Schweitzer Fachinformationen
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"Kalabrien ist eine Insel" - auf den ersten Blick in den Atlas erscheint dieser Satz widersinnig. Die südlichste Festlandsregion Italiens (15 000 km2, knapp 2 Mio. Ew.) gleicht mit ihren rund 800 km langen Küsten jedoch tatsächlich in vielerlei Hinsicht einem Eiland. Kalabrien, durch das hohe Kalksteinmassiv des Pollinogebirges gegen Norden abgeschirmt, ist eine fremdartige, in sich geschlossene Welt. Jahrtausendelange griechische Besiedlung, sarazenische Piratenüberfälle und albanische Einwanderung haben eine ganz eigene Kultur mit fast balkanischem Einschlag geschaffen. An den meist sandigen Küsten, die so blumige Namen wie Costa dei Gelsomini (Jasminküste) oder Costa Viola (Violette Küste) tragen, hat die Moderne Einzug gehalten, nicht immer zum Vorteil der Landschaft. Wer nach Kalabrien zum Baden reist, sollte sich seinen Küstenabschnitt gut aussuchen oder sich an planlos wuchernden Neubauten nicht stören. Ein Paradox ist die Ufereisenbahn aus dem 19. Jh., die groteskerweise gerade dadurch, dass sie das Land von seinem Meer trennt, heute weite Küstenstriche vor Zersiedelung schützt. Besonders charmant ist die reich gegliederte tyrrhenische Steilküste bei Tropea mit den spektakulären Buchten am Capo Vaticano. Nachts herrscht hier fast Caprifischeridylle, wenn die Laternen der Fischerboote vor der Küste blinken. Schwertfischkutter mit 20 m hohen Ausguckmasten kreuzen vor dem romantischen Hafenstädtchen Scilla an der Costa Viola. Für ideale Wassersportbedingungen bis in den Spätherbst sind die Badeorte der regenärmeren und flacheren ionischen Küste bekannt. Und die roten Sandsteinküsten der Riserva Marina am Capo Rizzuto bei Crotone sind ein Paradies für Schnorchler.
Das "wahre" Kalabrien des Landesinneren präsentiert sich auf den ersten Blick spröde. Serpentinenstraßen voller Schlaglöcher winden sich entlang riesiger Fiumare - so heißen die sommertrockenen, in ihrem Unterlauf oft kilometerbreiten Schotterflussbetten - zu halb verlassenen Bergdörfern, in denen nur noch die Alten ausharren. Wie von einer Insel sind die Leute hier immer wieder ausgewandert, um Armut und Unterdrückung zu entgehen. Der kalabrische Autor Carmine Abate beschreibt eindringlich die Zerrissenheit seiner Landsleute zwischen alter und neuer Heimat, sei es Deutschland oder das industrialisierte Norditalien. Die Weltabgewandtheit der Daheimgebliebenen hat auch ihre Vorteile, bei den Hirtenfesten ist das Brauchtum noch nicht zur kommerziellen Folklore verkommen. Tarantellatänze in kostbaren Trachten, ergreifende Prozessionen, Seidenweber und Pfeifenschnitzer - in albanischsprachigen Orten wie Civita im Pollino oder den sogenannten grekanischen, den griechisch geprägten Gemeinden des Aspromonte können Sie solche Entdeckungen noch machen.
Die Landschaft mit ihrem Kontrast von montagna und mare ist die Bühne der kalabrischen Geschichte. Das Meer bedeutete nicht nur Freiheit, sondern immer auch Ausgesetztsein und Gefahr. An den Küsten landeten Fremde als Eroberer und Kolonisten. Griechen drängten die Ureinwohner, die Bruttier, ins Landesinnere zurück; jahrhundertelang mieden die Menschen die Meeresnähe wegen Malaria und Piraten. Doch ist Kalabrien nicht nur von dieser defensiven Rückzugsmentalität geprägt, immer wieder hat es auch mit kulturellen Höchstleistungen geglänzt: Der Auerochse in der Grotta del Romito gilt als eine der schönsten steinzeitlichen Felsritzungen Italiens, später blühte die hellenische Kultur: In Rhegion, dem heutigen Reggio, sang Ibykos, in Kroton lehrte Pythagoras, in Thurioi plante Hippodamos schnurgerade Straßen und Herodot schrieb hier seine Geschichte. Die 1972 durch einen Zufall aus dem Meer gefischten Bronzemänner von Riace haben der Region eine Touristenattraktion ersten Ranges beschert.
