Schweitzer Fachinformationen
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Mein Vater sagte immer: »Wer billig kauft, kauft teuer.« Und recht hatte er. Ich muss dazusagen: Mein Vater war kein Philosoph oder Gelehrter, der die klugen Sprüche nur so aus dem Ärmel schüttelte. Den Sager übernahm er von der Staubsaugervertreterin, die im Jahr 1981 meine Eltern vier Stunden in der Küche vollquasselte und ihnen am Ende ein Vorwerk-Gerät um 7000 Schilling andrehte, obwohl damals im ganzen Haus kein einziger Quadratzentimeter Teppichboden lag. Meine Mutter war allerdings sehr zufrieden mit dem Staubsauger, und daher kam die Überzeugung meiner Eltern: »Wer billig kauft, kauft teuer.«
Theoretisch kann man diesen Spruch auch auf Lebensmittel oder Kleidung beziehen, allerdings hat mein Vater diese Aussage immer getätigt, wenn er den Kauf einer neuen Landmaschine verteidigen wollte. Er ist nämlich ein Bauer der Achtzigerjahre. Damals, als auf den Bauernhöfen Milch und Honig floss und die Gummistiefel noch aus Holz waren, war die goldene Zeit für die Bauern. Damals zahlte einem der Viehhändler für einen Stier 25000 Schilling. Mein Großvater verkaufte im Jahr 1979 fünf ausgewachsene Stiere, und mit dem Erlös ging sich ein nagelneuer erbsengrüner Opel Ascona aus. Heute bekommt man für einen Stier 1500 Euro, womit ein Bauer lediglich sein Minus am Konto minimal ausgleichen kann. Für einen Liter Milch zahlte die Molkerei sieben Schilling, das wäre heutzutage ein Wert von 1,24 Euro pro Liter. Ausbezahlt werden davon an den Landwirt allerdings nur fünfzig Cent.
Allein in Schlatzing gab es fünf schmierige und trinkfeste Landmaschinenvertreter, die regelmäßig zu den Bauern fuhren und ihnen die neuesten technischen Errungenschaften der Landmaschinenindustrie schmackhaft machten. Damals waren ein Pöttinger-Trommelmähwerk, ein Steyr-Hamster-Plus-Ladewagen und natürlich auch ein Steyr-8090-Traktor Must-haves für jeden noch so kleinen Keuschler. Das Interessante ist ja: Vor vierzig Jahren waren die Maschinen der Bauern kleiner als heute, ihre Traktoren hatten viel weniger PS, aber trotzdem ging es den Bauern damals besser. Eine Familie lebte gut von der Landwirtschaft. Heute haben wir Bauern größere Maschinen, stärkere Traktoren, und trotzdem müssen die meisten von uns nebenbei einen anderen Beruf ausüben, um den Bauernhof erhalten zu können. Mein Vater kaufte im Jahr 1982 nicht den 135er-Ferguson-Traktor, sondern den 520er-Lindner. Schließlich konnte der mit Allradantrieb brillieren und wir ihn uns leisten.
52 PS unbändige Freiheit. Zumindest auf dem Feld. Auf der Straße fuhr so ein Traktor maximal 25 km/h. Einen Allradtraktor besaß damals in Schlatzing kein Zweiter. Während die anderen Nachbarbauern mit ihren schmalen, gerillten Vorderreifen durch die Gegend schlurften, die übrigens bei schwerer Last zu hüpfen begannen, pflügte sich unser Lindner souverän durch den Acker.
Nix mit Plastiktüre und offener Heckscheibe. Der Lindner 520 hatte zwei luxuriöse Türen zum Ein- und Aussteigen, und hinten konnte man mit einer Plane die Traktorkabine elegant schließen, damit es auch im Winter kuschelig war. Obwohl, richtig warm war es nie, aber zumindest wehte der Wind nicht ungebremst durch die Fahrerkabine. Unser luxuriöser Traktor war um 10000 Schilling teurer als ein einfacheres Modell. Eine Menge Geld, doch mein Vater verlautbarte an einem Sonntag nach fettem Schweinsbraten und Knödeln seinen Lieblingssatz am Mittagstisch, und damit war die Entscheidung gefallen.
Dummerweise blieb der 520er-Lindner acht Jahre später, ein Jahr nach Ablauf der Garantie, mit einem Motorschaden auf der Wiese stehen, und rückwirkend betrachtet, kann man sagen, kam meinem Vater sein teurer Traktor recht teuer.
Warum habe ich jetzt, über vierzig Jahre später, diesen Spruch im Ohr, während ich im Supermarkt an der Resterampe stehe und dieses neongelbe Federball-Set betrachte? »19,99 Euro« steht da in großen Lettern. Wollte ich nicht schon länger wieder etwas Sport treiben? Schließlich war ich als Kind ein Ass im Federball. In den Achtzigerjahren schoss ich die deutschen Urlauberkinder der Reihe nach mit dem Hons-Spezialschmetterball in die Verzweiflung. Bei 19,99 Euro muss man eigentlich nicht lange überlegen. Immerhin gibt es drei Federbälle gratis dazu, also rein in den Einkaufswagen. Daheim betrachtet meine Frau die neueste Errungenschaft mit den aufmunternden Worten: »Tu dir dabei bitte nicht wieder weh.«
Als ob das passieren könnte. Schließlich wäre ich als junger Bursche beinahe Spitzensportler geworden, hätte ich mir nicht mit zwölf Jahren die Kniescheibe gebrochen und zwei Jahre später ein Kreuzband gerissen. Beim professionellen Federballspiel musste natürlich das Outfit passen: Tausche Latzhose und Gummistiefel gegen Gerd-Müller-Shorts und Tanktop und bin bereit.
