Schweitzer Fachinformationen
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Irgendwann einmal im Leben erreichte anscheinend jeder den Tiefpunkt: Hätte ich bloß auf meine Eltern gehört.
Kind, merk dir das, das Allerwichtigste im Leben ist finanzielle Sicherheit. Wenn du dir nicht gerade einen reichen Ehemann angeln kannst, such dir deinen Job ja gut aus. Um Himmels Willen nur nichts Gefährliches oder Brotloses! Wirklich, mit deinen Talenten, deiner Intelligenz, du kannst doch alles werden, wenn du dich nur ein bisschen anstrengst! Wie wäre es mit Ärztin oder Anwältin? Vielleicht lernst du dabei sogar jemand Interessantes kennen.
Naturgemäß machte Sam um jeden einzelnen dieser guten Ratschläge einen großen Bogen. Weder Popsängerin noch Rettungsschwimmerin war allerdings ein sonderlich realistischer Kindheitstraum, und die Anmeldung für die Polizeischule war mit dem diskreten Hinweis auf ihre Körpergröße von der Registrierungs-Datenbank zurückgekommen. Da waren ihr irgendwann die Ideen ausgegangen. Seitdem Larissa krank war, hatte es sowieso an Geld im Haushalt Strasser gemangelt. Und Sams Angehörigen an Geduld. Vor allem ihre Mutter hatte zu Lebzeiten immer an ihren strengen erzieherischen Grundsätzen festgehalten, gegen die nicht einmal ihr Mann hatte aufbegehren dürfen. Vermutlich hatte sich dieser deshalb irgendwann aus dem Staub gemacht.
Inzwischen hatte sie wenigstens einen ganz ordentlichen Abschluss an der Sekretärinnen-Schule in der Tasche. Also kein Anlass mehr für Nörgeleien des letzten noch verbliebenen Familienmitglieds. Eigentlich. Dass Sam sich ausgerechnet im hoch umstrittenen K.A.I.N.-Genetik-Forschungslabor bewerben und auch noch prompt zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden würde, damit hatte wohl niemand gerechnet. Sie selbst am wenigsten.
Erst als sie am Tag des Interviews nach über einer Stunde des Wartens immer noch in einem stickigen, verlassenen Vorzimmer saß, wünschte sie sich, sie hätte wenigstens ein einziges Mal einen guten Rat aus Kindertagen angenommen. Warum wollte sie überhaupt ausgerechnet hier anheuern? Nur wegen des fürstlichen Gehalts? Oder weil Genforschung so boomte, dass der Arbeitsplatz narrensicher war?
Mach dir nichts vor, Sam. Du willst das doch.
Nicht mehr die Stimme ihrer Mutter in ihrer Erinnerung, sondern die ihrer großen Schwester, vorhin im Pflegeheim. Natürlich hatte Larissa ihre gespielte Gleichgültigkeit durchschaut. Schon früher hatte sie auf einen Blick sagen können, wann Sam einen besonders schlimmen Schultag erlebt hatte und eine Umarmung brauchte. Und sie munterte Sam selbst dann mit einem gutmütigen Zwinkern auf, wenn sie sich in völlig Utopisches verrannte. Egal, ob es der zweiundzwanzigste Fehlgriff bei der Jobsuche oder der letzte spektakuläre Reinfall namens Mr. Lovebig aus dem Single-Chat war.
Du hast immer schon größere Ansprüche als wir alle gehabt, Kleines. Geh hin, sonst ärgerst du dich hinterher nur.
Larissa hatte ja auch nicht wissen können, dass man hier nach dem eigentlich noch sehr freundlichen Empfang ohne jede Information sitzen gelassen wurde, obwohl man pünktlich gewesen war. Überpünktlich sogar. Zugegebenermaßen sonst nicht Sams größte Stärke.
