Schweitzer Fachinformationen
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Ich war kein wirklich sportliches Kind. Beim Schulsport war ich immer einer der Letzten, die für die Mannschaften ausgewählt wurden. Egal ob Völkerball oder Fußball, ich stand immer auf der Resterampe. In der zehnten Klasse gründete ich aus Trotz eine zweite Fußball-Klassenmannschaft mit all jenen, die mein Schicksal teilten und die für die eigentliche Klassenauswahl nie berücksichtigt wurden. Die Spiele der Klassenmannschaften hatten eine enorme Bedeutung, die besten Spieler wurden bewundert, und natürlich wurmte es mich, dass ich nicht mitspielen durfte. Obwohl wir mit der "zweiten Mannschaft" in den meisten Spielen mehr als zehn Tore kassierten und nur selten selbst ein Tor erzielten, waren die Spiele gegen uns für die anderen Mannschaften wichtig, da die Tordifferenz den Ausschlag über den Turniersieg geben konnte - verloren wir mit weniger als zehn Toren Differenz, fühlten wir uns wie die Sieger. Ich spielte aber eher aus Trotz, echte sportliche Leidenschaft entwickelte ich nicht.
Meine Eltern waren bestrebt, meinem Bruder und mir unterschiedliche Sportarten nahezubringen. Ich versuchte mich im Reiten, Turnen, Judo, Schwimmen und Tischtennis. Alles ohne sportlichen Erfolg. Auf der Suche nach einem Familiensport, den wir gemeinsam betreiben konnten, kamen wir irgendwann auf Tennis. Zusammen mit meiner Mutter und meinem Bruder bekam ich mit zwölf Jahren einige Trainerstunden. Besonders viel Talent wurde mir auch dabei nicht attestiert. Meine Freizeit verbrachte ich weiterhin lieber mit Büchern oder am Klavier, als schwitzend einem Ball hinterherzujagen.
Sportlicher Höhepunkt meiner jungen Sportlerkarriere war ein Qualifikationsspiel für unsere Tennisschulmannschaft. Das neu gegründete Team mit guten Vereinsspielern musste noch einen letzten Platz besetzen, um den sich mein Klassenkamerad Christian und ich duellierten. Ich war sehr aufgeregt vor meinem ersten Turnierspiel. Aus lauter Sorge, nicht genügend Energie für ein ganzes Match zu haben, verschlang ich während des Spiels eine ganze Tafel Schokolade. Christian war sportlich und durchtrainiert, hatte aber erst ein einziges Mal, im Urlaub, einen Tennisschläger in der Hand. Ich glaube mich zu erinnern, dieses Match knapp gewonnen zu haben. Aber da ich nie einen Einsatz für die Schulmannschaft hatte, bin ich mir da nicht mehr so sicher.
Meine Sportbegeisterung wurde erst erweckt, als ich mit sechzehn Jahren ein Jahr als Austauschschüler an einer amerikanischen Highschool verbrachte. Bei der Anmeldung hieß es, ich müsse mich für eine Mannschaft entscheiden, im Übrigen seien meine Vorgänger aus Deutschland allesamt sehr gute Sportler gewesen. Ich musste schlucken. Das Schuljahr war in Trimester unterteilt, nach dem sich auch die jeweiligen Sportarten richteten. Im Herbst standen die Nationalsportart Football sowie Golf und Geländelauf auf dem Programm. Deutsche Schüler wurden gerne als "Kicker" in den Footballmannschaften eingesetzt, aber mit Fußball hatte ich nichts am Hut, Golf schied mangels Erfahrung ebenfalls aus, es blieb also nur der Geländelauf übrig, für den ich mich meldete.
Nach einer unruhigen Nacht begab ich mich am nächsten Tag erneut in das Schulbüro und zog meine Anmeldung zurück. Ich war noch nie in meinem Leben mehr als 400 Meter gelaufen, was hatte ich also beim Geländelauf verloren? Stattdessen schloss ich mich der Schulband an, die die Schulmannschaften vor den Wettkämpfen in der Sporthalle vor versammelter Schüler- und Lehrerschar anfeuerte.
Aber im Winter war es dann doch so weit, ich wurde Teil des Schwimmteams. Schwimmen hatte ich immerhin schon einmal im Verein ausprobiert. Und so kam ich zu meinem ersten ernsthaften Training: Wir trainierten täglich zweimal im eiskalten und stark gechlorten Wasser der Schwimmhalle, vor dem Unterricht zwei Stunden, nach der Schule wieder zwei Stunden. Am Wochenende fuhren wir zu Wettkämpfen gegen andere Schulen. Es gab eine klare Hierarchie: Die schnellen Schwimmer trainierten auf den ersten vier Bahnen, ich fand mich bei den langsamen Schwimmern auf Bahn 5 wieder. Aber das Trainingspensum war für alle gleich. Zum ersten Mal in meinem Leben ging ich an meine physische Leistungsgrenze.
Zu meiner großen Überraschung machte mir das alles viel Freude: das gemeinsame Training, das Zugehörigkeitsgefühl, die Aufregung vor den Wettkämpfen. Sogar das gemeinsame Rasieren der Haare an Armen und Beinen ertrug ich tapfer. Da jeder Punkt bei den Wettkämpfen zählte, machte es bei engen Auseinandersetzungen einen Unterschied, ob wir langsamen Schwimmer als Letzte oder Vorletzte ins Ziel kamen, sodass auch wir unseren kleinen Beitrag leisten konnten. Mit dem Mannschaftssieg bei der Landesmeisterschaft von Michigan ging dieser Winter erfolgreich zu Ende. Ich war fast zehn Zentimeter gewachsen und hatte etliche Kilogramm an Gewicht verloren. Dabei hatte ich permanent Hunger und futterte ohne Unterlass.