Hätte ich gewusst, dass mich mein siebter Sinn warnen will und mir diese 19,99 Euro extrem teuer zu stehen kommen und mich viele Nerven kosten würden, ich hätte das Zeug liegen lassen und wäre gerannt.
»Fünf zu null für mich. Du gibst«, rufe ich voll motiviert meinem Sohn zu.
»Was redest du, Papa, wir zählen ja gar nicht mit! Außerdem spielst du total unfair, deine Bälle kann kein Mensch erwischen«, jammert er genervt. Das sportliche Talent hat hier eindeutig die Mutter vererbt.
»Pass auf, jetzt zeig ich dir den Hons-Spezialball, meine Geheimwaffe«, sage ich zu meinem Jüngsten, der mit seinen Augen rollt und lieber wieder bei der Playstation wäre. Ich hole aus und schieße mit vollem Schwung, lasse den Federball durch die Luft brausen, dass es nur so eine Freude ist.
Geflogen ist er aufs Dach meines Nachbarn. Meines zugezogenen Nachbarn wohlgemerkt. Oder wie ich sage: der Zuagraste, Jochen aus München. In der Dachrinne seines Bungalows kommt meine nagelneue Errungenschaft zum Liegen, und es dauert auch keine zehn Sekunden, bis die Haustür aufgeht.
Natürlich hat Jochen uns schon die ganze Zeit durchs Fenster beobachtet. Ist ja sonst nicht viel los an einem faden Sonntagnachmittag am Land. Jutta, Jochens Frau, genießt seit zwei Wochen ihren Selbstfindungsyogakurs im indischen Goa. So ganz ohne Gattin ist meinem Nachbarn sterbenslangweilig, also ist es ihm ganz recht, dass es nun wieder etwas gibt, worüber er sich aufregen kann. Grenzüberschreitungen jeglicher Art führen bei Jochen seit seinem Herzug vor acht Jahren immer verlässlich zu Schnappatmung. Die Röte seines Kopfes wechselt zwischen Tomaten- und Kirschrot, und an seiner Stimmlage erkenne ich sogleich, dass er über den Hons-Spezialball nicht erfreut ist.
»Sag einmal, hast du eine Ahnung, wie viel meine Dachziegel gekostet haben? Ich hoffe, du bist gut versichert.«
»Nachbar, deinen Biberschwanzziegeln ist nichts passiert«, versuche ich, Jochen zu beruhigen.
»Ja, wie kannst du das wissen? Ich habe in meinem Wohnzimmer den Aufschlag gespürt. Mir kommt sogar vor, mein Haus hat leicht gebebt«, echauffiert er sich.
»Was glaubst du, warum ein Federball >Federball< heißt?«, mischt sich nun auch mein Sprössling ein. »Weil er leicht wie eine Feder ist. Sonst würde er ja >Steinball< heißen.«
»Jochen, reg dich ab, schluck deine Globuli und geh wieder ins Haus. Beim nächsten Sturm fliegt das Ding schon wieder runter von deinem wertvollen Dach«, beschwichtige ich.
So lange will der Nachbar keinesfalls warten. Er bringt seine lange Leiter aus seiner Garage und fordert mich auf: »Hol diesen Mist von meinem Grundstück, bevor ich mich komplett vergesse.«
Ich spucke in die Hände und will den Aufstieg in Angriff nehmen, als er mich zurückpfeift. Er will lieber selber hinauf, um gleich eventuelle Schäden zu sichten. Ja, wenn der Nachbar schon so eifrig ist, dann will ich ihm nicht länger im Weg stehen. Ich hab ohnehin Höhenangst und kann gern drauf verzichten, auf einem Dach herumzukraxeln, um einen blöden Federball zu holen.
Eine Zeit lang beobachte ich gespannt, wie Jochen mit seiner neuen Leiter herumhantiert. Irgendwas kommt mir an der ganzen Sache merkwürdig vor, doch als mir der Fehler auffällt, ist es leider schon zu spät: die Räder. Die Leiter hat Räder, und jeder, der in der Schule in Physik nicht dauernd geschlafen hat, weiß, dass eine Leiter mit Rädern am Boden die Tendenz hat davonzurollen. Es ist turbulent zu beobachten, wie sich die Leiter in Bewegung setzt, während der Nachbar auf der siebten Sprosse steht.
Ich weiß jetzt nicht, was lauter ist. Der Knall, mit dem der Nachbar abstürzt, oder das Geschrei, das er danach macht. An und für sich ja ein gutes Zeichen. Ich habe mal im Wirtshaus mit dem Arnold philosophiert. Der Arnold ist bei der Rettung. Und der erklärte mir, wenn er zu einem Unfall kommt und das Unfallopfer schreit furchtbar laut, dann ist das erfreulich. Weil man dann weiß: Wenn der Patient noch Luft zum Schreien hat, kann's so schlimm nicht sein.
Allerdings muss ich sagen, Jochens linkes Bein sieht jetzt schon ein bisschen schlimm aus. Er ist wirklich nicht besonders elegant auf die Pflastersteine gefallen. Mit dem Fuß zwischen den Sprossen liegt er nun vor mir, und es ist ja auch nicht so, dass mich die ganze Situation komplett kaltlässt. Sie erschreckt mich sogar so sehr, dass ich gar nicht genau hinsehen kann.
Aber der Hons wäre nicht der Hons, wenn er nicht in der Lage wäre, Erste Hilfe zu leisten. Gut, streng genommen, hole ich Erste Hilfe in...
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