie schon Zweifel in mir erregt hätte, wodurch mir die Sklaverey eines symbolischen Lehrbegriffs unertraglich geworden war. Die unangenehmen Situazionen praktischer Aerzte verleideten mir die Medicin. Jurisprudenz blieb allein übrig. Ich wählte sie als Brodstudium.» (33 I,67) Jemand wie Friedrich Schiller, ein Kleinbürgersohn, konnte eigentlich nur Pfarrer werden, weil die Kirche die Kosten für die Ausbildung trug; ein anderes Studium wäre gar nicht zu bezahlen gewesen.
Dass aus Friedrich Schiller etwas werden würde, dass er die beste mögliche Ausbildung erhalten sollte, war schon beschlossen, als er am 10. November 1759 als einziger Sohn von Elisabetha Dorothea und Johann Caspar Schiller in Marbach geboren wird. Der Vater, ein ehrgeiziger, intelligenter Mann, ein orthodoxer Lutheraner, hatte selbst studieren wollen, nach dem vorzeitigen Tod des Vaters sich aber durchschlagen müssen, als Feldarbeiter, Barbierslehrling und Wundarzt, als Feldscher und militärischer Aushilfsgeistlicher, später als Hauptmann in Diensten des württembergischen Herzogs Karl Eugen und schließlich als Intendant in dessen Hofgärtnerei auf dem Lustschloss Solitude. Dies war schon ein bemerkenswerter sozialer Aufstieg gewesen, der Sohn sollte nun noch erreichen, was dem Vater verwehrt geblieben war: Er sollte studieren. Dass Schiller statt Theologie Jura und später Medizin studieren konnte, war, auch wenn er und seine Familie dies zunächst nicht so auffassten, eine ungewöhnliche Chance, die er der Begeisterung des württembergischen Herzogs für die Erziehungsideale der Aufklärung verdankte.
Christophine Schiller (1757-1847), seit 1786 verh. Reinwald
Johann Christoph Friedrich Schiller (1759-1805)
Louise Schiller (1766-1836), seit 1799 verh. Franckh
Maria Charlotte Schiller (1768-1774)
Christiane (Nanette) Schiller (1777-1796)
Herzog Karl Eugens kleiner Hof galt als «der glänzendste von ganz Europa»[3], mit einem herausragenden Ballett, einer italienischen Oper, einem französischen Theater und einem ausgezeichneten Orchester. Weil diese höfische Prachtentfaltung so teuer war, entstand die pragmatische Idee, eine «Militairische Pflanz-Schule» zu gründen, eine Bildungsanstalt, in der württembergische Landeskinder in den verschiedenen Kunstfächern unterrichtet wurden, im Zeichnen, Malen, Modellieren, in der Bildhauerei, der Musik und im Schauspiel, in allem also, was zur höfischen Kunst gehörte. Schon 1772 wurden neben den Künsten Wissenschaften gelehrt, 1775 siedelte die Institution von der Solitude nach Stuttgart um, von da an war sie Militärakademie.
Die Akademie, die Ende 1781 zur Universität, zur Hohen Karlsschule wurde, war als «Verbindung von militärischer Anstalt und fortschrittlich aufgeklärtem Unterricht, von Elementarschule und gelehrtem Fachunterricht, von traditionellem Fächerkanon und modernsten Lehrgebieten in der Tat im späten 18. Jahrhundert eine einmalige Institution», sodass «jeder bedeutende Reisende, der nach Süddeutschland kam, sich für sie interessierte, sie besuchte und sich literarisch über sie äußerte»[4]. Herzog Karl Eugen, der bis dahin gelebt hatte, als gelte es, den Absolutismus von Versailles zu übertreffen, wandelte sich zum aufgeklärten Herrscher nach dem Muster Friedrichs II. von Preußen oder Kaiser Josephs II. Dies entsprach dem Zeitgeist gewiss ebenso wie der finanziellen Notwendigkeit. Wie der Fürst den Zöglingen adliger und bürgerlicher Herkunft die Tugenden des dritten Standes beizubringen suchte, das war zuweilen nicht frei von Komik, etwa wenn er und seine Mätresse Franziska von Hohenheim sich nach dem Muster der bürgerlichen Familie um die Schüler bemühten. Friedrich Schiller hat einmal mit viel rhetorischem Geschick bei der Geburtstagsfeier Franziskas von Hohenheim, die alljährlich in der Militärakademie stattfand, eine Rede zum Thema Gehört allzuviel Güte, Leutseeligkeit, und große Freygebigkeit im engsten Verstand zur Tugend? gehalten. Zum Muster der bürgerlichen Tugend diente ihm dort die fürstliche Mätresse.
