Schweitzer Fachinformationen
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Taylors Mitbewohner kniete in ihrem Zimmer auf dem Boden und maß mit einem Zollstock die Breite der Matratze aus.
»Eli, was machst du da?« Perplex blieb Taylor im Türrahmen stehen und ließ ihren abgewetzten Lederrucksack mit der Kamera darin sinken.
Eli zuckte zusammen und fuhr herum. »Oh, äh, ich dachte, du kommst erst später«, stammelte er ertappt.
Taylor behielt es lieber für sich, dass sie früher als gewohnt zu Hause war, weil sie gerade ihren Job verloren hatte. Fragend zog sie die Augenbrauen hoch. Eli und sie waren keine dicken Freunde, aber ihre Privatsphäre respektiert hatte er bisher schon. Zumindest hatte sie noch keinen Hinweis darauf gefunden, dass er in ihrer Abwesenheit in ihrem Zimmer rumschnüffelte.
»Ja, also, Taylor .« Eli stand langsam auf. Verlegen strich er sich über seine Locken, krempelte die Arme seines Wollpullis hoch, um sie gleich darauf wieder runterzurollen. »Es ist so, dass Victoria hier einzieht. Und wir haben uns entschieden, aus diesem Raum das Schlafzimmer zu machen.«
Hitze kroch in Taylors Körper, während sie die Bedeutung von Elis Worten erfasste. »Du schmeißt mich aus der Wohnung?«
»Ich wollte dir das später in Ruhe erzählen, sorry.« Eli zuckte die Schultern, was vermutlich Bedauern ausdrücken sollte, aber eher gleichgültig wirkte.
Taylors Magen zog sich zusammen. In Manhattan seinen Job zu verlieren war übel. In Manhattan Job und Wohnung zu verlieren kam einer Katastrophe gleich. Erst gestern hatte sie auf der Lower East Side im Fenster eines heruntergekommenen Hauses einen Zettel hängen sehen, der eine freie Einzimmerwohnung für 3000 Dollar Monatsmiete anpries. »Wann soll ich raus?«, fragte sie tonlos.
»Das ist ein bisschen das Problem.« Erneut krempelte Eli seine Ärmel hoch. Diesmal blieben sie dort. »Ich würde ja sagen, dass Vic übergangsweise erst mal in meinem Zimmer wohnen kann. Aber sie muss selbst aus ihrer Wohnung raus und hat wahnsinnig viele Möbel.«
»Okay.« Taylor bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Wann?«
»Sonntag.« Eli machte ein zerknirschtes Gesicht.
»Sonntag?!? Das ist ja schon in drei Tagen!« Panik machte sich in Taylor breit, und in ihrem rechten Ohr setzte ein lautes Pfeifen ein. Wo um alles in der Welt sollte sie in New York so schnell ein neues bezahlbares Zimmer finden? Gleichzeitig entsann sie sich der Tatsache, dass sie keinen schriftlichen Untermietvertrag mit Eli besaß. Als sie vor zwei Jahren in die WG in Chinatown gezogen war, hatte sie ein paar mal danach gefragt, es dann aber irgendwann vergessen.
»Ja, tut mir leid, ich weiß, dass das suboptimal ist.«
»Suboptimal? Eli, du setzt mich von heute auf morgen auf die Straße!«
»Überübermorgen, nicht morgen.« Eli grinste verschämt. »Die restlichen Februartage musst du natürlich nicht bezahlen.«
»Wie großzügig von dir«, erwiderte Taylor sarkastisch.
Wut keimte in ihr auf, und sie musste sich beherrschen, Eli nicht ins Gesicht zu springen. Zumindest jetzt hätte sie ihn noch aus dem Zimmer werfen können, doch auf einmal wurde ihr die ganze Wohnung zu eng. Ohne ein weiteres Wort nahm sie das Wertvollste, das sie besaß - den Rucksack mit ihrer Kamera - und flüchtete aus dem Apartment.