Als sie gerade einfach gehen wollte - es gab noch andere Stellenangebote im Netzwerk, vielen Dank - glitt die milchig-weiße Tür auf, hinter der man sie angeblich erwartete. Die gereizte Miene der aus dem Büro stürmenden Rothaarigen verhieß nichts Gutes. Die Frau war noch dabei, den Rock ihres Kostüms dorthin zu zerren, wo er hingehörte. »Sie sollen gleich rein gehen«, keifte sie Sam an. »Viel Glück.«
So ein pikanter Auftritt allein wäre Grund genug gewesen, auf dem Absatz umzudrehen. Die Tür stand jedoch weit auf, sodass Sam ihrem Schicksal zumindest nicht ohne eine Verabschiedung entkommen konnte. Sie straffte sich und strich sich zum zigsten Mal heute ihren Pony aus dem Gesicht.
Das Bild ihrer übertrieben zurechtgemachten Konkurrentin tauchte unweigerlich in ihrem Kopf auf. Hektisch fischte Sam Haarspangen aus ihrer Hosentasche, steckte die widerspenstigen Strähnen zurück und flocht sich einen festen Zopf, schloss auch noch die oberen zwei Knöpfe ihrer Bluse. Was in der Welt der Reichen und Mächtigen auch für ein Niveau herrschen mochte, sie würde sich nicht darauf herablassen.
Noch im Türrahmen stoppte sie abrupt. Der Raum war vollkommen leer.
Auch mehrmaliges Blinzeln änderte nichts an dieser Feststellung. Nein, ihre Augen mussten sich nicht erst an die abstrakte Umgebung gewöhnen. Sam war allein mit einem wuchtigen ovalen Tisch und einem eierschalenförmigen Drehstuhl. Keine Schränke, völlig leere Wände, Neonstrahler, dicker Berberteppich . Das war alles, und alles war einheitlich in Schwarz gehalten.
Nur ein Flimmern an der Oberfläche des Tisches ließ darauf schließen, dass in diesem Zimmer von Zeit zu Zeit wohl doch jemand arbeiten musste. Die Bewegung kam vom Standby-Bild eines Monitors, dunkelgraue Längsstreifen, die in variierendem Tempo von oben nach unten glitten, wie Regentropfen an einem Fenster. Vielleicht als Ersatz dafür, dass so eines hier drin genauso wie auf dem Flur fehlte.
Die vielen künstlich beleuchteten Räumlichkeiten bei K.A.I.N.-Genetik hatten Sams Zeitgefühl vollkommen durcheinandergebracht. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass es draußen bereits dämmern musste. Lange genug gewartet. Kopfschüttelnd wandte sie sich ab. Wenn sie sich beeilte, kam sie noch rechtzeitig nach Hause, um ihre Lieblings-Netzwerk-Soap zu sehen.
Erschrocken fuhr sie zusammen, als ihr Blick die einzige freie Ecke des Raums streifte und dort ein länglicher Fleck auftauchte, der sich als Silhouette eines groß gewachsenen Manns entpuppte.
Jetzt hörte sie auch endlich das Rauschen eines Wasserhahns, nahm mehr Details ihrer Umgebung wahr. Ein in die Wand eingefasstes Waschbecken, der winzige Spiegel darüber. Wirklich alles hier erfüllte einen nüchternen Zweck. Keine Zimmerpflanzen oder Fotos, nicht das kleinste Anzeichen einer Persönlichkeit. Wer um Himmels Willen arbeitete freiwillig in einem schwarz eingerichteten Büro? Einem derart unpersönlichen Büro? Diesem Raum hätte sogar ein Kaktus Charme verliehen.
