Körpersprache und Verhalten domestizierter Hunde
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as Verhalten von Hunden wird bestimmt durch die Situation, in der sie sich befinden, sowie durch ihre Befindlichkeit und die aktuellen Bedürfnisse. Die Verhaltensforschung hat das Spektrum des beobachtbaren Verhaltens von Hunden in sieben unterschiedliche Kategorien eingeteilt, die alle unterschiedlichen Zwecken dienen und in verschiedenen Situationen gezeigt werden. Dabei lässt sich die siebte Kategorie, das Sozialverhalten, noch in weitere Unterkategorien einteilen. Wir werden uns nun jede einzelne Kategorie genau anschauen und im selben Rahmen auch die körpersprachlichen Signale, die innerhalb dieser Kategorie existieren. Das sogenannte Beschwichtigungsverhalten, welches als Teil des Sozialverhaltens eingestuft wird, nimmt dabei jedoch so großen Raum ein und zeigt Signale aus so vielen verschiedenen Verhaltensmustern, dass ich diesem Thema ein eigenes Kapitel widmen werde.
Vorab möchte ich noch erwähnen, dass die einzelnen Verhaltensschemata immer auch fließend ineinander übergehen, bzw. mehrere gleichzeitig ablaufen können. Zudem wirkt ein Verhaltensschema, das von einem Hund gezeigt wird, im Normalfall "ansteckend" auf andere Hunde in seiner Umgebung. Diese Tatsache ist darauf zurückzuführen, dass Hunde soziale Tiere sind, die genetisch an das Leben in einer Gemeinschaft angepasst sind.
Erkundungsverhalten
Das Erkundungsverhalten von Hunden dient vor allem der Erweiterung des Aktionsradius, in dem ein Hund oder das Rudel sich bewegen kann. Es handelt sich hier um ein angeborenes Verhalten und wird oft auch als Explorations- oder Neugierverhalten bezeichnet, durch das ein Hund seine Welt kennenlernt und ständig erweitert. In der Natur dient dieses Verhalten dem Wolf also vor allem dazu, sein Revier zu sichern und nach Neuerungen abzusuchen, die entweder gefährlich oder aber dem Rudel nützlich sein können. Genauso kann der Wolf sein Revier innerhalb dieses Verhaltensmusters aber auch erweitern.
Sowohl Wolf als auch Hund lernen so ständig neue und unbekannte Dinge kennen, was letzten Endes auch den Sinn hat, das Selbstbewusstsein des Tieres zu stärken. Am stärksten ausgeprägt ist das Erkundungsverhalten bei Welpen bis zum Alter von einem Jahr, da sie die Welt, in der sie leben, erst noch kennenlernen müssen. Ab dem Alter von einem Jahr nimmt dieses Verhalten zwar ab, wird aber situationsabhängig immer noch regelmäßig ausgelebt, zum Beispiel beim Gassigehen und besonders, wenn neue, bisher unbekannte Wege gegangen werden.
Wie ausgeprägt dieses Verhalten gezeigt und ausgelebt wird, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab, vor allem der Selbstsicherheit des Hundes, der Ausgeprägtheit seiner angeborenen Neugier und Vorsicht sowie der allgemeinen Sicherheit in der Situation. Hunde, die allein sind, erkunden vorsichtiger und weniger als Hunde, die ihr Rudel als Verstärkung dabeihaben. Dies kann sich sowohl auf ein Rudel aus Hunden als auch auf das menschliche Rudel, zu dem sie gehören, beziehen, denn ganz allgemein lässt sich sagen: Gemeinschaft gibt Sicherheit! Je größer die Gemeinschaft, in der ein Hund unterwegs ist, desto ausgeprägter wird er sich also seinem Erkundungstrieb hingeben. Dabei können dann häufig auch Übergänge zum Spielverhalten entstehen, besonders wenn etwas entdeckt wird, was den Spieltrieb anregt, die einzelnen Tiere sich in ausgelassener Stimmung befinden oder andere Hunde entdeckt werden, die als potenzielle Spielpartner infrage kommen.
Ein Hund, der sich innerhalb des erkundenden Verhaltensschemas bewegt, zeigt eine lockere und entspannte Körperhaltung. Der gesamte Körper wirkt weich und zeigt fließende Bewegungen, dabei kommt das Tier nur selten zum Stillstand. Die Rute befindet sich dabei in einer entspannten Normalhaltung, das bedeutet, sie hängt locker herunter, mit leicht nach oben zeigender Schwanzspitze. Die Ohren und der Blick des Hundes werden auf das ausgerichtet, was seine Neugier geweckt hat und inspiziert werden soll, der Kopf befindet sich auf Höhe des anvisierten Objektes. Das Maul hält der Hund in solchen Situationen für gewöhnlich geschlossen oder minimal geöffnet, wird ein interessanter Geruch wahrgenommen, schnüffelt er in die entsprechende Richtung.
Dieses Verhalten können Sie am besten beim Gassigehen beobachten, wenn Ihr Hund die meiste Zeit mit der Nase am Boden herumläuft, dabei kreuz und quer den Geruchsfährten folgt oder sie hin und wieder auch ableckt, um einen besonders intensiven oder interessanten Duft besser aufnehmen und interpretieren zu können. Manchmal flehmen Hunde in solchen Situationen auch, dabei wird der Kopf nach oben gestreckt und das Maul leicht geöffnet. Die Oberlippe wird hochgezogen und die Zungenspitze herausgestreckt. Auf diese Art werden Gerüche in das sogenannte Jakobsche Organ geleitet, das dazu dient, Gerüche auch geschmacklich wahrnehmen und interpretieren zu können.
