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Als es vorbei war, als sie sich umgewandt und ihn einfach auf dem Gehweg hatte stehenlassen, während er ihr nachstarrte, war sie ins Büro zurückgekehrt, hatte sich durch die Arbeit des Nachmittags gequält, es dann irgendwie nach Hause geschafft und dort Sallys Nummer gewählt.
Die Ziffern rasteten endlich ein. Sie hörte das Doppelläuten von Sallys Telefon, weit weg im tiefsten Devon. Bitte mach, dass sie da ist, betete sie. Bitte, bitte.
«Hallo!» Sallys Stimme, wunderbar klar und nahe. Rachael ging es schlagartig besser. Sie lächelte, als könnte Sally ihr Gesicht sehen, und hoffte, dass dieses Lächeln sich irgendwie auch auf ihre Stimme übertragen würde.
«Sally. Ich bin's, Rachael.»
«Liebes! Wie geht's dir?»
«Danke, gut. Und wie sieht's bei dir aus?»
«Ziemlich trostlos. Andrew ist auf unbestimmte Zeit mit seinem U-Boot auf Achse. Wahrscheinlich sind sie auf Tauchgang unter irgendwelchen furchteinflößenden Eiskappen im Polarkreis.»
«Hättest du gern etwas Gesellschaft?»
«Mit Vergnügen. Wenn du es wärst.»
«Ein paar Wochen vielleicht, habe ich mir gedacht?»
«Ich fasse es nicht! Soll das heißen, du kannst wirklich ein paar Wochen aus London weg? Was ist mit deiner Arbeit?»
«Die bin ich leid. Ich werde morgen kündigen. Sei's drum, es war ohnehin mehr ein Job auf Zeit. Und mein Zimmer in der Wohnung kann ich vorübergehend an ein anderes Mädchen abtreten, da habe ich schon eine Kandidatin.»
«Oh, eine größere Freude hättest du mir kaum machen können. Wann kommst du her?»
«Freitag in einer Woche. Falls das nicht zu kurzfristig ist.»
«Ich hole dich vom Bahnhof ab. Liebes .» Sally schwieg kurz. «Es ist schrecklich langweilig hier. Ich meine, nur ich und die Landschaft, und außerdem bin ich den ganzen Tag im Laden.»
«Genau das brauche ich jetzt.»
Wieder blieb es kurz still, und dann sagte Sally: «Bei dir alles in Ordnung?»
«Ja doch.» Früher oder später aber müsste Sally es ja doch erfahren. «Na ja - eigentlich geht's mir nicht so prächtig. Ich erzähl dir alles, wenn ich da bin.»
«Mach das», sagte Sally. «Und pass gut auf dich auf, bis dahin.»
Zehn lange Tage später war es endlich so weit. Draußen vorm Fenster zog langsam der Bahnsteig vorbei, als der Zug in den schummrigen kleinen Bahnhof einfuhr. Sie sah das hell erleuchtete Schild mit der Aufschrift DUNCOOMBE, einen Kofferträger mit einer Flagge, eine Kiste mit Hühnern auf einer Handkarre. Sie stand auf, hievte ihren Koffer von der Gepäckablage und machte sich auf den Weg zur Tür. Sie stieg aus dem Zug und entdeckte Sally, die auf dem Bahnsteig auf sie zueilte. Sie stellte ihren Koffer ab und wurde mit einer innigen Umarmung begrüßt, und auf einmal schien die Welt nicht mehr ganz so sehr aus den Fugen geraten zu sein.
«Oh, wie schön, dich zu sehen. Hattest du eine sehr grässliche Reise, oder war es gar nicht so übel?» Sally trug Jeans und einen Regenmantel, dazu eine Wollmütze, die sie tief in die Stirn gezogen hatte. Sie roch nach Regen und frischer Luft, und ihre Wange fühlte sich an Rachaels Gesicht kühl an. «Na komm, auf geht's.» Sie war nicht der Typ, der sich lange mit Förmlichkeiten aufhielt. Sie nahm Rachaels Koffer und ging voraus, den Bahnsteig entlang, über die Brücke und hinaus auf den Bahnhofsvorplatz, wo ihr alter Kombi wartete. Der Nebel war schwer und feucht.
«Es regnet schon den ganzen Tag», erklärte Sally, als sie eingestiegen waren, und drehte den Schlüssel in der Zündung. Die Scheibenwischer glitten hin und her, das Licht der Scheinwerfer durchschnitt das nieselige Dunkel. «Ununterbrochen.»
«In London hat es auch geregnet.»
Tatsächlich schien es ununterbrochen zu regnen, seitdem sie Randall Lebwohl gesagt hatte. Aber es war ein anderer Regen als draußen auf dem Land. Ganz so, wie es ein himmelweiter Unterschied war, unglücklich und allein in London zu sein statt unglücklich und bei Sally in Devon. Sie verließen den Bahnhof, fuhren durch die kleine Stadt und waren nach wenigen Minuten auf dem offenen Land.
«Der Winter war fürchterlich, so kalt und nass. Bisher lässt sich kaum mal eine Primel blicken, und es sprießt noch keine einzige Blumenzwiebel im Garten .»
Rachael sah Sally von der Seite an; betrachtete ihr Profil, aufgeweckt und kindlich, das sich nie zu verändern schien, das eckige Kinn, den schlanken Hals. Sie war Rachaels Cousine, zehn Jahre älter als sie, aber vertrauter als jede Schwester. Bei Sallys Hochzeit mit Andrew, einem Korvettenkapitän der Royal Navy, war Rachael ihre Brautjungfer gewesen; und als sie schließlich erwachsen war und nach London zog, um dort zu arbeiten, war Sally sofort Feuer und Flamme gewesen. Weil sie jetzt, wie sie sagte, einen triftigen Grund hatte, Andrew in die Stadt zu begleiten, wenn er dort an irgendwelchen nebulösen Konferenzen im Verteidigungsministerium teilnahm, um sich in der Zeit mit Rachael zum Essen zu treffen und durch die Tate Gallery zu schlendern.