Nun, das war nicht ihr Problem und würde es hoffentlich auch nie werden. Sam zwang sich, ihre Inquisition auf später zu verschieben. »Samantha Strasser. Wir haben einen Termin.«
»Vor einer Stunde, ja, tut mir leid.« Der Mann knöpfte seelenruhig weiter sein Hemd zu, rückte seine Krawatte und das weiße Jackett zurecht, bevor er sich zu seinem Schreibtisch bequemte. »Bitte.« Er zeigte auf einen ungepolsterten Plastikstuhl davor. »Ich war kurz . abgelenkt. Ihre Konkurrentin hat es vorgezogen, mit unmoralischen Mitteln für ihre neue Anstellung zu kämpfen.«
Sam stand schon wieder halb auf, bevor er den Satz beendet hatte, und das nicht nur, weil das der unbequemste Sessel war, auf dem sie je Platz genommen hatte. Die schräg nach hinten gegossene Lehne drückte schmerzhaft in die Schulterblätter, die Sitzfläche gab zu stark nach, sodass sie regelrecht darin versank. Und als sie endlich eine einigermaßen würdevolle Haltung gefunden hatte und peinlich berührt aufsah, ihrem Gegenüber zum ersten Mal ins Gesicht . Da erlitt sie auch noch einen akuten Anfall von Hitzewallungen.
Unter einem Personalchef hatte sie sich keinen schnittigen Typen Anfang dreißig vorgestellt, mit Augen wie Haselnüssen - genauso braun und genauso verführerisch - und pechschwarzen Haaren. Eine durchwegs anziehende Kombination, die einen das etwas zu lange Gesicht übersehen ließ. Ganz abgesehen von einem Lächeln, das ihre Wut in Sekunden zu schmelzen drohte. An irgendjemanden erinnerte der Kerl sie zudem .
Außerdem sollte sie schnell ihre Augen in die Höhlen zurück kurbeln, bevor man noch glaubte, sie würde sich ebenfalls für einen Job ausziehen. »Falls das die Voraussetzung für ein Gespräch mit Ihnen ist, bin ich hier falsch.«
Ihr Gegenüber lachte auf, völlig unbeeindruckt von ihrer Biestigkeit. »Ich schlage keine guten Angebote aus, das ist alles. Das werden Sie rasch merken, wenn Sie bei uns anfangen sollten.« Er machte keine Anstalten, ihr die Hand zu geben, stellte sich aber zumindest endlich vor. »Niklas Moore, ich bin der Leiter dieses bescheidenen Anwesens. Ich stelle meine Leute lieber selbst ein. Unsere beiden Personalchefs kommen erst ins Spiel, wenn es interne Probleme gibt. Aber das ist selten der Fall. Wir sind wie eine große Familie.«
Nach einem schamlos ausführlichen Blick auf Sams Körper tippte er auf die Tischfläche. Der obligatorische Fingerabdruck-Scan ersetzte das Standby-Bild mit einer puristisch aufgeräumten Ordneransicht und mit Sams Bewerbungsdaten. »Verzeihen Sie meine Indiskretion. Sie hatten kein Foto mitgeschickt. Weswegen ich Sie übrigens fast gar nicht eingeladen hätte. In meinem Geschäft zählt leider nicht nur die Leistung.«
»Und? Ist der optischen Ansprüche Genüge getan?« Sam wollte sofort hier raus. Wenn sie ihre große Klappe noch ein wenig weiter aufriss, ging das doch sicher am schnellsten.
Zu ihrem Erstaunen sah Niklas nur mit mildem Spott in den Augen auf. »Sie sind nicht auf den Mund gefallen, gut. In unserer Forschungsabteilung arbeiten fast nur Männer. Sie müssen sich durchsetzen können. Ihr formelles, gepflegtes Auftreten stimmt mich ebenfalls positiv. Ich kann weder mit Anziehpüppchen arbeiten, noch mit jemandem, der mehr Zeit mit internen Liebschaften als seinen Aufgaben verbringt.«
»Ich trenne Berufliches und Privates.« Wenigstens nahm das Gespräch jetzt eine vernünftige Wendung. »Außerdem habe ich bereits in Branchen gearbeitet,...
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