Das Frühjahr brachte eine neue Sportwahl: Baseball und Ringen kamen für mich nicht infrage, Tennis hingegen klang interessant. Wegen meines starken Wachstums und des intensiven Schwimmtrainings bekam ich beim Laufen zwar häufig Krämpfe, das legte sich aber nach einigen Wochen intensiven Tennistrainings. Unser Trainer, den alle respektvoll "Coach" oder mit seinem offiziellen Spitznamen "Tiger" nannten, legte den Schwerpunkt auf Fitness, und wir liefen beim Training, das täglich nachmittags für drei Stunden angesetzt war, von einer Ecke des Platzes zur anderen. Immer im Wettkampf gegeneinander. Die Verlierer bekamen zur zusätzlichen "Motivation" Extraschichten aufgebrummt.
Nach einigen Wochen begannen wir mit der Turniervorbereitung. Bei den Wettbewerben gegen andere Schulen wurden sechs Einzel und drei Doppel gespielt, insgesamt kamen also zwölf Spieler zum Einsatz. Unser Coach konnte auf elf gute und erfahrene Spieler setzen, um den letzten Platz gab es ein Qualifikationsturnier mehrerer unerfahrener Spieler, aus dem ich als Sieger hervorging. Damit spielte ich in der Mannschaft das sechste Einzel. Ich weiß nicht mehr, ob ich in dieser Saison ein einziges Match gewinnen konnte. Ich erinnere mich allein an meinen Auftritt bei der Landesmeisterschaft: Unsere Nummer eins wurde drei Tage vor dem Wettkampf mit Marihuana erwischt und für das Turnier gesperrt. Damit nicht alle Spieler eine Position aufrücken mussten, beschloss unser Trainer, mich an eins zu setzen. Mein Match währte nicht lange. Die Aufschläge meines Gegners waren so schnell und so hart, dass ich nicht sah, ob sie im Feld aufschlugen oder im Aus, und ihn bat, selbst zu entscheiden. Eine interessante Erfahrung.
Die in Amerika gewonnene Sportbegeisterung nahm ich mit zurück nach Deutschland. Sowohl dem Schwimmsport als auch dem Tennis blieb ich treu. Zwar stand weiterhin nicht der Leistungsgedanke im Vordergrund, aber ich trainierte regelmäßig und fand im Tennisverein eine Gruppe Gleichgesinnter, bei denen der Spaß im Vordergrund stand.
Sportlicher Erfolg war mir weiterhin nicht beschieden. Bei einem internationalen Schwimmwettkampf mit dem Verein unserer französischen Partnerstadt Cergy-Pontoise - wir lebten damals in der Nähe von Düsseldorf - konnte ich zwar ein Rennen für mich entscheiden. Das lag allerdings daran, dass ich wegen eines Übersetzungsfehlers als einziger Kraulschwimmer unterwegs war, während alle Konkurrenten Brust schwammen.
Einmal brachte ich von einer Asienreise ein Dutzend übergroßer T-Shirts für die Herrenmannschaft unseres Tennisclubs mit, die ich wegen ihrer grauslichen Farbe, einem verwaschenen Schlammbraun, zum Sonderpreis von je einem Dollar ergattert hatte. Sie zeichneten sich durch die neongelbe Aufschrift "big elephant" aus. Wir erkoren sie zu unserem Mannschaftstrikot und traten fortan als "big elephants" auf. Tennis hat zwar inzwischen den Nimbus des weißen Sports verloren, aber damals war das noch anders. Unser Tennisvorstand war alles andere als glücklich über unser Auftreten, das eine weitere Nuance dadurch erhielt, dass wir alle Ohrringe trugen. Die Situation eskalierte, als wir vor einem Punktspiel ein Bierfrühstück inszenierten. Natürlich hatten wir an einem Sonntagmorgen um acht Uhr keine wilde Party gefeiert, doch das Bierfass auf dem Tisch und die leeren Gläser vor uns erweckten einen anderen Eindruck. Auch wenn es von sportlichen Erfolgen nichts zu berichten gibt, gurkten wir fröhlich in der Kreisklasse herum und hatten unseren Spaß.
Die Ära der "big elephants" fand mit meinem Studienbeginn ihr Ende, nicht jedoch meine Freude am Tennis. Mein Studium der Betriebswirtschaft teilte sich auf in Sommersemester, die ich überwiegend auf dem Tennisplatz verbrachte, und Wintersemester, in denen ich durcharbeitete, um die verpassten Scheine nachzuholen. Im Probetraining bei meinem neuen Verein in Saarbrücken testete mich der Trainer und entschied nach einem schnellen 6:0 für ihn, dass ich in der zweiten Herrenmannschaft mitspielen dürfe, in der Kreisklasse. Was dann in den nächsten Jahren mein Los war.
Mein Lieblingstrainingspartner in Saarbrücken war Markus, ein fünfzehnjähriges Talent, der stundenlang fehlerfrei hohe Topspinbälle spielen konnte und die Rückhand beidhändig spielte, was ich bis dahin nur aus dem Fernsehen kannte. Ich hingegen pflegte einen offensiven Spielstil und versuchte, den Gegner vom Platz zu schießen. Aus Mangel an Geduld wollte ich immer so schnell wie möglich den Punkt erzielen und ging mit jedem Schlag ein hohes Risiko ein. Über Sieg oder Niederlage entschied dann meist meine Fehlerquote. Markus war genau das Gegenteil. Mit stoischer Ruhe spielte er jeden Ball hoch zurück und machte praktisch keine Fehler. Im Winter reichte das knapp bemessene...
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