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Isabelle
Er flehte mich an, nicht aus der Tür zu gehen. Ich machte es trotzdem. Das Erschreckendste daran? Wie sehr ich wirklich gehen wollte. Jahre meines Lebens hatte ich komplett in eine Beziehung investiert, von der ich geglaubt hatte, sie wäre das Wichtigste für mich. Wie konnte es sein, dass ich jetzt nichts mehr für ihn empfand?
Die Antwort darauf fand ich, als ich in der dunklen Auffahrt bei meinem Auto stand. Das einzige Licht kam vom Scheinwerfer des Wagens, das ich per Funkfernbedienung angeschaltet hatte. Die Gefühle für ihn hatten einfach nachgelassen, bis sie irgendwann ganz weg waren. Als ich zweiundzwanzig war, hatte ich gehofft, dass mein Leben mit ihm perfekt werden würde, aber schon drei Jahre später fühlte ich in mir nur noch diese Leere. Trotz meiner Jugend war ich so schlapp und energielos.
Ich blickte kurz auf, gerade als der erste Regentropfen mein Gesicht berührte. Normalerweise hätte ich eine Kapuze aufgesetzt, um mein lockiges Haar zu schützen, damit es nicht anfing, sich zu kräuseln. Und ich wäre besorgt gewesen, wie ich wohl vor Lance und seinen mit Sorgfalt ausgesuchten Leuten aussehen würde, mit denen er sich umgab. Er bezeichnete sie als Freunde, aber keiner von ihnen kannte die Bedeutung dieses Wortes. Stattdessen machte mir der Sturm, der aus heiterem Himmel aufkam, überhaupt nichts aus. Jedes warme Tröpfchen traf meine Wangen und lief sie hinab, sie reinigten meine Haut und meine Seele. Der Wind wehte stärker, hob mein Haar, blies Strähnen in mein Gesicht. Ich fühlte mich befreit.
»Isabelle!«, schrie Lance aus dem geöffneten Fenster im zweiten Stock seines Sommerhauses in den Hamptons hinunter. Es war einfach schon zu lange her, seitdem ich irgendeinen Teil davon als mein Eigentum betrachtet hatte. Wenn ich das überhaupt jemals getan haben sollte.
Widerwillig sah ich zu ihm hoch.
»Du hast deinen Trotzanfall jetzt gehabt! Jetzt komm wieder rein, und wir reden wie vernünftige Menschen miteinander. Du willst hier doch nicht vor den Nachbarn eine Szene machen!«
Gott bewahre!, dachte ich und ersparte mir einen letzten Blick auf den Ort, an dem ich einfach viel zu lange gelebt hatte. Das Haus war Lance Daltrys Schauplatz, genauso wie auch ich nichts weiter als ein Accessoire für ihn gewesen war. Ich hatte ihm vielleicht den Rücken freigehalten und seine obligatorischen Dinnerpartys organisiert, aber ich hatte zu nichts beigetragen, was wirklich von Bedeutung gewesen wäre. Nie hatte er mir erlaubt, irgendetwas von dem Geld auszugeben, das ich als Innenarchitektin verdient hatte, bevor ich meinen Job schließlich für ihn aufgab. Unnötig, hatte er gemeint. Wenn ich ihn lieben würde, würde ich daheimbleiben und mich um das Haus kümmern. Schon eher war es aber die Kontrolle über mich gewesen, die er eigentlich gewollt hatte, und ich hatte es zugelassen.
Glücklicherweise hatte ich ein ganz stolzes Sümmchen aus den damaligen Zeiten angespart. Leider hatte ich es allerdings toleriert, dass Lance danach mein Geld anlegte und die Vollmacht über die Konten behielt. Und wie hoch standen die Chancen, dass das Geld verfügbar wäre, wenn ich etwas davon am Montagmorgen abheben wollte? Bei dem Gedanken daran schloss ich die Augen.
Obwohl ich zu der Zeit, als ich Lance traf, schon ein paar Jahre in Manhattan gelebt hatte, war ich trotzdem immer noch das naive Mädchen, das sich in einer Kleinstadt in der Nähe der Niagarafälle in einen Bus gesetzt und sich alleine in die große Stadt aufgemacht hatte. Was für ein Jammer, dass ich nicht schlau genug gewesen war, um rechtzeitig Lance als den Blender zu erkennen, als der er sich später entpuppt hatte.
»Isabelle!«, schrie er wieder von oben zu mir herab. Er machte sich nicht einmal die Mühe, nach draußen in den Regen zu kommen, um mit mir zu reden, geschweige denn sich wie ein Mann anständig bei mir zu entschuldigen. Nicht, wenn der Regen doch seinen 1000-Dollar-Anzug und seinen 100-Dollar-Haarschnitt ruinieren konnte. Bloß nicht reden, dachte ich und schüttelte lediglich den Kopf.
Reden war das gewesen, was mich in der Beziehung gehalten hatte, von der ich wusste, dass ich sie nicht mit einem Mann führen wollte, dem ich nicht vertrauen konnte. Reden war das gewesen, was mich überzeugt hatte, dass Lance, ein Wall-Street-Banker, mein Seelenverwandter sei, während ich jedoch tief in meinem Inneren bereits wusste, dass das nicht sein konnte. Mit seinem Gerede hatte er sogar geschafft, dass ich seinen Lügen Glauben schenkte, obwohl ich zumindest mir selbst gegenüber zugab, nicht wirklich glücklich mit ihm oder dem goldenen Käfig, in den er mich gesteckt hatte, zu sein. Das war wirklich das Erniedrigendste daran.