Je weiter sie die Treppe nach unten lief, desto stärker wurde der Geruch nach Glutamat und gebratenem Kohl vom Wok-Imbiss im Erdgeschoss, sodass die Kälte, die Taylor auf der Straße wie eine Ohrfeige entgegenschlug, angenehm erfrischend war. Ohne weiter zu überlegen, steuerte sie den Coffeeshop um die Ecke an. Sie kaufte einen großen Chai Latte und setzte sich damit an die Theke am Fenster. Nach den ersten Schlucken wurde sie ein wenig gefasster und begann, ihre Optionen auszuloten.
Tatsache war, dass sie sich so schnell wie möglich auf Wohnungssuche begeben musste. Aber als Fotografin, deren aktuell einzige Einnahmequelle ein paar Tresenschichten in einer Bar in Williamsburg waren, stellte sie für jeden Vermieter so ziemlich das Gegenteil einer attraktiven Mietkandidatin dar. Was bereits das nächste Problem andeutete: Sie hatte wirklich kaum Geld für die Monatsmiete.
Ein Gefühl der Beklemmung umschloss Taylors Brustkorb und erschwerte ihr das Atmen. Wie so viele Menschen in New York lebte sie ohne große Sicherheiten. Sie konnte sich keine Krankenversicherung leisten, und gespart hatte sie auch nichts. Doch weil es nicht anders funktionierte, hatte sie sich an diesen Zustand gewöhnt. Nur wenn dann zwei Säulen auf einmal wegbrachen, wurde es brenzlig.
Wo sollte sie unterkommen, bis sie etwas Neues fand? Sie dachte an ihre besten Freunde, Gigi und Miles, die in einer kleinen Wohnung in Brooklyn lebten. Allerdings ging das Singer-Songwriter-Paar nächste Woche auf Tournee, und normalerweise vermieteten sie während dieser Zeit ihre Wohnung via Airbnb. Die meisten von Taylors anderen Freunden und Bekannten hausten in konservendosengroßen WG-Zimmern außerhalb Manhattans. Da passte nicht mal ein Blatt Papier zwischen die fensterlosen Wände und das Bett. Blieb noch ihre Mutter, die in einem Brownstone in Brooklyn wohnte. Doch zu ihr konnte Taylor auf keinen Fall.
Das Klingeln ihres Handys unterbrach ihre Grübelei. Hastig wühlte sie im Rucksack nach dem Smartphone. Auf dem gesprungenen Display leuchtete der Name ihrer Halbschwester Rebecca, die heute Geburtstag hatte. Kurz zögerte Taylor, dann riss sie sich zusammen und nahm den Anruf entgegen.
»Rebecca!«, rief sie angestrengt munter. »Happy Birthday! Mensch, da läuft doch was falsch, wenn du an deinem Geburtstag zuerst anrufst.«
Rebecca am anderen Ende der Leitung lachte. »Vielen lieben Dank! Nur weil ich heute siebenundzwanzig werde, habe ich nicht vergessen, wie man eine Nummer wählt. Ich glaube, Demenz setzt etwas später ein. Eigentlich dachte ich, du bist noch bei der Arbeit, und wollte dir auf die Mailbox sprechen.«
Taylor räusperte sich, bevor sie erwiderte: »Ich hab heute meinen Job verloren.«
»Was?!?«, rief Rebecca. »Was ist passiert?«
Taylor registrierte beiläufig, dass Rebeccas Englisch nur dann nicht nach dem einer US-Amerikanerin klang, wenn sie emotional wurde. Es war ein minimaler Unterschied in der Betonung der Wörter, ein wenig härter irgendwie, was man vermutlich nur raushörte, wenn man wusste, dass Taylors Halbschwester erst vor ein paar Monaten nach New York gekommen war. Bis zu ihrem siebten Lebensjahr hatte Rebecca in Brooklyn gelebt. Dann hatte ihre deutsche Mutter sich von Taylors und Rebeccas gemeinsamem Vater getrennt und war mit ihrer Tochter nach Deutschland gezogen. Wenige Jahre später war Dad gestorben.
