Love not Lost - Bedingungslos

KAPITEL 2

Rosewood Bay war ein hübsches Städtchen, der Geruch nach Salzwasser hing in der Luft und in der Ferne war das Meer zu sehen.

Die Schaufenster der Läden boten ein kunterbuntes Gemisch - ganz anders als die Fachgeschäfte, die Juliette von der Madison Avenue kannte. Sie verliebte sich auf den ersten Blick in diese Stadt.

Wie sich herausstellte, lag ihre Wohnung auf der Hauptstraße, eine Etage über den Geschäften. Der Eingang befand sich auf der Hausrückseite. Sie fuhr in ihrem BMW Cabrio zu dem Apartment, froh darüber, den Wagen benutzen zu können, den sie in der Stadt normalerweise in der Garage stehen hatte. Jetzt war sie besonders dankbar, dass ihr Vater damals, als sie volljährig wurde und den Führerschein machen wollte, nicht allzu vehement gegen ihren Wunsch protestiert hatte, obwohl sie in Manhattan nicht gerade oft ein Auto brauchte. Sie parkte auf einem kleinen Parkplatz hinter den Geschäften und traf sich dann zur Schlüsselübergabe mit dem Vermieter.

Ihr Magen schlug Purzelbäume vor Vorfreude auf alles Neue. Sie lief die Hintertreppe hinauf, schloss die Tür auf und betrat ihre neue Wohnung. Obwohl sie ein wenig altmodisch und klein war, wusste sie schon nach einem flüchtigen Blick, dass es sauber und alles vorhanden war, was sie brauchte, um sich zu Hause zu fühlen.

Es gab ein Schlafzimmer mit einem Doppelbett und einem Nachttisch, einen Fernsehtisch und einen Kabelanschluss, falls sie ein Gerät haben wollte. Das Wohnzimmer enthielt ein Sofa und einen Couchtisch sowie zwei Hocker vor der Durchreiche zur Küche, wo sie essen konnte. Es war definitiv ein Ort, der nach ihren Ausstattungs-Fähigkeiten verlangte, da sie aber nur den Sommer hierbleiben würde - zumindest war das der vorläufige Plan -, wollte sie es auch nicht übertreiben.

Den Rest des Tages verbrachte sie damit, ihren Koffer in ihre Wohnung raufzuschleppen und auszupacken, anschließend machte sie den nächsten Lebensmittelladen ausfindig und deckte sich mit Vorräten ein. Sie öffnete die Fenster, wischte Staub und machte das Apartment wohnlich. Nach getaner Arbeit war sie erschöpft, bereitete sich ein Sandwich mit gegrilltem Käse zu und fiel, nachdem sie es gegessen hatte, ins Bett. Da sie an Stadtlärm gewöhnt war - Gehupe, Motorgeräusche, Sirenen von Rettungswagen -, empfand sie die Stille auf eine ganz eigene Art als ohrenbetäubend, und sie brauchte eine Weile, bis sie einschlafen konnte, obwohl sie hundemüde war.

Am nächsten Morgen schlenderte sie durch die Stadt und kam dabei an Grace's Coffee Shop vorbei, in dessen Fenster ein Hilfe gesucht-Aushang klebte. Das kam ihr wie ein Wink des Schicksals vor, und sie ging hinein. Drinnen gab es einen Bereich für Straßenverkauf und einen zweiten mit bereits gut besetzten Tischen in Sitznischen, an denen man wie im Restaurant bedient wurde. Große Gemälde von einer Vielzahl verschiedener Kaffeetassen zierten die Wände.

Eine Frau mittleren Alters mit schwarz gefärbten Haaren und blauen Augen stand an der Fronttheke und begrüßte sie, als sie hereinkam. »Herzlich willkommen!«, sagte die Frau. »Wollen Sie sich setzen oder möchten Sie etwas zum Mitnehmen?«

»Danke. Eigentlich bin ich wegen des Hilfe gesucht-Aushangs hier.«

Der Gesichtsausdruck der Frau hellte sich auf. »Wirklich? Haben Sie denn Erfahrung mit Kellnern?«

Die Frage ließ eine Mischung aus Sorge und einem Anflug von Enttäuschung in Juliette aufkommen. »Keine Erfahrung, aber dafür jede Menge Enthusiasmus«, versicherte sie der Frau, wohlwissend, dass sie vermutlich zu übereifrig klang. »Ich bin neu in der Stadt und brauche einen Job.« Sie würde zwar nicht verhungern und hatte außerdem auch Zugriff auf das Geld, das sie bei ihrem Vater verdient hatte, aber wenn sie schon mal in die reale Welt ging, dann wollte sie auch erwachsen werden und ihr eigenes Geld verdienen.

Nachdenklich spitzte die Frau den Mund. »Also, ich gebe Ihnen eine Chance. Aber wenn irgendwas kaputtgeht, ziehe ich Ihnen das vom Gehalt ab.«

»Einverstanden!« Juliette streckte der Frau die Hand hin und hoffte, ihr am Ende nicht mehr Geld zu schulden als sie beim Einarbeiten verdiente. »Ich bin übrigens Juliette Collins.«

»Grace Burrows. Schön, dich kennenzulernen.« Grace ergriff Juliettes Hand und schüttelte sie. »Wie wär's, wenn wir den Papierkram später erledigen und dich stattdessen gleich ins kalte Wasser werfen?« Während sie redete, griff sie hinter die Theke und zog eine weiße Schürze hervor.

»Klar doch!« Damit hatte Juliette zwar nicht gerechnet, aber warum eigentlich nicht? dachte sie.