Sally und Andrew hatten auf Randall Clewe eher verhalten reagiert. Waren von ihm zwar auf höfliche Weise angetan, aber dass sie auch gewisse Vorbehalte hegten, war nicht zu übersehen. Genau diese Reaktion hatte Rachael damals veranlasst, sozusagen einen Schritt zurückzutreten und ihn erstmalig einer kühlen, nüchternen Bestandsaufnahme zu unterziehen. Ganz so, als würde sie ihn mit Sallys Augen sehen. Von da an war ihr Blick für all seine Mängel und Unzulänglichkeiten geschärft, was jedoch ihrer Liebe keinen Abbruch tat. Jemanden zu lieben, hatte sie sich gesagt, heißt nicht, Vollkommenheit zu finden, sondern Schwächen zu verzeihen. An diese Maxime hielt sie sich annähernd drei Jahre lang.
Randall war ein verheirateter Mann gewesen, als sie sich kennenlernten, mit zwei Kindern; inzwischen hatte er sich von seiner Frau getrennt.
«Von Ehemännern sollte man besser die Finger lassen», hatte Sally gesagt. «Das geht für eine Frau nie ohne Blessuren ab. Zu viele Komplikationen.»
«Ich bitte dich!», hatte Rachael protestiert. «Als käme das so selten vor.»
«Nicht bei Menschen wie dir. Du bist zu verletzlich. Er wird dir weh tun.»
«Kann nicht passieren. Ich weiß ja über die Situation Bescheid.»
«Aber wie viel weißt du wirklich darüber?»
«Er will versuchen, sich scheiden zu lassen.»
«Aber die Kinder! Und was ist mit seiner Frau, was soll denn aus ihr werden?»
«Sie sind schon ewig nicht mehr glücklich. Er ist sehr viel unterwegs. Muss seiner Arbeit wegen ständig ins Ausland reisen, und das nimmt sie ihm übel .»
«Wahrscheinlich fühlt sie sich eher einsam .»
«Wie dem auch sei. Seine Kinder sieht er ja regelmäßig.»
«Wenn er geschieden ist, wird er dich dann heiraten?»
«Darüber haben wir noch nicht gesprochen.»
«Du vergeudest dein Leben. Meiner Meinung nach.»
«Na hör mal, es ist doch mein Leben.»
«Und es ist zu schade, um es sinnlos zu vergeuden.»
«Wie gesagt, es ist mein Leben.»
Sie hätten sich bei dem Anlass fast in die Haare bekommen, und das, obwohl Streit bei ihnen sonst ein Fremdwort war. Nach diesem Disput, bei dem sie beide nicht gewillt waren, klein beizugeben, hatten sie das Thema Randall fortan auf sich beruhen lassen und einfach so getan, als hätte es diese Meinungsverschiedenheit nie gegeben. Wenn Sally und Andrew in London waren, gingen sie hin und wieder abends zusammen essen, immer in sündhaft teuren Restaurants. Randall bestand darauf, und er bestand auch darauf, jedes Mal die Rechnung zu übernehmen, was Andrew immer wieder aufs Neue wurmte. Er lebte im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten, legte keinen Wert auf Luxus, doch er hatte auch seinen männlichen Stolz, und so lag immer eine leichte Verstimmung in der Luft, wenn Randall am Ende ihrer Mahlzeit mit brennender Zigarre und bereits ausgetrunkenem Brandyglas seine Kreditkarte auf den Tisch klatschte, ohne auch nur einen Blick auf die haarsträubende Summe auf der Rechnung zu werfen, und lässig anregte, jetzt noch zusammen in einen Nachtclub zu gehen.
Während sie nun in Sallys Wagen saß und an all das zurückdachte, erschien mit einem Mal Randall vor Rachaels Augen, in allen Facetten. Sein gutes Aussehen, der Duft seines Aftershaves, der Ausdruck in seinen Augen, wenn er sie bei Kerzenschein über einen Tisch hinweg ansah. Vor Sehnsucht nach ihm begann sie zu zittern. Die Scheibenwischer fuhren unermüdlich hin und her. Nie wieder, schienen sie zu sagen. Nie wieder. Nie wieder.
Sally redete noch immer wie ein Wasserfall, dazu bedurfte sie keiner Ermunterung durch Rachael.
«. es ist wunderbar, den Laden zu haben, so habe ich immer was zu tun, wenn Andrew auf Fahrt ist. Von dem Laden weißt du ja, oder? Ich hab dir doch erzählt, dass ich all mein Geld zusammengekratzt und ihn der früheren Inhaberin abgekauft habe. Vor der Übernahme habe ich ihr eine Zeitlang geholfen und dabei alles gelernt, wie man Bestände ordert, die Buchführung macht und so weiter, und eigentlich habe ich jetzt alles ganz gut im Griff.»
Rachael verscheuchte Randalls Bild aus ihrem Kopf, atmete tief durch und sagte: «Es ist ein Kunstgewerbeladen, nicht wahr?»
«Ja, und zwar hier in Duncoombe. Im Winter ist eher wenig los, aber im Sommer läuft es wie geschmiert.»
«Ich muss ihn mir unbedingt ansehen.»
Vor ihnen leuchteten die Lichter von Tudleigh, einem kleinen Dörfchen. Jenseits von...
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