In die herzogliche Bildungsanstalt wurden Adlige sowohl als auch Bürgerliche aufgenommen, wie eine Gelehrtenrepublik sollte sie sein; die Ausbildung war kostenlos. Die Künstler allerdings, die an der Akademie ausgebildet wurden, zählten zu den Handwerkern; kein Adliger durfte Musiker oder Maler werden.
Die Kirche und viele orthodoxe Lutheraner betrachteten die fehlende konfessionelle Bindung mit Misstrauen, die Universität Tübingen fürchtete die potenzielle Konkurrenz; überhaupt wurden die hohen Kosten beklagt. Das Bürgertum schließlich glaubte, dass zu viele junge Männer zum Studieren verleitet würden, für die es dann keine Stellen gäbe.
Friedrich Schiller kam 1773 in die «Militairische Pflanz-Schule», er war sehr häufig krank dort. Er war ein schlechter Schüler, mindestens solange er Jura studierte, mit wenig genug Ehrgeiz und Neigung. Er fühlte sich nicht wohl hier und gewiss fehl am Platze. Dem, was man sich als Eleganz vorstellte, entsprach Schiller nicht. Er war groß und hager, zudem noch rotblond, für die Uniform, in der er bloß komisch ausgesehen hat, brauchte man eine ganz andere Figur. Tanzen, gar die höfischen Tänze, konnte er nicht. Er litt, wie alle anderen auch, unter den üblichen Verboten und Restriktionen einer Eliteschule; die rigorose militärische Ordnung hat dies gewiss noch verstärkt.
Juristische Studien betrieb er kaum, ihn interessierte nur Literatur. Viele seiner Kommilitonen schrieben auch, ein Freundschaftsbund wurde gegründet. Es entstand eine ganze Reihe von literarischen Versuchen, die natürlich auch gedruckt werden sollten. Manches wurde dann in Almanachen veröffentlicht, anderes in Schillers Anthologie auf das Jahr 1782. Auch der dichtende Freundschaftsbund ist im 18. Jahrhundert literarischer Topos und Realität zugleich: Die freie Gemeinschaft unter Gleichen war ein politisches Modell, die Vorstellung einer künftigen Gesellschaftsordnung; Klopstock hat sie in seiner berühmten Ode «Der Zürchersee» (1750) gefeiert. Schreiben war für die Schüler ein politischer Akt, war Rebellion, denn Literatur galt nicht viel in der Karlsschule, sie war die Ausdrucksform der gegen die alte Ordnung Protestierenden. So sehr der Herzog die Ideen der Aufklärung schätzte, so sehr sie seine Erziehungskonzepte beeinflussten, er zog die repräsentativen Künste vor. Freilich hat er dennoch erlaubt, dass 1780 zu seinem Geburtstag Goethes «Clavigo» aufgeführt wurde; in der Titelrolle Friedrich Schiller, der sich durch seinen grauenhaft pathetischen Vortragsstil lächerlich machte.
1775 übernahm Jakob Friedrich Abel den Philosophieunterricht, er lehrte die neuesten Theorien, er nutzte die Literatur, vor allem Shakespeare, sie zu illustrieren: Für Schiller fing ein neues intellektuelles Leben an. Seine Entwicklung zum Musterbürger seiner Epoche, der Aufklärung, begann; er bewegte sich auf den beiden bedeutendsten Feldern der bürgerlichen Emanzipation, der Literatur und der Philosophie, aus dem bisher miserablen Schüler wurde der poeta doctus. Und als ob er alle bürgerlichen Disziplinen beherrschen wollte, wird er Naturwissenschaftler, studiert nun Medizin statt Jura, als Arzt bleibt er allerdings immer ein Dilettant. Dennoch hat es ihn geärgert, dass er nicht richtig Griechisch gelernt hat, dass er also die antike Literatur nicht im Original lesen konnte.
Seine erste Dissertation lehnten die Professoren wegen mangelnden Fachwissens und polemischer Angriffe auf wissenschaftliche Autoritäten ab. Dem Herzog dagegen gefiel der forsche Ton. Schiller musste ein zusätzliches Jahr auf der Akademie zubringen, ein Los, das übrigens der gesamte medizinische Jahrgang teilte, da die weitere Ausbildung, die Voraussetzung für eine Zulassung als praktizierende Mediziner, die eigentlich in Tübingen promoviert werden mussten, noch nicht geregelt waren. Beim zweiten Versuch, eine Dissertation zu verfassen, schreibt Schiller eine lateinische Abhandlung über den Unterschied entzündlicher und fauliger Fieber (De discrimine febrium...
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