Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Jede Veränderung beinhaltet immer auch Elemente, die gleich bleiben. Wie Wasser verändert auch Führung ihre Form, aber der Kern bleibt gleich. Auf diesen Kern können Sie Ihre Führungsarbeit weiterhin ausrichten oder Ihren Umgang neu darauf aufbauen. Um diesen kontinuierlichen Kern soll es in den nächsten Kapiteln gehen.
Ich fuhr im Frühjahr 2019 von einem Workshop in Heilbronn zurück nach München. Ich liebe es, während der Autofahrt Hörbücher zu hören, und so war ich vertieft in die Stimme des Sprechers. Plötzlich schreckte ich hoch. Ich erkannte, wie rund 70 Meter vor mir ein Wagen in der Leitplanke hing. Doch das war nicht alles. Gerade einmal zehn Meter dahinter dasselbe Bild mit einem anderen Auto. Bevor ich überhaupt realisiert hatte, was vor sich ging, hatte es mich bereits erwischt: Blitzeis. Mein Wagen geriet außer Kontrolle und ich hatte enorme Probleme, ihn wieder auf Spur zu bekommen. Letztlich hatte ich ungemeines Glück, dass sich neben mir keine Autos befanden, denn ich brauchte tatsächlich alle drei Fahrstreifen, bis ich den Wagen wieder einigermaßen steuern konnte. Was mich dabei enorm unterstützt hatte: mein Antiblockiersystem.
Doch warum erzähle ich Ihnen das, es geht doch um Führung im digitalen Zeitalter? Führung hat im digitalen Zeitalter die Funktion eines Antiblockiersystems. Sie muss immer dort eingreifen, wo es hakt und nicht mehr rundläuft. Wo Dinge drohen aus der Spur zu laufen und ins Schleudern zu geraten.
Führung muss immer dort Unterstützung leisten, wo die Selbststeuerungsfähigkeit des einzelnen Mitarbeiters/der einzelnen Mitarbeiterin, des Teams oder der gesamten Organisation versagt.
Was bedeutet das? Stellen Sie sich vor, Sie erkennen, dass sich Ihr/e Mitarbeiter:in im Homeoffice zunehmend überarbeitet. Die Selbststeuerungsfähigkeit des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin, auf sich zu achten und gesunde Leistung zu zeigen, hat somit versagt. Gleiches gilt für den genau gegensätzlichen Fall: Ihr/e Mitarbeiter:in bringt kaum noch Leistung, Deadlines werden gerissen und Arbeitspakete nicht erledigt. Auch hier ist die Selbststeuerungsfähigkeit des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin, seinen/ihren Verpflichtungen nachzukommen, unter die Räder geraten. In beiden Fällen ist Ihr Eingreifen als Führungskraft gefragt. Stellen Sie sich vor, aus Ihrem Team kommen kaum neue kreative Ideen und Sie sind der Einzige, der neue Impulse setzt. Hier versagt die Selbststeuerungsfähigkeit des Teams, sein kreatives Potenzial effektiv zu nutzen. Oder Ihr Team wird zunehmend egofokussiert, das heißt, der Teamzusammenhalt erodiert mehr und mehr. Es obliegt Ihrer Führung, hier einzugreifen und die kreative sowie soziale Selbststeuerungsfähigkeit wiederherzustellen, also das Team wieder zu befähigen, kreative Lösungen zu kreieren und einander wieder als Team zu begreifen und zu fördern. Zu guter Letzt das Unternehmen: Nehmen Sie an, Ihr Unternehmen verschläft gerade einen wichtigen Markt und treibt nicht die nötigen Innovationen voran. Dann ist es Ihre Aufgabe, hier als Führungskraft einzuschreiten und dafür zu sorgen, dass das Unternehmen als Ganzes diesen neuen Markt adressiert. Oder Ihr Unternehmen wird für neue Bewerber zunehmend unattraktiv, weil es Trends wie kreative Arbeitsräume und Mobile Working verschläft oder kategorisch ablehnt. Auch hier kann Ihr Beitrag darin bestehen, auf diese Fehlentwicklungen hinzuweisen und konkrete Lösungsvorschläge zu liefern. Wie im vorherigen Kapitel gezeigt, fehlen bei remote arbeitenden Mitarbeiter:innen häufig das Team oder die Organisation als Regulativ. Führung wird also auch in 100 Jahren noch gebraucht werden, wenn die Selbststeuerungsfähigkeit des Gegenübers versagt und Führung als Regulativ wirken muss. Es braucht dann jemanden, der wieder Orientierung gibt und Wege zur eigenen Selbstwirksamkeit aufzeigen kann. Da in einer komplexen und unsicheren Arbeitswelt die Selbststeuerungsfähigkeit häufiger einmal verloren gehen kann, wird Führung sogar immer wichtiger. Wie im ersten Kapitel bereits geschrieben, verändert sich der Kontext von Führung ganz gewaltig, aber das, was Führung leisten kann und wo sie Mehrwert stiftet, bleibt gleich, nämlich beim Wiederherstellen von Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit.
