Schweitzer Fachinformationen
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Was stach ihn da? Unwillig drehte Rufus den Kopf zur Seite und zuckte erschrocken zurück, als sich wieder etwas Spitzes in seine Schläfe bohrte. Was war da los? Er hatte doch eben noch auf einer Lichtung am Feuer gesessen, Flammen waren in der Dunkelheit gen Himmel geschlagen, und ihr Schein hatte auf den Stämmen am Rand der Lichtung geflackert.
Außerdem war da noch ein kleiner Schatten gewesen, der sich geschmeidig vor dem Feuer hin und her bewegte, und in dessen behaartem Gesicht zwei silberne Knopfaugen glänzten .
Rufus hielt den Kopf ganz still und konzentrierte sich. Sofort hörte das Stechen auf. Auch das Feuer knisterte wieder und er konnte Rauchgeruch wahrnehmen. Dann schlugen die Flammen von einer Sekunde zur anderen hoch empor.
Er war zurück. Er saß irgendwo in einem Wald, am Rand einer Lichtung. Aber wo war er?
Ein Mann trat aus der Dunkelheit vor die Flammen. Er hatte einen wilden Bart und sein Haar glänzte im Feuerschein. Er sagte etwas, das Rufus nicht verstand. Aber er sprach anscheinend zu jemandem.
Vorsichtig richtete Rufus sich auf. In der Mitte der Lichtung erhob sich ein kleiner Hügel, auf dem ein Baum mit hängenden Ästen wuchs. Unter der kahlen Krone saß eine Frau. Zu ihr musste der Mann gesprochen haben, denn sie blickte kurz zu ihm auf. Doch sofort wanderte ihr Blick zurück zu zwei Mädchen, die sie in Decken gehüllt fest in ihren Armen hielt. Die Mädchen hatten die Köpfe gesenkt und blickten starr zu Boden.
»Der Stamm braucht dich!«, sagte der Mann. Diesmal konnte Rufus ihn verstehen. Es war eine seltsame Sprache, voller fremder Laute. Die Frau antwortete etwas und das verstand Rufus nicht. Aber die Worte klangen wie rigani, ei thad und saliko.
Sie schwieg einen Augenblick, als lausche sie ihren Worten nach. Als sie weitersprach, konnte Rufus auch sie verstehen: »Jetzt brauchen mich meine Töchter.«
»Der Stamm hat keinen Anführer ohne dich«, sagte der Mann eindringlich. »Du musst zu ihm zurückkehren, Königin. Du hast die Kinder in Sicherheit gebracht! Sie sind gerettet!«
Die Frau zog die Kinder enger an sich.
»Geh, Mutter«, sagte in diesem Moment eine klare Stimme. Es war das ältere der beiden Mädchen, das sprach: »Wir bleiben im Schutz des Baumes.«
»Nein, meine Töchter«, flüsterte die Frau. »Ich werde euch nicht alleine lassen.«
»Du musst«, sagte nun auch das andere Mädchen, das deutlich kleiner war als seine Schwester und dessen Stimme zerbrechlich klang. »Du bist die Königin.«
Die Frau ließ die Arme sinken. Dann stand sie abrupt auf. Sie war groß und athletisch und trug ihre langen, rotblonden Haare in viele Zöpfe geflochten, die kunstvoll im Nacken zusammenliefen und dort von einem schwarzen Band zusammengehalten wurden. Schnell trat sie unter die hängenden Äste des Baumes, nahm einige Zweige und verknotete sie leicht miteinander.
»Behüte meine Töchter, heiliger Baum«, sagte sie, die Zweige fest in der Hand. »Ich bitte dich, dass sie in deiner Obhut den Überfall auf unseren Stamm vergessen können. Ich will, dass sie frei aufwachsen und frei lieben werden. Dass ihre Liebe erwidert wird. Und für mich erbitte ich Kraft. Gib mir die Kraft, dass Recht wieder zu Recht werden kann.« Ihr Gesicht wurde hart. »Und gib mir Kraft genug, Vergeltung zu üben.«
Die Frau ließ die Zweige los und für einen Moment schwangen sie in der Luft. Dann hingen sie wieder still in der Dunkelheit. Kein Windhauch bewegte die Nacht.
Rufus war kalt. Erst jetzt bemerkte er, dass rund um den Baum einige kleinere Schneefelder den Boden bedeckten.
Die Frau wandte sich wieder den Mädchen zu: »Ich kehre jetzt zum Stamm zurück und werde mich beraten. Ihr bleibt solange hier. Sobald meine Entscheidung gefallen ist, schicke ich euch Tyrai als Begleiter. Wenn wir in den Kampf ziehen und der Baum meine Wünsche erhört, kehren wir später zu ihm zurück und bringen ihm unser Geschenk. Jetzt wird er euch behüten.«
Sie sah den Mann an, der gehorsam nickte.