Grundsätzlich wird Ihr Hund in jeder Situation, die neu für ihn ist, zunächst in das Erkundungsverhalten switchen. Handelt es sich um einen jungen und noch relativ unerfahrenen Hund oder um ein eher schüchternes, vielleicht sogar ängstliches Tier, kann das Erkundungsverhalten auch zeitgleich mit einem Konfliktverhalten stattfinden. In diesem Fall findet keine entspannte Annäherung an neue Objekte oder Orte statt, sondern das Tier zeigt eine Mischung aus den beiden Verhaltensmustern.
Dann ist der grundlegende Erkundungstrieb gegeben und deutlich sichtbar, wird jedoch unter mehr oder weniger starker Anspannung durchgeführt. In einem solchen Fall wird Ihr Hund sich neuen Dingen zwar annähern, dabei aber eher eine angespannte Körperhaltung zeigen. Die Bewegungen sind nicht mehr fließend, sondern wirken oft wie in Zeitlupe. Der Hals des Hundes wird lang gestreckt, sodass der Hund sich hauptsächlich mit dem Kopf annähert, sein Körper sich aber in möglichst sicherer Entfernung befindet. So kann das Neue mit Augen, Ohren und Nase untersucht werden, während der restliche Körper sich in Fluchtbereitschaft befindet.
Sollten Sie sich mit Ihrem Hund in einer solchen Situation befinden, ist es wichtig, dass Sie ihm genügend Zeit geben, die Annäherung an das Unbekannte möglichst allein zu bewältigen, denn so stärken Sie sein Selbstbewusstsein. Greifen Sie zu früh ein, könnten Sie dieses unterminieren und ihm sogar vermitteln, dass Neues grundsätzlich nur sicher ist, wenn Herrchen oder Frauchen das entsprechende Signal gibt. Warten Sie also erst einmal ab und bleiben Sie unbeteiligt an der Situation. Erst wenn Ihr Hund tatsächlich überhaupt keine Annäherung wagt oder sogar die Flucht zu ergreifen versucht, sollten Sie tätig werden. Vermitteln Sie Ihrem Hund dann zunächst einmal über Ihre Stimme und Ihre Körpersprache, dass von dem unbekannten Objekt keine Gefahr droht. Achten Sie dabei darauf, mit ruhiger und fester Stimme sowie nicht lauter als normal zu sprechen. Ihre eigene Körperhaltung sollte entspannt sein, überprüfen Sie also vorher kurz, ob Sie eventuell selbst angespannt sind und entspannen sich bewusst.
Da Sie für Ihren Hund das Alpha-Tier sind, wird er sich in Situationen der Unsicherheit immer besonders an Ihrem eigenen Verhalten orientieren. Wenn Sie in einer Situation, in der Ihr Hund Angst oder Unsicherheit gegenüber etwas Neuem zeigt, selbstsicher auf das Objekt zugehen, es berühren und dabei beruhigend zu ihm sprechen, wird er schnell verstehen, dass keine Gefahr besteht, und sein eigenes Verhalten entsprechend anpassen.
Konfliktverhalten
Konfliktverhalten wird grundsätzlich in Situationen ausgelöst, innerhalb derer Hunde mit etwas konfrontiert sind, über das sie zunächst herausfinden müssen, welches Verhalten angebracht und am zweckdienlichsten ist. In den allermeisten Fällen handelt es sich dabei um Situationen, die auf irgendeine Art bedrohlich auf den Hund wirken, zum Beispiel im sozialen Kontext, in der Begegnung mit fremden und möglicherweise aggressiven Artgenossen. Doch auch die Konfrontation mit neuen Orten, Dingen oder anderen, unbekannten Tieren und Menschen, die der Hund nicht einschätzen kann, können ein Konfliktverhalten beim Hund hervorrufen. Eine weitere Möglichkeit, Konfliktverhalten auszulösen, ist eine misslungene Kommunikation mit dem Menschen oder Artgenossen. Wenn Sie Ihren Hund zum Beispiel zu sich rufen, ihn dabei aber direkt anstarren und insgesamt sehr angespannt sind, wird das in ihm einen Konflikt auslösen, da Sie Signale senden, die einander widersprechen. Auf diesen speziellen Konflikt werde ich später noch ausführlich eingehen.
Unabhängig von der Art des Konflikts, in dem ein Hund sich befindet, hat er vier verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren, die ich im Folgenden näher beleuchten werde. Für welche dieser Möglichkeiten ein Hund sich im Konfliktfall entscheidet, ist sehr individuell und vor allem davon abhängig, wie das Tier den Konflikt und mögliche Lösungsstrategien einschätzt. Es ist auch möglich, dass die folgenden vier Modi nacheinander ablaufen, weil Ihr Hund nach einer Lösungsstrategie sucht und dabei immer zunächst nach einer möglichst friedlichen Lösung sucht.
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Freeze Freeze ist der englische Ausdruck für Einfrieren und genau das kann geschehen, wenn ein Hund sich in einer Situation befindet, für die er zunächst keine Lösung findet. Stellen Sie sich vor, Sie sind wütend auf Ihren Hund, weil er etwas angestellt hat. Sie rufen ihn nun mit lauter und verärgerter, vielleicht sogar wütender Stimme zu sich. Dabei zeigen Sie eine stark angespannte Körperhaltung und die Wut steht Ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben. Ihr Hund kann auf diese Art nur in einen Konflikt geraten, denn Sie...