Im Mittelalter war das byzantinische Süditalien fester Bestandteil des griechisch-orthodoxen Kosmos - der Purpurkodex von Rossano und die entzückende Kuppelkirche La Cattolica in Stilo faszinieren nicht nur Kunsthistoriker. Normannische Dome, Stauferburgen, spanische Hafenbastionen - gerade in den Kleinstädten wie Morano Calabro, Altomonte, Gerace, Tropea oder Pizzo offenbart sich Kalabrien als lebenswerte Kunstlandschaft mit typisch italienischem Piazzaflair. Dazu gesellen sich die drei "Hauptstädte" der Region: die administrative Kapitale Catanzaro mit ihren futuristischen Verkehrslösungen, die ehemalige Hauptstadt (bis 1970) Reggio mit dem berühmten Sizilienblick und die ehrwürdige Kulturmetropole Cosenza, die mit Alt- und Neustadt zwei verschiedene Gesichter zeigt.
Kalabrien will nicht studiert, sondern erlebt werden: Die Landschaft, Volksbräuche und einsame Bergdörfer spielen eine Schlüsselrolle. Auch Aktivurlauber sind hier in ihrem Element, ob Trekking im Pollino, Rafting in den imposanten Schluchten des Lao oder Birdwatching oberhalb der Straße von Messina. Zu ausgedehnten Wanderungen laden die pilzreichen Wälder in der Sila und im rauen Aspromonte ein. Diese südlichsten Ausläufer des Apennins stellen sich hier als Wolkenfänger dem Westwind entgegen und sorgen für ein überraschend grünes Land.
In ganz Italien ist die unverfälschte Landküche Kalabriens ein Begriff: eingelegte Pilze, pikante, luftgetrocknete Salami, frischer Hirtenkäse. Lassen Sie sich in den Bergen in einer der wunderbaren Familientrattorien mit hausgemachter Pasta und kräftigem Bauernwein bewirten. Die Slow-Food-Bewegung hat auch in Kalabrien Fuß gefasst und jedes Jahr wächst die Liste der empfohlenen Produzenten und der engagierten Wirte. Machen Sie es den Einheimischen nach und flanieren Sie mit einem erfrischenden Zitroneneis über die Strandpromenade!
Auch in Kalabrien ist die Gegenwart angekommen und Zukunft wird gedacht. In Catanzaro wurde nach mehr als 60 Jahren Theaterpause Anfang des 21. Jhs. das Opernhaus des Architekten Paolo Portoghesi eröffnet. Der Parco Archeologico di Scolacium bietet ambitionierten Ausstellungen zeitgenössischer Bildhauerkunst einen kontrastreichen Rahmen. Skulpturen von Mimmo Paladino, Tony Cragg, Antony Gormey oder Stephan Balkenhol haben im Anschluss ihre feste Aufstellung im weitläufigen Parco della Biodiversità Mediterranea von Catanzaro gefunden. Auf Kunst im öffentlichen Raum setzt auch Reggio di Calabria bei der Neugestaltung des Lungomare. Den spektakulären Abschluss soll das von der britischen Stararchitektin Zaha Hadid entworfene Meeresmuseum an der neu entstehenden "Regium Waterfront" setzen.
Die Rotweine aus Cirò zählen mittlerweile zu den Topetiketten Italiens, Musikgruppen punkten international mit Ethnosound und engagierte Kooperativen entzücken mit unkonventionellen Urlaubsideen wie Eselwandern auf alten Brigantenpfaden. Dass gesellschaftliches Engagement anziehend sein kann, beweist das Modelabel Cangiari (bedeutet im kalabrischen Dialekt "verändern") mit der Schaffung legaler Arbeitsplätze als Gegenentwurf zur 'ndrangheta.
Die drei kalabrischen Nationalparks entwickeln mit neuen Initiativen touristische Anziehungskraft und der blühende, kinderfreundliche agriturismo sorgt für geschmackvolle, preisgünstige Quartiere auf dem Land. Mithilfe von EU-Subventionen werden alte Gutshöfe, Ölmühlen, Weingüter und Landvillen zu individuellen Herbergen ausgebaut. Hier finden nicht nur Familien schnell Anschluss und in der Küche werden frische Produkte aus der eigenen Landwirtschaft verarbeitet. Schwimmbäder, Tennisplätze und Reitgelegenheiten gehören oft zum Angebot. Kalabrien ist auf dem Weg in einen modernen Tourismus, aber es ist unter allen Regionen Italiens noch immer die urwüchsigste, eine Region für Kenner und Entdecker.
um 9000 v. Chr.
Felsze ic hnungen in der Grotta del Romito im Pollinogebirge
8. Jh. v. Chr.
Beginn der griechischen Kolonisation
532 v. Chr.
Pythagoras wandert von Samos nach Kroton aus
1. Jh. v. Chr.
Kalabrien und die Basilikata bilden die römische Region Lucania et Brutii
410
Nach der Plünderung Roms stirbt Alarich, König der Westgoten, in Cosenza
533
Kalabrien wird byzantinisch
11. Jh.
Normannen erobern Kalabrien
ab 1442
Herrschaft des spanischen Königshauses Aragón über Süditalien
15. Jh.
Auf der Flucht vor den Türken wandern Albaner ein
16. Jh.
Kaiser Karl V. lässt Küstentürme gegen türkische Piraten errichten. Judenvertreibung im spanischen...
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