Reflektieren und nachspüren zum Thema Selbststeuerung
Das Schöne an Navigationssystemen ist, dass sie sich an geänderte Rahmenbedingungen wie Staus oder Sperrungen anpassen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Ähnlich ist es mit der Führung im digitalen Zeitalter: Das Ziel und die Schwerpunkte von Führung bleiben gleich. Und zwar auf der Ebene der Mitarbeiter:innen, des Teams und des Unternehmens.
Die gute Nachricht ist: Auf absehbare Zeit bleiben Ihre Mitarbeiter:innen Menschen. Und Menschen haben Bedürfnisse, an denen Sie sich ausrichten können. Eine sehr hilfreiche, weil prägnante und in der Praxis gut umsetzbare Herangehensweise ist die sogenannte Konsistenztheorie nach Klaus Grawe.29 Gemäß dieser Theorie besitzt der Mensch vier Grundbedürfnisse, die - vereinfacht gesagt - im besten Fall erfüllt sein sollten, damit sich das Gefühl von Kongruenz und innerer Gestimmtheit einstellt. Diese vier Bedürfnisse sind folgende:
Menschen möchten die Welt, in der sie leben, verstehen, vorhersehen und im besten Fall auch beeinflussen können. Sie wollen Gestalter ihres Lebens sein und nicht Opfer unverständlicher, unkontrollierbarer und unbeeinflussbarer Umstände. Auch Mitarbeiter:innen wollen einen Gestaltungsspielraum, in dem sie wirksam werden können. Dazu brauchen sie Leitplanken, aber auch Freiheiten in der Umsetzung (mehr dazu im Abschnitt Empowerment im Kapitel »Vertrauen ist alles und ermöglicht vieles«) sowie die nötigen Kompetenzen. Sie möchten Rückmeldung erhalten, ob ihre Arbeit den Erwartungen entsprochen hat und wo es in Zukunft mit der Firma hingeht. Fragen Sie sich immer: Wie können Sie Ihre Mitarbeiter:innen als aktive Gestalter im Spiel halten? Wer braucht wann und wo wie viel Orientierung und wie können Sie das Gefühl von Kontrolle beispielsweise durch ein Mehr an Informationen oder Unterstützungsmöglichkeiten wie Schulungen und Lernangeboten unterstützen?
Menschen möchten positiv über sich denken und möchten, dass andere dies ebenso tun. Auch im Erwachsenenalter neigen viele dazu, sich in Situationen zu begeben oder mit Menschen zu umgeben, die ihnen selbstwertdienliche Erfahrungen ermöglichen. Auch den meisten Mitarbeiter:innen ist wichtig, was ihre Kolleg:innen und ihre Führungskraft über sie denken. Sie bevorzugen Aufgaben, bei denen sie nicht mit der eigenen Unzulänglichkeit konfrontiert werden, sondern gute Ergebnisse abliefern können oder zumindest behutsam und selbstwertschützend herangeführt werden. Auch sammeln sich häufig Kolleg:innen zusammen, die einander im Selbstwert bestätigen. Wer Menschen ständig mit Unzulänglichkeiten konfrontiert, eckt eher an. Die Maxime lautet hier: Wie kann ich dazu beitragen, dass meine Mitarbeiter:innen positiv über sich selbst und ihre Leistung denken? Wie können Sie einen Mangel oder Fehler als positive Lernerfahrung erlebbar machen, ohne Sachverhalte zu beschönigen? Gerade bei kritischen Themen ist das eine Herausforderung, deswegen beleuchten wir das im Kapitel »Vertrauen ist alles und ermöglicht vieles« ausführlicher.
Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir möchten uns mit den Menschen um uns herum verbunden fühlen und in ihnen einen Zufluchtsort bei emotional belastenden Situationen finden. Auch im Businesskontext sind Menschen ungern Außenseiter. Sie wollen Teil des Teams sein, ihre Rolle dort finden, in Gemeinschaftsaktivitäten eingebunden sein und auch bei herausfordernden Situationen eine Vertrauensperson haben. Der Leitsatz lautet hier: Wie kann Ihr/e Mitarbeiter:in vollwertiges Mitglied des Teams bleiben oder werden? Wie können Sie das Gefühl von Verbundenheit stärken? Und wie kann dieses Gefühl auch auf einer Leistungsebene erzielt werden? Gerade in hybriden und virtuellen Settings wird...
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