Rufus blickte zu den Mädchen. Die beiden lehnten sich in ihre Decken gehüllt Seite an Seite gegen den Baumstamm. Ein Streifen Mondlicht fiel durch die dichten Zweige. Für einen Augenblick traf das Licht die Gesichter der Mädchen. Rufus schaute genauer hin. Er wollte wissen, wer diese beiden Mädchen waren und wie sie aussahen. Doch ehe er Einzelheiten erkennen konnte, trat die Königin vor sie und befahl:
»Tyrai, mach ihnen Essen, ehe wir aufbrechen.«
Rufus wandte den Kopf. Der Mann ging ans Feuer. Daneben war ein hölzerner Trog in den Waldboden eingegraben. Er war mit Wasser gefüllt. Mithilfe zweier dicker Äste zog der Mann große Steine aus den Flammen und warf sie in den Trog. Das Wasser zischte auf. Rufus sah wieder zu den Mädchen. Aber das Mondlicht war fort, und er konnte nur noch ihre schattenhaften Gestalten unter dem Baum erkennen und die ihrer Mutter, die hoch aufgerichtet vor ihnen stand.
Ein Schmerz bohrte sich in seinen Kopf. Wieder stach ihn etwas in die Schläfe. Und auf einmal wurde alles ganz dunkel.
Rufus stieß einen unwirschen Laut aus. Irgendetwas stimmte hier nicht. Was war das? Wo war er denn nur?
Dann schlug er die Augen auf.
Sein Kopf lag auf einer harten Holzplatte. Und rechts und links von ihm waren keine Bäume, sondern es türmten sich mächtige Bücherstapel auf. Einige der Bände waren aufgeschlagen und die spitze Ecke eines Buchdeckels stak gefährlich nah neben seiner rechten Schläfe in die Luft. Rufus blinzelte. Jetzt verstand er. Er musste geträumt haben. Dann war er im Schlaf anscheinend gegen die Buchecke gestoßen und der Schmerz hatte ihn aufgeweckt.
Was für ein merkwürdiger Traum.
Vorsichtig, um die Bücherstapel nicht anzustoßen, hob Rufus den Kopf und richtete sich langsam auf.
Durch das schmale Fenster seines Zimmers blickte er auf die im Morgenlicht liegende, verwinkelte Dächerlandschaft der Akademie. Der Akademie der Abenteuer, oder, wie sie wirklich hieß, Academia des leibhaftigen Studiums vergangener Zeiten, gegründet 1392 von den Gebrüdern Micheluzzi.
Seit kurzer Zeit war Rufus als Lehrling hier.
Auf einem Stuhl neben ihm lag sein mit Skizzen übersäter Zeichenblock. Rufus musterte die hohen Bücherstapel daneben. Diesmal hatte er Glück gehabt. Erst vor drei Tagen war ihm genau das Gleiche schon einmal passiert. Er war beim Lesen an seinem Schreibtisch eingeschlafen und am nächsten Morgen mit dem Kopf inmitten der aufgetürmten Bücher aufgewacht. Dabei hatte er sich zu heftig bewegt, und einige Bände waren wie bei einem Erdbeben über ihm zusammengestürzt. Das hatte verdammt wehgetan. Aber noch schlimmer war das folgende Donnerwetter der Magistra Bibliothecaria, Meisterin Iggle, gewesen, als er ein Werk über Glasbläserkunst aus dem 13. Jahrhundert mit einer verknickten Seite zurückgebracht hatte.
»Rufus Minkenbold!«, hatte sie mit ihrer durchdringenden Stimme geschimpft. »Nur weil du und deine Mitfrischlinge vor ein paar Wochen erfolgreich eure erste Flut bestanden habt, erlaube ich dir noch lange nicht, dass du meine kostbaren Bücher nachlässig behandelst. Zur Strafe für dieses schändliche Eselsohr ziehe ich dir einen Erkenntnispunkt ab. Und ich versichere dir, beim nächsten Mal wird mich nichts daran hindern, dich zu ausgedehnten Aufräumarbeiten bei mir in der Bibliothek zu begrüßen. In den obersten Regalen muss einiges entstaubt werden.«
Schon der Gedanke daran hatte Rufus schwindelig werden lassen. Die obersten Regale der Bibliothek waren nur über drei aufeinanderfolgende schmale und etwas wackelige Holzleitern zu erreichen, auf denen sich außer Meisterin Iggle höchstens ein ausgebildeter Feuerwehrmann oder ein Hochseilartist wirklich sicher bewegte.
Rufus stand auf, zog sein Hemd aus und trat an das alte Wasserbeckenmit dem Löwenkopf darüber. Er drehte den Hahn auf, wartete, dass das Löwenmaul Wasser zu spucken begann, und schaufelte es sich dann rasch über Kopf und Körper. Was hatte er da nur zusammengeträumt? Er forschte doch die ganze Zeit an seinem neuen Fragment, und das war eine Glasscherbe, die mit all dem nun wirklich nichts zu tun haben konnte. Wie kam er dann auf diesen Wald, auf so eine seltsame Sprache und die merkwürdige Kochstelle? Das war äußerst seltsam.
Nun ja, er hatte schon immer wild geträumt. Und das setzte sich halt in der Akademie fort, nur, dass er hier Sachen träumte, die irgendwie mit historischen Geschichten zusammenhingen.
Erst vor ein paar Tagen hatte Rufus geträumt, dass er zusammen mit einigen anderen Lehrlingen mitten im alten Rom ins Kino ging. Schon das war völlig irre gewesen. Aber dann hatte er im Kino auch noch plötzlich seiner Mutter gegenübergestanden und ihr verraten, dass es sich bei der Akademie gar nicht um ein Eliteinternat handelte. Das durfte sie natürlich nicht wissen. Zum Glück war es nur ein Traum gewesen, und sie hatte in Wirklichkeit nicht die...
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