»Ich hatte dir doch erzählt, dass Todd Philips, der Fotograf, in dessen Assistententeam ich arbeite, ziemlich speziell ist«, begann Taylor.
»Ja, dass er Starallüren hat und eine Diva ist«, ergänzte Rebecca.
»Genau. Heute ist er am Set ausgeflippt, weil er die Models mal wieder nicht mochte. Das war sein x-ter Ausraster diese Woche, und der Chef des Modelabels, für das die Strecke fotografiert werden sollte, hatte die Nase voll und hat ihn gefeuert.«
Kurz überlegte Taylor, ob sie für den Tag zumindest anteilig bezahlt werden würde. Doch dann dachte sie an Philips und musste fast lachen, weil sie die Möglichkeit überhaupt für einen Moment in Erwägung gezogen hatte.
»Oh, Shit. Taylor, das tut mir leid.«
»Mhm, danke«, murmelte Taylor.
»Dann ist dir heute wahrscheinlich nicht nach Feiern zumute«, stellte Rebecca fest.
Damit hatte sie recht, doch das wollte Taylor nicht zugeben. Denn auf keinen Fall würde sie die Chance verpassen, zum ersten Mal mit Rebecca deren Geburtstag zu verbringen. Sie hatte ihre Halbschwester vor einigen Wochen erst kennengelernt, als diese den Kontakt zu ihr gesucht hatte. Der Vater der beiden jungen Frauen war der Grund, weshalb Rebecca überhaupt in den Big Apple gereist war: Sie hatte mehr über ihre Wurzeln erfahren wollen. Seither trafen sie sich so oft wie nur möglich, tauschten sich über Dad aus und versuchten, komprimiert in ein paar Stunden, einander ihr Leben zu erzählen.
»Doch, natürlich!«, entgegnete Taylor. »Denkst du, das lasse ich mir entgehen?«
»Bist du sicher?«, fragte Rebecca.
»Absolut.«
»Okay, wunderbar. Ich wollte dir vorhin nämlich nur sagen, dass wir schon früher in der Bar sein werden, weil wir dort noch was essen wollen. Wenn du Lust und Zeit hast, dann komm doch auch direkt. Ach, Taylor, ich freue mich so, dass du alle kennenlernst.«
»Ich freue mich auch darauf«, sagte Taylor. Sie wollte Rebecca heute auf keinen Fall mit ihren Problemen die Laune verderben. Es war so etwas Besonderes, dass sie den Tag zusammen feiern konnten.
Beim Betreten des Pubs im East Village lief Taylor gegen eine Wand aus Wärme und Stimmgewirr. Sie lockerte ihre von der Kälte versteiften Schultern und schaute sich um. Die Location war weder chic noch hip, sondern schlicht gemütlich und ein wenig rustikal - mit Whiskey- und Ginflaschen im Regal hinter der langen Theke und Tischen aus dunklem Holz, die schon jetzt, am frühen Abend, alle besetzt waren. Eine an den Armen tätowierte Kellnerin balancierte Teller mit Burgern und Pommesbergen durch den Raum.
Wahrscheinlich hatte Rebecca bewusst eine unspektakuläre Kneipe ausgesucht, um dort mit ihrem prominenten Freund Alex ihre Ruhe zu haben. Nicht irgendein Alex, sondern Alex Frey, der mit seinem Zwillingsbruder Jeremy vor ein paar Jahren das hypererfolgreiche Computerspiel Rising erfunden hatte. Dies war eine jener seltenen Geschichten, die Menschen darin bestärkte, ihren Glauben an den amerikanischen Traum nicht zu verlieren: Rising, ein Action-Adventure-Game, das Taylor selbst schon gespielt hatte, hatte die Brüder quasi...
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