»Komm, leg deine Tasche hinten ab, dann geb ich dir einen kurzen Überblick, wie es hier so läuft. Und falls du Fragen hast, bin ich ja in der Nähe.«

Juliette atmete tief durch und nickte. Sie würde das hinkriegen, sagte sie sich und folgte Grace in den hinteren Teil des Restaurantbereichs.

Eine Stunde später fragte sich Juliette, was sie sich eigentlich dabei gedacht hatte, sich nach einem Job zu drängen, bei dem sie pausenlos auf den Beinen war und Tabletts mit vollen Kaffeetassen balancieren musste. Das war ganz schön anstrengend und eine Herausforderung, und sie brauchte definitiv ein Paar vernünftige Sneaker. Obwohl sie langsam war, hatte sie bis jetzt immerhin noch nichts zu Bruch gehen lassen, und das wertete sie als Erfolg.

»Machst du klasse«, lobte Grace ihre neue Angestellte. »Also dafür, dass du ein Stadtkind bist.«

Juliette grinste. Sie hatte ihrer Chefin erzählt, dass sie erst gestern aus Manhattan nach Rosewood Bay gekommen war. »Ich geb mein Bestes.«

»Du hast einen Gast. In der ersten Nische.« Grace nickte Richtung vorderer Restaurantbereich. »Er heißt Braden Clark und ist einer unserer Stammgäste.«

Juliette nahm die Kaffeekanne. »Alles klar!«

»Er ist süß. Und Single«, fügte Grace zwinkernd hinzu.

»So ist also das Leben in einer Kleinstadt? Jeder kennt jeden?«

Grace nickte. »Und jeder wird dich kennenlernen. Jetzt aber husch, husch.« Mit einer scheuchenden Handbewegung gab sie Juliette zu verstehen, nach vorne zu gehen und den Gast zu bedienen.

Juliette setzte ein Lächeln auf und ging auf den ersten Tisch zu, blieb jedoch plötzlich stehen, als sie ihn sah.

Er hatte volles, braunes, leicht gewelltes Haar, eine markante Kieferpartie und haselnussbraune Augen. Grace war ihm nicht gerecht geworden, als sie ihn als süß bezeichnet hatte. Er war geradezu hinreißend. Ein marineblaues T-Shirt betonte seinen muskulösen Körper. Bestimmt trainierte er, denn als er das Wasserglas hob und einen langen Schluck nahm, spannte sich sein Bizeps.

Im Vergleich zu diesem stattlichen Kerl waren die Männer in New York, die sie kannte, Klappergestelle. Sie trugen Anzüge, die ihre Körper nicht ausfüllten, und ihre Gesichtszüge waren alles andere als markant. Dieser Mann dagegen verkörperte alles, von dem sie bislang nicht einmal gewusst hatte, dass sie es wollte, und sie war sich sicher, dass er von nun an in ihren Träumen auftauchen würde.

Sie schluckte und trat näher, wobei sie die Kaffeekanne fester umklammerte. »Guten Morgen.«

Er schaute auf und sah sie an. Sein Blick bohrte sich förmlich in ihren und hielt so lange an, dass er sich wie eine warme Liebkosung anfühlte.

»Guten Morgen, hübsche Lady!«

Seine Stimme war rau, und ihr schoss die Röte in die Wangen. »Kaffee?«, fragte sie und hob mit plötzlich zitternder Hand die Kanne.

»Klar, danke.«

Irgendwie schaffte sie es, den Kaffee in die Tasse zu gießen, ohne etwas zu verschütten, allerdings schenkte sie zu viel ein, sodass er über den Rand schwappte und zuerst auf den Tisch und danach in seinen Schoß lief.

Er zuckte zusammen, als ihn die heiße Flüssigkeit traf.

»O mein Gott, das tut mir ja so leid!« Mit einem Scheppern stellte sie die Kanne ab, schnappte sich die nächste Serviette und begann sein T-Shirt und seinen Schoß abzutupfen. Sie drückte die Serviette auf den Stoff, um die Flüssigkeit aufzusaugen, und kam dabei in Kontakt mit seinem harten, dicken . »Oh!« Schnell zog sie ihre Hand zurück, noch beschämter als zuvor.

»Du kannst ruhig weitermachen«, sagte er und seine Augen funkelten vor Lachen.

Am liebsten wäre sie unter den nächsten Tisch gekrochen und nie wieder hervorgekommen. »Es tut mir ja so leid. Haben Sie sich verbrannt?«, fragte sie mit flammenroten Wangen.

»Nein. Der Kaffee muss kühler gewesen sein, als du dachtest. Mir geht's gut. Wirklich.«

»Alles in Ordnung hier?«, erkundigte sich Grace, die mit besorgter Miene zu ihnen herüberkam.

Juliette trat einen Schritt vor und wollte die Verantwortung auf sich nehmen. »Ich .«

»Nur ein kleines Missgeschick«, fiel ihr der Mann ins Wort. »Keine große Sache.«

Dann rief ein Gast Graces Namen, woraufhin sie wieder loslief, der Zwischenfall war vergessen. Juliette wünschte, sie könnte ihn ebenso locker hinter sich lassen.

»Wie wär's, wenn wir uns mal einander vorstellen würden, angesichts der Tatsache, dass du deine Hand schon auf meinem .«

»Juliette«, sagte sie schnell, bevor er den Satz beenden konnte. »Juliette Collins.«

»Braden Clark«, erwiderte er mit einem wissenden Grinsen auf dem Gesicht, von dem sie ganz weiche Knie bekam.

Dieser Mann hatte eine unglaublich starke Wirkung auf sie.

»Schön, dich kennenzulernen, Juliette.«

»Gleichfalls«, murmelte sie. »Kann ich dir eine...