Ich brauchte keine Therapie, um selbst zu wissen, warum ich so empfänglich auf Lance' Charme und sein Verlangen, mich zu besitzen, reagiert hatte. Meine Kindheit, über die ich nicht gerne sprach, barg alle Antworten in sich. Aber da ich es jetzt geschafft hatte abzuhauen, war eines sicher: Ich würde nicht wieder zurückkehren!
»Würdest du jetzt mal aufhören, dich so kindisch zu verhalten, und wieder raufkommen?!« Lance versuchte es aufs Neue. Er bevormundete mich, obwohl er derjenige war, der ganz klar im Unrecht war. Eine andere beliebte Masche von ihm.
Zitternd stieg ich in mein geliebtes Auto, knallte die Tür zu und nahm vor Lance' Wortschwall Reißaus. Ich startete den Motor, hielt dann aber noch kurz inne und atmete tief durch. Die Ereignisse der letzten wenigen Minuten rauschten durch meinen Kopf wie ein schlechter Film.
Ich war an unserem gemeinsamen Laptop gewesen und hatte nach Rezepten gesucht, die ich dort abgespeichert hatte. Als ich einen Ordner entdeckte, den ich nicht zuordnen konnte, klickte ich ihn an. Fotos von Lance, wie er heißen Sex mit meiner schönen Nachbarin - die sich erdreistet hatte, sich als meine Freundin zu bezeichnen - hatte, waren auf dem Bildschirm aufgepoppt. Bei dem visuellen Beweis war mir schlecht geworden - wegen etwas, das ich vorher nur erahnt hatte.
Bei dem Gedanken an die Bilder musste ich zittern, aber ich war stolz auf mich, dass ich ohne ein Wort zu verlieren gegangen war, allerdings auch ohne einen Koffer. Mein Körper war wie erstarrt, mein Herz umhüllt von Eis. Obwohl ich die beheizbaren Sitze hätte einschalten können. Die Erinnerung, vom Verrat wie betäubt zu sein, würde mir bis in die Zukunft erhalten bleiben.
Ich schaltete die Zündung an, doch keine Tränen mischten sich mit der Feuchtigkeit des Regens auf meinem Gesicht. Stattdessen raste das Adrenalin durch meine Venen, und zwar schneller, als mein geliebtes Auto jemals auf der Autobahn hätte fahren können. Eigentlich sollte ich Angst haben. Mich danach sehnen, umzudrehen und wieder in mein altes Leben zurückkehren.
Mein Fuß drückte aufs Gaspedal, und ich setzte aus der Auffahrt zurück, ohne mich noch einmal umzublicken. Es konnte schon sein, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich hingehen oder was ich als Nächstes tun sollte, aber es ging vorwärts. Endlich!
Im Radio verkündete das Lied von The Buggles aus dem Jahr 1979, dass das Video den Radiostar getötet hätte. Stimmt nicht, dachte ich, als ich in die dunkle Nacht fuhr. Das Radio hatte trotzdem Erfolg. Obwohl die Fotos heute Abend meinen Traum zerstört hatten, bis ans Ende meiner Tage glücklich zu sein - immerhin hatte ich mein Leben so eingerichtet, um nicht einsam zu sein -, würde ich mich von diesen Sexbildern nicht fertigmachen lassen! Schließlich hatten sie mir die Freiheit geschenkt.
***
Isabelle: vom Regen .
Eine Meile außerhalb von Manhattan wurde ich verhaftet. Schwerer Autodiebstahl, behauptete der Polizist. Schwachsinn, erwiderte ich. Der Baby-Benz gehörte mir!
Dennoch legte er mir Handschellen an und schleppte mich zum nächsten Polizeirevier. Er sagte, dass sein Name Officer Dare sei. Er war dunkelhaarig und groß - größer als Lance, der sich auf seine Größe immer etwas einbildete. Und Officer Dare war unter seiner Uniform auch breiter gebaut als Lance, zumindest demnach zu urteilen, was ich sehen konnte. Er ließ mich keine Sekunde aus den Augen. Die ganze Zeit über blieb er ernst, aber ich ahnte, dass er attraktiv wäre, wenn er einmal lächeln würde. Bis jetzt hatte er das allerdings noch nicht getan.
Erst als wir auf dem Polizeirevier waren - das genauso wie in Law & Order aussah -, ließ mich Officer Dare neben seinem Schreibtisch Platz nehmen und befestigte meine Handschellen daran.
Eigentlich hätte ich Angst haben sollen, doch seltsamerweise hielt ich das Ganze nur für ein Missverständnis, das sich gleich aufklären würde. Zumindest dachte ich das, bis mich Officer Dare dazu aufforderte, meine Taschen auszuleeren, und mir meine letzten fünfhundert Dollar abnahm - Bargeld, das ich aus dem Versteck mit Banknoten, das ich in meinem Nachttisch aufbewahrte, herausgenommen hatte.
In einer nicht enden wollenden Stille blätterte er den prallen Stapel von 20-Dollar-Scheinen durch.
Das Geld war alles, was ich hatte. »Ich muss etwas essen, wenn ich hier rauskomme«, sagte ich zu meinem Gefängniswärter.
Er sah nicht auf. »Sie werden das Geld zurückbekommen.«
»Alles?«, fragte ich, so als ob ich allen Ernstes glaubte, dass ein Polizist einer vom Pech verfolgten Frau den Notgroschen wegnehmen würde.
Verärgert spannte er seine Gesichtsmuskeln an. »Wir protokollieren alles und zählen das Geld. Vor Ihren Augen! Ich war gerade im Begriff, das zu tun ....
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